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Fahndungsfotos des Tunesiers Anis Amri hängen an der Tür der Weihnachtsmarktwache in Frankfurt am Main (Hessen).
© dpa

Fall Anis Amri: Medien: Warnung vor möglichem Selbstmordanschlag lag vor

Laut "Bild am Sonntag" warnte das LKA in Düsseldorf schon im Frühjahr 2016 vor einem Attentat des Tunesiers. Das macht Druck auf NRW-Innenminister Jäger (SPD).

Im Fall des islamistischen Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit zwölf Todesopfern kommen neue Details ans Licht. Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt hat laut „Bild am Sonntag“ schon im März 2016 intern das Innenministerium davor gewarnt, dass der tunesische Attentäter Anis Amri einen Anschlag planen könnte. Damit könnte Landesinnenminister Ralf Jäger weiter unter Druck geraten. Der SPD-Politiker soll am Mittwoch vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss aussagen.

Wörtlich heißt es in dem Schreiben laut „BamS“, dass „nach den bislang vorliegenden, belastbaren Erkenntnissen zu prognostizieren ist, dass durch Amri eine terroristische Gefahr in Form eines (Selbstmord-)Anschlages ausgeht“. Deshalb habe das LKA vorgeschlagen, eine Abschiebung anzuordnen. Als Beleg für Amris Gefährlichkeit diente den Ermittlern demnach unter anderem ein überwachter Chat.

Der Chef der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, sagte dem Blatt: „Diese neuen Enthüllungen sind dramatisch.“ Jäger sei „ein Sicherheitsrisiko für die Menschen in ganz Deutschland“.

Auch Reporter der "Berliner Morgenpost" und vom RBB haben die Untersuchungsakten im Fall Amri ausgewertet und dabei ein ähnliches Behördenchaos im Verlauf der Ermittlungen entdeckt. Die Dokumente zeigen demnach, dass Amri mit 14 Alias-Namen und Identitäten hantiert habe. Frühzeitig hätten die Landeskriminalämter in Düsseldorf und Berlin über die Verwendung von Alias-Namen Bescheid gewusst. So sprachen bis weit in den Herbst 2016 hinein Sachbearbeiter der zuständigen Ausländerbehörden in ihrer Behördenkommunikation unter anderem über einen Anis Amir oder einen Ahmed Almasri.

Amri hatte am 19. Dezember einen Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert und zwölf Menschen getötet. Zuvor hatte er sich fast anderthalb Jahre lang in Deutschland aufgehalten. Er nutzte mehr als ein Dutzend gefälschte Identitäten, wurde als Gefährder eingestuft, von der Polizei observiert und sogar kurz in Abschiebehaft genommen. Und doch konnte er den schwersten islamistischen Terroranschlag in Deutschland verüben.

Der stellvertretende Chef der FDP im Landtag, Joachim Stamp, forderte Jäger zum Rücktritt auf. „Dieser Vermerk ist der klare Beleg, dass im Verantwortungsbereich von Innenminister Jäger versagt wurde.“ Doch verweigere dieser eine Fehleranalyse.

Eine Abschiebung Amris war an Bedenken des NRW-Innenministeriums gescheitert. Es war der Rechtsauffassung, dass dies gerichtlich nicht durchsetzbar wäre.

In der kommenden Woche wird der Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zum Fall Amri gleich an vier Tagen zu wichtigen Zeugenbefragungen zusammenkommen. Geladen sind unter anderem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und NRW-Innenminister Ralf Jäger (beide SPD) sowie Generalbundesanwalt Peter Frank und der Chef des Landesverfassungsschutzes, Burkhard Freier.

Der Ausschuss arbeitet unter großen Zeitdruck, da sein Auftrag mit dem Ende der Legislaturperiode erlischt. Am 14. Mai wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Schon am 3. April wollen die Ausschussmitglieder einen Zwischenbericht ihrer Arbeit beschließen. (dpa/AFP)

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