Frankreich: Le Pen greift Macron an - doch der wehrt sich
Wenige Tage vor der entscheidenden Runde zur Präsidentenwahl in Frankreich, wird der Ton zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron schärfer.
Jean-Claude Pottiez gehört zu denen, die am Montagvormittag zum Place des Pyramides in Paris gekommen sind. Der Rentner schwenkt eine kleine Trikolore, die er mitgebracht hat zur Kundgebung des rechtsextremen Front National (FN). „Ich bin ein Anhänger eines Europas der Nationen“, verkündet der 75-Jährige. Damit liegt er ganz auf einer Linie mit Jean-Marie Le Pen, der kurze Zeit später hier im Zentrum der Hauptstadt Frankreichs eine Rede hält. „Nationalismus, das bedeutet die Liebe zur Nation“, verkündet Le Pen, der mittlerweile 88-jährige Parteigründer des Front National.
Seit 1988 hält der greise Le Pen an seinem Brauch fest, jedes Jahr zum 1. Mai vor dem goldenen Reiterstandbild der Jeanne D’Arc eine Rede zu halten. Für seine Tochter ist der Parteigründer, der wegen antisemitischer Äußerungen 2015 aus dem Front National ausgeschlossen wurde, allerdings im französischen Präsidentschaftswahlkampf zu einer politischen Belastung geworden. Deshalb war es wohl kein Zufall, dass die FN-Chefin Marine Le Pen sechs Tage vor der entscheidenden Stichwahl ihre eigene Kundgebung am Montag weit vor den Toren von Paris im Département Seine-Saint-Denis abhielt – um so nicht nur eine räumliche, sondern auch eine inhaltliche Distanz zum Vater zu dokumentieren.
Anders als der alte Le Pen singt seine Tochter nämlich das Hohelied des Nationalismus in dieser entscheidenden Phase des Wahlkampfs, die für die 48-Jährige zur Aufholjagd geworden ist, nicht mehr ganz so laut. Bei ihrer Kundgebung in Villepinte trat sie am Montag an der Seite des Gaullisten Nicolas Dupont-Aignan auf. Auch der Ultrakonservative, der Präsident der Partei Debout la France („Aufrechtes Frankreich“) ist, will zwar Frankreichs Ausstieg aus dem Euro, aber er will den „Frexit“ nicht so sehr übers Knie brechen wie der FN. Für den Fall, dass sie an die Macht kommt, verspricht Le Pen den Franzosen zwar immer noch die Rückkehr zum Franc – aber erst einmal soll es Verhandlungen mit den Euro-Partnern geben. Der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl ausgeschiedene Dupont-Aignon, mit dem die FN-Chefin am Wochenende ein Wahlbündnis schloss, soll im Falle ihres Wahlsieges Premierminister werden.
"Kandidat der Finanzwelt"
Marine Le Pen verstärkte zudem bei ihrem Auftritt am Montag noch einmal ihre verbalen Attacken auf den Mitte-Links-Kandidaten Emmanuel Macron, der in der ersten Runde die meisten Stimmen eingeheimst hatte. Macron sei ein Kandidat der Finanzwelt, erklärte sie. Die Franzosen müssten gemeinsam „eine Sperre“ gegen Macron errichten, forderte sie. Mit dieser Wortwahl kehrte sie bewusst die Forderung von Politikern aller Couleur um, die für die zweite Wahlrunde am kommenden Sonntag ein parteiübergreifendes „Bollwerk“ zur Verhinderung einer Wahl von Le Pen zur Präsidentin verlangen.
Allerdings zeigt die „republikanische Front“, die im Jahr 2002 noch einen Wahlsieg von Jean-Marie Le Pen verhindert hatte, diesmal Risse. Einige der Gewerkschaften, die am Montag zu den Maidemonstrationen aufgerufen hatten, vermieden es, zwischen Macron und Le Pen klar Position zu beziehen. So rief zwar die linksgerichtete Gewerkschaft CGT dazu auf, eine „Sperre“ gegen Le Pen zu errichten. Allerdings verzichtete die CGT auf einen Wahlaufruf zugunsten des ehemaligen Investmentbankers Macron. Auch der in der ersten Runde unterlegene linksextreme Kandidat Jean-Luc Mélenchon hat sich bisher geweigert, Macron seine Unterstützung zu geben.
In den Umfragen liegt Macron weiterhin mit Blick auf die zweite Wahlrunde am kommenden Sonntag vorn. Nach einer am Montag veröffentlichten Befragung des Instituts Opinionway kann Macron mit 61 Prozent der Stimmen rechnen, während Le Pen auf 39 Prozent kommt. Allerdings erklärte eine Mehrheit der Befragten auch, dass sich die Rechtsextreme in der vergangenen Woche im Wahlkampf besser geschlagen habe als der Kandidat der Bewegung „En Marche!“ („Auf geht’s“).
Macron trat am Montag bei einer Kundgebung im Nordosten von Paris auf. Zuvor hatte er in einem Interview mit dem Fernsehsender „France 2“ seine Kontrahentin hart angegangen. „Marine Le Pen ist eine Erbin des politischen Systems in Frankreich. Mit mir kommt dagegen ein radikaler Neuanfang“, sagte er. Die FN-Chefin lege es darauf an, Frankreich „weiter zu spalten“ und das Land aus der EU zu führen.