Zollunion mit der EU: May entgeht Schlappe im britischen Parlament
Machtkampf in Großbritannien um den EU-Austritt: Nachdem sich Brexit-Hardliner zuletzt durchgesetzt hatten, wollten nun die proeuropäischen Abgeordneten zurückschlagen - ohne Erfolg.
Die britische Premierministerin Theresa May ist im Parlament nur knapp einer Schlappe mit Blick auf eine mögliche Zollunion nach dem Brexit entgangen. Proeuropäische Rebellen aus ihrer konservativen Fraktion wollten Großbritannien zu Verhandlungen für eine Zollunion mit der EU verpflichten, falls bis Januar 2019 keine Freihandelszone mit Brüssel vereinbart sein sollte. Doch ein entsprechender Änderungsantrag zum Handelsgesetz (Trade Bill) wurde am Dienstag mit 307 zu 301 Stimmen vom Unterhaus abgelehnt.
Die Mitglieder einer Zollunion vereinbaren gemeinsame Außenzölle. Kontrollen an den Binnengrenzen sind daher überflüssig. London will sich davon aber lossagen, um eigene Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wie den USA und China zu schließen.
May regiert seit der vorgezogenen Parlamentswahl im vergangenen Jahr mit hauchdünner Mehrheit und ist daher anfällig für Revolten von verschiedenen Seiten. Erst am Montag hatte sie überraschend mehrere Änderungsanträge des konservativen Brexit-Hardliners Jacob Rees-Mogg zum neuen Zollgesetz (Customs Bill) akzeptiert - und damit die proeuropäischen Abgeordneten in ihrer Fraktion verärgert.
May lehnt eine Zollunion mit der EU bisher strikt ab. Stattdessen strebt sie ein kompliziertes Zollabkommen an, bei dem Großbritannien an seinen Häfen zwei verschiedene Zollsätze erheben will: einen für Waren, die für die EU bestimmt sind, und einen anderen für Güter, die in Großbritannien bleiben. So will London Grenzkontrollen am Ärmelkanal sowie zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindern.
Doch nach Ansicht von Kritikern ist das durch die Gesetzeszusätze von Rees-Mogg unmöglich geworden. Unter anderem soll demnach das Zollabkommen mit der EU davon abhängig gemacht werden, ob Brüssel bereit ist, an den EU-Außengrenzen ebenfalls zwei unterschiedliche Zollsätze zu erheben. Doch das gilt als so gut wie ausgeschlossen. Am Freitag will sich die EU erstmals zu Mays Plänen äußern.
Großbritannien wird die Europäische Union am 29. März 2019 verlassen. Bis Oktober soll eigentlich ein Austrittsabkommen stehen. Doch die Uneinigkeit in der britischen Regierung hatte die Verhandlungen zuletzt zum Stillstand gebracht.
Zuletzt hatte May einen neuen Kurs eingeschlagen, der eine engere Bindung an die EU vorsieht als bisher. Im Streit darum waren sowohl Brexit-Minister David Davis als auch Außenminister Boris Johnson vergangene Woche zurückgetreten. Mehrere Abgeordnete traten zudem von Staatssekretärsposten oder Parteiämtern zurück.
Einen kleinen Erfolg errangen die proeuropäischen Rebellen am Dienstag zumindest, indem sie durchsetzten, dass sich Großbritannien weiter an die EU-Regeln für Arzneimittel halten soll. Ein entsprechender Änderungsantrag wurde mit 305 zu 301 Stimmen angenommen.
Ein Dämpfer für die Regierung war hingegen, dass sie einen Vorstoß zurücknehmen musste, die Sommerpause des Parlaments um eine Woche auf diesen Donnerstag vorzuziehen. Spekuliert wurde, May wolle damit einen Sturzversuch durch unzufriedene Abgeordnete unterbinden. Doch es zeichnete sich ab, dass sie dafür keine Mehrheit finden würde. (dpa)