Mehr Aufschub für Austritt: May will EU um kurze Brexit-Verschiebung bitten
Großbritanniens Premierministerin May hält eine Verschiebung des EU-Austritts für nötig. Zudem sucht sie das Gespräch mit der Labour-Opposition.
Die britische Premierministerin Theresa May will eine erneute, möglichst kurze Verlängerung der EU-Austrittsfrist beantragen. Das kündigte May am Dienstag nach einer siebenstündigen Kabinettssitzung in London an. Gleichzeitig will sich May mit der Opposition abstimmen, um doch noch eine Mehrheit im Parlament für das Brexit-Abkommen zu erreichen, das bereits drei Mal abgelehnt wurde.
Nach derzeitiger Planung soll Großbritannien die EU am 12. April verlassen. Sollte bis dahin weder der Austrittsvertrag noch eine Alternative beschlossen sein, droht ein Austritt des Landes ohne Abkommen mit drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche. Das Parlament hat sich bislang sowohl gegen das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen ausgesprochen, als auch gegen einen No-Deal-Brexit. Alle anderen Alternativen wurden aber auch abgelehnt.
Der britische Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour-Partei nahm Mays Gesprächsangebot an. Er werde sich sehr gerne mit May treffen, sagte Corbyn der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge Dienstagabend. „Wir erkennen an, dass sie sich bewegt hat“, fügte er hinzu.
Corbyn legte auch gleich seine Wünsche für die geplanten Verhandlungen mit Premierministerin May auf den Tisch. Labour wolle eine Zollunion mit der EU, einen Zugang zu den Märkten und Schutz für Angestellte sicherstellen, sagte er.
Der Schritt Mays markiert eine dramatische Kehrtwende in Mays Brexit-Kurs. Bislang lehnte May Zugeständnisse an die Opposition kategorisch ab. Die oppositionelle Labour-Partei fordert eine weitaus engere Anbindung an die EU nach dem Brexit als bisher von London geplant. Die Fristverlängerung soll nach dem Willen Mays nicht über 22. Mai hinausgehen, damit Großbritannien nicht an der Europawahl teilnehmen muss. May machte deutlich, dass es bei den Beratungen mit der Opposition nicht um den Austrittsvertrag gehen soll, sondern um die Politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen.
EU-Unterhändler Michel Barnier hatte vorige Woche signalisiert, dass die EU die Politische Erklärung zum Brexit-Vertrag binnen 48 Stunden nachbessern könnte, wenn sich die britischen Abgeordneten für eine engere Bindung an die Staatengemeinschaft entscheiden sollten.
Das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen wurde bereits drei Mal vom Parlament abgelehnt. Eine weitere Abstimmung ist Parlamentspräsident John Bercow zufolge auch nur zulässig, wenn sich der Vorschlag substanziell von den vorhergehenden unterscheidet
EU-Ratschef Donald Tusk für den 10. April einen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs einberufen. Spätestens dann muss die britische Seite sagen, wie es im Brexit-Streit weitergehen soll.
"Stunde um Stunde neue Informationen"
Bundesaußenminister Heiko Maas äußerte sich zurückhaltend zu der Bitte Mays um einen weiteren Aufschub des Brexits. „Letztlich müssen wir abwarten, was die Meinungsbildung in London mit sich bringt“, sagte er in New York nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian und fügte hinzu: „Dass es längst 5 nach 12 ist, müsste sich eigentlich auch in London herumgesprochen haben.“
Auch Le Drian wollte sich nicht zum Vorschlag Mays positionieren. „Stunde für Stunde gibt es neue Informationen. Wenn wir jetzt ständig zu allen Neuerungen Stellung nehmen sollten, (...) dann würden wir den ganzen Tag damit verbringen, uns zu äußern“, sagte er. „Drei Jahre nach der Entscheidung der Briten muss es jetzt eine klare Linie geben, sonst wird es leider zu einem harten Brexit kommen in den kommenden Tagen.“
Brexit ohne Vertrag per Gesetz verhindern
Eine überparteiliche Gruppe von Angeordneten im britischen Parlament will einen Brexit ohne Vertrag per Gesetz verhindern. Das kündigte die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper am Dienstag in London an. Die EU warnt jedoch, dass letztlich nur ein Ja zu dem Austrittsvertrag einen chaotischen Bruch verhindern kann. „Der einzige Weg, einen No-Deal zu vermeiden, wird ein positives Votum sein“, sagte EU-Unterhändler Michel Barnier in Brüssel. Derzeit steige die Gefahr eines ungeregelten Brexits von Tag zu Tag, sagte Barnier.
„Wir sind in einer gefährlichen Situation“, schrieb die Abgeordnete Cooper auf Twitter. Die langjährige Gegenspielerin Mays forderte die Regierungschefin auf, einen Plan zur Verlängerung der Austrittsfrist über den 12. April hinaus vorzulegen. Dafür könnte bereits am Mittwoch ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden. Letztlich müsse May dann bei der EU beim Sondergipfel am 10. April - das ist Mittwoch in einer Woche - eine erneute Verschiebung des Brexits beantragen. Dieser sollte eigentlich schon am 29. März vollzogen werden und war in letzter Minute verzögert worden. (dpa, Reuters)