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Matteo Renzi
© Reuters

Italien: Matteo Renzi auf dem Hochseil

Mit der neuen Regierung Italiens unter dem Sozialdemokraten Matteo Renzi verbinden sich viele Hoffnungen. Doch im Parlament hat sie nur einen schwachen Rückhalt.

Die neue italienische Regierung hat ihre Arbeit aufgenommen. Dem am Samstag vereidigten 16-köpfigen Kabinett unter Führung von Matteo Renzi, dem Chef der sozialdemokratischen Partei (PD), gehören erstmals in der italienischen Geschichte ebenso viele Frauen wie Männer an. Als weitere herausragende Eigenschaften der neuen Ministerrunde heben Kommentatoren in Rom deren Jugend hervor, die Unerfahrenheit und die Tatsache, dass Renzi (39) bei der Postenbesetzung gegen allen Druck von außen seinen Kopf durchgesetzt habe. „Der Akrobat steht auf dem Hochseil, allein und ohne Netz“, schreibt die linksliberale „Repubblica“: „Scheitert er, dann bleiben uns nur noch die Clowns verschiedener populistischer Prägung.“

Fünf Minister weniger

Gegenüber der Regierung des gleichfalls sozialdemokratischen Premiers Enrico Letta (47), den Renzi vor zehn Tagen in einer Revolte gestürzt hat, umfasst das neue Kabinett fünf Ministerposten weniger. Auffällig ist vor allem das Wegfallen eines Europaministeriums – drei Monate vor der Europawahl und fünf Monate, bevor Italien turnusgemäß die halbjährige EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Gestrichen wurden außerdem – durch die Parität bei der Ministerbesetzung quasi überholt – das Gleichstellungsministerium sowie das Ministerium für Integration. Mit Letzterem verliert auch Cécile Kyenge, die erste dunkelhäutige Ministerin in Rom, ihr Amt. Ohne Vorwarnung abgelöst wurde auch die weltweit angesehene Außenministerin Emma Bonino (65). An ihre Stelle rückt die außenpolitische Fachfrau des PD, Federica Mogherini (40), die aber weder internationale Verbindungen noch Erfahrung in der Leitung einer Ministeriumsmaschinerie besitzt.

Insgesamt hat nach den Parlamentswahlen vor genau einem Jahr die abgelöste Regierung Letta nur knapp zehn Monate amtiert. Ihre Posten behalten haben lediglich die drei Minister aus den Reihen der „Neuen Rechten Mitte“, in der sich – um den bisherigen Vizepremier Angelino Alfano – jene früheren Parteigänger Silvio Berlusconis versammelt haben, die dessen Attacken auf die Regierung Letta „im Interesse der Stabilität Italiens in schwierigen Zeiten“ nicht mitmachen wollten. Ohne Alfanos Leute fände Renzi keine Mehrheit im Parlament.

"Regierung der Hoffnung"

Er fühle „alle Verantwortung, dem Land eine Regierung der Hoffnung zu geben“, sagte Renzi, der bisherige Bürgermeister von Florenz, bei der Vorstellung seines Teams. Dessen Durchschnittsalter – knapp 48 Jahre, noch einmal gut fünf Jahre unter der für italienische Verhältnisse sehr jungen Regierung Letta – sei „eine Nachricht an die Jugend“, twitterte der Regierungschef. „Es ist nicht wahr, dass in Italien nichts möglich ist.“ Vor der Europawahl, so Renzi, „müssen wir dringend etwas für den Arbeitsmarkt und in der Steuerpolitik tun.“

Spaltungen und Zersplitterungen

Stützte sich die Regierung Letta seit den Parlamentswahlen im Februar 2013 im Wesentlichen auf drei Parlamentsparteien, so ist deren Zahl durch die landesüblichen Spaltungen und Zersplitterungen mittlerweile angewachsen: Renzi muss die Interessen von nun neun Parteien ausbalancieren, ohne dass sich die Zahl seiner Abgeordneten erhöht hätte. Im Gegenteil: Nicht alle Bündnispartner, nicht einmal der mit Abwanderung drohende linke Flügel seiner eigenen Partei sind mit der neuen Konstellation einverstanden. Aus den Reihen der Opposition äußert Silvio Berlusconi bereits hämisch, Renzi werde keine Mehrheit im Parlament finden. Wie auch immer: Knapp wird es in jedem Fall.

Mit einer Ministerin hat Renzi bereits Probleme bekommen. Federica Guidi (44), Ressortchefin für „Wirtschaftliche Entwicklung“, also für Industrie und Bewältigung der Wirtschaftskrise, steht bisher an der Spitze eines Familienunternehmens („Ducati Energia“), das zahlreiche Staats- und staatsnahe Unternehmen mit einer Vielzahl von elektrischen Apparaturen beliefert. Formal hat sie die Aufgaben in ihrer Firma niedergelegt – der Vorwurf eines Interessenkonflikt zwischen privaten Geschäften und öffentlichem Amt bleibt jedoch bestehen.

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