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Training für die Fitness: Björn Leber und sein prominenter Schützling Andrej Nawalny
© Fitness- und Gesundheitszentrum Albgym

„Björn, komm vorbei, wenn ich russischer Präsident bin“: Dieser Deutsche machte Nawalny wieder fit

In einem kleinen Schwarzwaldort trainierte Björn Leber mit dem russischen Oppositionellen für dessen Genesung: Neun Wochen Muskelaufbau, Jonglieren und Boxen.

Der Anruf, der sein Leben verändern würde, kam am 15. Oktober um 14 Uhr 37. 13 Tage nach seinem 23. Geburtstag. Björn Leber war Skicross-Profi, bis ein doppelter Bandscheibenvorfall die Karriere jäh beendete. Er saß an seinem Studentenschreibtisch in Konstanz, wo er kurz vor dem Bachelor in Sportwissenschaft steht, und schrieb Bewerbungen als Personal Trainer.

Sascha war am Telefon, Chef des Fitnesstudios „Albgym“ in St. Blasien im Schwarzwald, wo Björn gejobbt hatte. Es liegt in der Nähe seines Elternhauses in Bernau, auf der Südseite des 1493 Meter hohen Feldbergs und des 1415 Meter hohen Herzogenhorns. Ob er sich die nächsten Wochen für einen speziellen Klienten freihalten könne? Und wie gut sein Englisch sei?

Wenig später kam ein zweiter Anruf, per Facetime. Eine Frauenstimme mit russischem Akzent. Björn nennt sie "M." Mehr über sie darf er nicht preisgeben. "M." stellte Fragen, skizzierte die Aufgabe, ihren Chef wieder fit zu kriegen, und verpflichtete Björn zur Verschwiegenheit.

So wurde Björn Leber der Mann, der Alexej Nawalny nach dessen Vergiftung mit dem Nervengift Nowitschok, nach künstlichem Koma und Genesung in der Berliner Charité ins Leben zurück boxte. Und ihm im Verlauf der folgenden neun Wochen in der abgelegenen Ortschaft Ibach im Schwarzwald die verlorene Fitness zurück gab. Dabei machte er selbst Bekanntschaft mit Personenschützern und Sicherheitsvorkehrungen. Sein Heimatblatt "Badische Zeitung" hatte ihn als erste dazu befragt.

Leber: Geradezu freundschaftlicher Umgang

Wie ist Nawalny im persönlichen Umgang? „Einfach nett, geradezu freundschaftlich und respektvoll. Wir konnten über alles reden: wie man mit Lebensgefahr umgeht, über die Familie und seine Tochter. Die hat uns sogar in Ibach besucht“, erzählt Leber. Am stärksten beeindruckt haben ihn Nawalnys Ehrgeiz und Disziplin. „Wenn er bei einer Übung mit den Kräften am Ende war und ich ihn ermunterte, zwei schaffst Du noch, hat er drei gemacht.“

Der Weg zum Erfolg war voller Hürden, Überraschungen und Rätsel. Zurück aus Konstanz fand Björn Leber seinen Heimatort Bernau voller Polizeiautos und Mannschaftswagen vor, die man dort zuvor selten sah. In den Gasthäusern waren ungewöhnlich viele Ortsfremde.

„Ich konnte spüren: Der ist ein Kämpfer“

Als er zur vereinbarten Adresse für das Kennenlernen mit seinem neuen Klienten in Ibach kam, wurde sein Ausweis kontrolliert und der Körper abgetastet. Dann musste er warten, draußen vor dem Haus, eine halbe Stunde in der Kälte.

„Ich glaube, das hätte noch länger gedauert, wenn Nawalny nicht Mitleid gehabt und mich hereingebeten hätte. Dann stand er vor mir: groß, aufrecht, höflich. Ich bin der Alexej, hat er gesagt.“

Nicht zu übersehen war, dass der Klient schon mal über mehr Kraft und Muskeln verfügt hatte. „Nach vier Wochen im Koma war er körperlich fast auf Null. Aber ich konnte spüren: Der ist ein Kämpfer“, erinnert sich Leber.

Konzentrierte Arbeit an der Fitness: Alexej Nawalny und Trainer Björn Leber
Konzentrierte Arbeit an der Fitness: Alexej Nawalny und Trainer Björn Leber
© Fitness- und Gesundheitszentrum Albgym

Die gemeinsame Arbeit begann mit der Anamnese. „Alexej hatte nicht nur Kraft und Muskeln eingebüßt. Die Koordination der Bewegungen hatte unter dem Gift gelitten. Ich machte ihm Vorschläge für einen Trainingsplan, wie wir neben dem Muskelaufbau auch daran arbeiten: mit Jonglieren und Boxen, weil es da genau darauf ankommt.“ Zwei Tage später haben sie mit dem Training begonnen.

Das Tempo, in dem Nawalny Fortschritte machte, beschreibt Björn Leber als „außergewöhnlich“. Anfänger im Fitnesstraining schaffen nach seiner Erfahrung unter sehr guten Bedingungen drei Kilo Muskelaufbau in zwei Monaten. Bei Nawalny waren es vier Kilo. „Da war eine Grundlage vorhanden. Alexej war vor der Vergiftung sehr fit gewesen.“

Besuch im Fitness-Studio unter Polizeischutz

Die Erholung zog sich über mehrere Phasen. Anfangs reichte die Kraft für zwei Fitnesseinheiten pro Woche, später für vier. „Das Krafttraining machten wir bei ihm in Ibach. Die Geräte dafür habe ich mitgebracht. Später waren wir auch mal in Saschas Fitnessstudio in St. Blasien. Draußen stand Polizei und hat uns abgeschirmt.“

Björn Leber glaubt, dass er Nawalny auch deshalb so gut helfen konnte, weil er aus eigenen Erfahrungen schöpfte: Wie wird man wieder fit, wenn die Gesundheit schwer angeschlagen ist? „Das ist eine andere Aufgabenstellung für einen Personal Trainer als bei Klienten, die abnehmen möchten. Oder sich einen Sixpack antrainieren oder die muskulösesten Oberarme im Freundeskreis haben wollen.“

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Björn Leber wollte „mit Herz und Blut“ Ski-Profi werden. Er war es auch für einige Zeit. Als Kind und Jugendlicher in Bernau hatte er gute Pisten vor der Tür. Der Erfolg kam. „Das Coolste war die Studenten-Olympiade in Kasachstan 2017.“ Er war im Eurocacup gut dabei, er hatte Aussichten auf den Weltcup.

Leber kennt das: Plötzlich ist die Gesundheit weg, aus der Traum

Mit 20 plötzlich aus der Traum. Es begann mit Beschwerden im Rücken, bald war er nur noch während der Physio schmerzfrei. „Ich glaube, ich wollte zu viel, habe es beim Krafttraining übertrieben und zu viele Gewichte genommen.“ Die Diagnose: beidseitiger Bandscheibenvorfall.

Leber hatte die angestrebte Profikarriere nicht als Sportsoldat bei der Bundeswehr angestrebt oder mit einer ähnlichen Absicherung verbunden. Vom Elternhaus – der Vater leitet eine Software-Firma, „ein SAP in klein“ – hatte er mitbekommen: Finanzielle Sicherheit für das ganze Leben bringt ein Studium. Und, als die Bandscheibe sich meldete: „Ein gesundes Kreuz brauchst Du Dein Leben lang.“ Er studierte Sportwissenschaft in Konstanz und arbeitete daran, den Körper wieder gesund zu machen, mit „Physio, Physio, Physio“.

Bald konnte er wieder trainieren, im Olympiapark München. Parallel machte er seine Lizenzen und begann, als Personal Trainer zu jobben. Gerade schreibt er seine Bachelorarbeit über „Doping und die Auswirkungen auf die menschliche Physiologie“. Bis 20. März muss er sie abgeben. Als nächstes möchte er den Master in „Business of Sport Management“ machen.

Schwarzwälder Kirschtorte von der Oma. Alexej freut sich wie ein Kind

Neugier, immer weiter lernen, nicht aufgeben: Auch da fühlt Björn Leber eine Verbindung mit Alexej Nawalny. „Der hat sich bemüht, nebenher Deutsch zu lernen – bis 20 zählen kann er fließend. Und mir hat er ein bisschen Russisch beigebracht.“

Als sie über Deutschland sprachen, hat Nawalny erzählt, dass er „diesen Schwarzwaldkuchen so gern mag“. Björns Oma hat ihm eine Kirschtorte in Herzform gebacken. „Alexej hat sich gefreut wie ein Kind.“ Und für die 86-jährige ein Danke-Video aufgenommen.

Fotos mit Björn hat Nawalny auch gemacht. Eines Tages haben sie einige parallel auf Instagram gepostet. „Ich bekam 8.000 Likes, Alexej 280.000.“ Da sieht man, was Prominenz ausmacht.

In Ibach war Nawalny gut geschützt, vor allem durch die abgeschiedene Lage und die Verschwiegenheit der Eingeweihten. „Das war wohl die Absicht, auch die der Regierung, nach den täglichen Schlagzeilen über seinen Gesundheitszustand in der Charité“, meint Leber. „Ruhe einkehren lassen.“

Plötzlich hat Nawalny nicht mehr geantwortet

Anfangs war Nawalny weitgehend ans Haus gefesselt. Nach draußen sollte er kaum – und wenn, nur mit Personenschutz, hat Leber beobachtet. „Dabei geht Alexej gerne spazieren, vor allem morgens und abends.“ Als klar wurde, dass er ziemlich unbemerkt im Schwarzwald lebt, wurde die Bewachung weniger streng.

„Viel gearbeitet“ habe Nawalny, wenn kein Training war. „Der saß meist an seinem MacBook. Oder er hat telefoniert.“

Geheimhaltung fällt gar nicht so leicht, auch das hat Leber gelernt. Ende Oktober saß er mit Freunden im Gasthaus, die Corona-Auflagen waren damals gelockert, „und die fingen an, über Nawalny zu reden. Wie es dem jetzt wohl gehe? Ich hab den Mund gehalten, still wie ein Lämmchen, und Gott sei Dank ist es niemandem aufgefallen.“

Das Ziel Fitness im Blick: Alexej Nawalny und Trainer Björn Leber
Das Ziel Fitness im Blick: Alexej Nawalny und Trainer Björn Leber
© Fitness- und Gesundheitszentrum Albgym

Hat er heute noch Kontakt zu Nawalny? „Nicht zu ihm, aber zu ,M.', seiner Beraterin“. Björn Leber druckst kurz herum. „Das ist mir ein bisschen peinlich. Erst habe ich ihm noch direkt geschrieben und mich irgendwann gewundert, dass er nicht mehr antwortet. Doch das kann er nicht mehr. Die haben ihn ja gleich nach der Rückkehr nach Moskau ins Gefängnis gesteckt.“

Über die Risiken, die Nawalny in Russland drohen, haben sie in den neun Wochen zwischen Mitte Oktober und Anfang Dezember oft gesprochen. „Björn, hat er gesagt, ich habe nur einen Weg, um das herauszufinden. Alexej wollte zurück und seinen Weg weitergehen. Das flößt mir großen Respekt ein.“

Beim Abschied haben sie sich umarmt. „Ich habe ihn gefragt, wann wir uns wiedersehen. Da hat er gelacht, mich nochmals umarmt und gesagt: Komm vorbei, wenn ich russischer Präsident bin.“

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