Brexit: May lenkt ein - aber noch kein Durchbruch
Die britische Regierungschefin May und die EU sind bei der Irland-Frage offenbar auf Einigungskurs. Einen endgültigen Durchbruch gab es bei einem Treffen zwischen May und EU-Kommissionschef Juncker aber noch nicht.
Noch am Montagmittag hatte sich EU-Ratschef Donald Tusk optimistisch gezeigt. „Tell me why I like Mondays!“ twitterte er in Abwandlung eines Hits der irischen Band „Boomtown Rats“. An diesem Montag war die britische Regierungschefin Theresa May nach Brüssel gereist, um mit Tusk und dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker den Knoten bei den seit sechs Monaten andauernden Brexit-Gesprächen endlich durchzuschlagen. Doch nach ihrer Begegnung mussten Juncker und May am späten Nachmittag zugeben, dass London und Brüssel noch nicht ganz so weit sind. Abgesehen von zwei oder drei Streitfragen gebe es bei den meisten der entscheidenden Trennungsfragen eine "gemeinsame Lesart", konnte Juncker immerhin verkünden. Der EU-Kommissionschef und die Premierministerin kündigten an, dass die Verhandlungen noch vor Ende der Woche fortgesetzt werden sollen.
Dass es Bewegung bei den Brexit-Gesprächen gibt, hatte sich bereits zuvor abgezeichnet. Der irische Außenminister Simon Coveney hatte erklärt, dass die Formulierungen in der Brexit-Vereinbarung sicherstellten, dass es nicht zu einer „harten Grenze“ zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland komme. Die irische Grenzfrage war zuletzt der entscheidende Knackpunkt in den Brexit-Gesprächen gewesen, bei denen es zudem um Londons finanzielle Verpflichtungen gegenüber der EU und die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien geht.
Gipfel entscheidet über Handelsbeziehungen
Sowohl Juncker als auch May zeigten sich zuversichtlich, dass die offenen Fragen noch bis zum EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember gelöst werden können. Bei dem Gipfel müssen die Vertreter der verbleibenden 27 EU-Staaten entscheiden, ob bei den Brexit-Gesprächen „ausreichender Fortschritt“ erzielt wurde. Dies wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass in den Verhandlungen die nächste Phase eingeläutet werden kann. Dabei soll es um eine Übergangsperiode nach dem Brexit im März 2019 und die Gestaltung der künftigen Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und den EU-27 gehen. Bereits seit Monaten dringt die britische Regierung auf einen Beginn dieser Handelsgespräche.
Vor der Reise der britischen Premierministerin nach Brüssel hatte der irische Regierungschef Leo Varadkar eine Zusicherung verlangt, dass zwischen der Republik Irland und Nordirland auch nach dem Brexit keine „harte Grenze“ entsteht. Seit dem Karfreitagsabkommen von 1998 gilt die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für Protestanten und Katholiken nördlich und südlich der Grenze auf der Grünen Insel als ein wesentlicher Bestandteil der Friedensregelung. Nach dem Brexit-Votum der Briten vom Juni 2016 waren Befürchtungen laut geworden, dass in der ehemaligen Bürgerkriegsregion erneut Kontrollposten errichtet und damit die politischen Spannungen wieder zunehmen könnten. Der Grund: Da Irland weiter Mitglied der Europäischen Union bleibt, Großbritannien aber aus dem Binnenmarkt und der Zollunion der EU austreten möchte, werden Kontrollen zwingend notwendig.
Während sich Juncker und May am Montag zum Mittagessen trafen, zitierte die „Financial Times“ aus einem Entwurf einer Vereinbarung zwischen beiden Seiten, dem zufolge in Nordirland und in der Republik Irland ähnliche Vorschriften mit Blick auf den Binnenmarkt und die Zollunion herrschen sollten. Damit ließen sich Grenzkontrollen auf der Grünen Insel verhindern.
Unionisten äußern Bedenken
Die Vorsitzende der nordirisch-unionistischen DUP, Arlene Foster, äußerte aber Bedenken gegen eine solche Lösung. Nordirland müsse die EU unter denselben Bedingungen verlassen wie der Rest des Vereinigten Königreichs, forderte sie. Die Unionisten befürchten offenbar, dass eine Sonderregelung für Nordirland den erste Schritt für eine Vereinigung mit der Republik Irland darstellen könnte. Die Haltung der DUP ist entscheidend für May, denn die Unionisten sichern der Regierungschefin die Mehrheit im Unterhaus.