ANC-Krise in Südafrika: "Mandelas Herz wäre gebrochen"
In Südafrika streitet der ANC um das Schicksal des von Skandalen und Korruptionsvorwürfen angeschlagenen Präsidenten Jacob Zuma.
Ist es der „Zumxit“ oder der „Zexit“? Darüber wurden sich die Südafrikaner bis zuletzt nicht einig. Ebenso ungeklärt bleibt das Schicksal des skandalumwitterten Präsidenten Jacob Zuma, nachdem der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) am Montag zu einer Krisensitzung zusammentraf. Die Vertreter des nationalen Führungskomitees hüllten sich in Schweigen. Trägt Zuma demnächst Anzug und Krawatte oder Sträflingsuniform?
Noch am Wochenende hatte Vizepräsident Cyril Ramaphosa zu den Südafrikanern auf der Grand Parade gesprochen – jenem historischen Platz in Kapstadt, an dem Nelson Mandela vor genau 28 Jahren seine erste Rede als freier Mann hielt. Erneut hätte es ein historischer Augenblick für das angeschlagene Land werden können, hätte Ramaphosa den Rücktritt seines Chefs bekannt gegeben. Stattdessen tat er dasselbe wie seit einer Woche: das wütende Volk hinhalten. Der Politveteran und vermutlich nächste Präsident Südafrikas besteht darauf: Zuma müsse das Amt niederlegen, ohne „gedemütigt“ zu werden.
Seine zweite Amtszeit was von Skandalen geprägt
Die Opposition forderte am Montag, ein für nächste Woche geplantes Misstrauensvotum gegen Zuma vorzuverlegen. Zusätzlich will sie die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. „Das Problem heißt nicht Cyril oder Zuma. Das Problem ist der ANC. Er muss abgewählt werden, und diese Chance müssen wir den Leuten geben“, sagte Julius Malema, Führer der Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer (EFF).
Zumas zweite Amtszeit war geprägt von Skandalen und wirtschaftlichen Fehlentscheidungen. 2014 hatte er seine Villa für 19 Millionen Euro an Steuergeldern renovieren lassen – inklusive Swimmingpool, Hühnerstall und Amphitheater. Seinen Kindern und Geschäftspartnern soll er zu lukrativen Verträgen mit Staatsunternehmen verholfen haben. Auch die Landeswährung Rand litt schwer unter Zumas Kurzschlusshandlungen. „Südafrika so zu sehen, hätte Mandela traurig gemacht. Als jemandem, der für das Gemeinwohl lebte, hätte es ihm das Herz gebrochen“, betonte Ndileka Mandela, die Enkelin des Friedensnobelpreisträgers.
Korruption, Vetternwirtschaft und Willkür prägen das Land
Die Frage um Zumas vorzeitigen Rücktritt spaltete den ANC vom Fußsoldaten bis zum Führungsmitglied in der Johannesburger Parteizentrale. Dort war es vergangene Woche zu Ausschreitungen gekommen. Mit Ziegelsteinen und Schlagstöcken hatten sich Zumas Gegner und seine Unterstützer einen Kampf geliefert. Doch nicht nur Massenproteste übten Druck auf die Parteispitze aus. Auch Analysten befeuerten die schon erhitzte Diskussion: Sie prognostizierten, dass Südafrika unter Ramaphosas Führung wieder einen wirtschaftlichen und politischen Frühling erleben könnte. „Der Wind der Veränderung, den Südafrika und die Welt derzeit wahrnehmen, resultiert aus dem Ergebnis des jüngsten ANC-Wahlgipfels“, sagte Deutschlands Botschafter Martin Schäfer.
Im Dezember hatte der ANC Ramaphosa zum neuen Parteipräsidenten gewählt. Die Niederlage des Zuma-Lagers galt als erster Hoffnungsschimmer: ein mögliches Ende von Korruption, Vetternwirtschaft und Willkür.
Die Partei von Nelson Mandela ist in einer schweren Krise
Bei den Wahlen nächstes Jahr blickt die ehemalige Freiheitsbewegung einem Debakel entgegen – verursacht auch durch Zumas Skandale. Politologen vermuten, die Mandela-Partei werde erstmalig seit dem Ende der Rassentrennung 1994 die Stimmenmehrheit verlieren. Zuletzt steigerte Ramaphosa wieder das Vertrauen in die Partei. Er kündigte an, das weitverzweigte Korruptionsnetz aufzulösen, das durch fragwürdige Verträge Millionenbeträge aus Südafrikas Steuerkasse beiseiteschaffte – ein indirekter Angriff auf Zuma und dessen Geschäftspartner.
Unklar ist, wie es für Zuma nun politisch weitergeht. Demnächst könnte er sich wegen Korruption, Betrug und Geldwäsche vor Gericht verantworten müssen. Dass die mehr als 700 Klagen ausgerechnet kurz vor Zumas Amtsantritt 2009 eingestellt worden waren, bezeichnete sogar Zumas Anwalt vergangenen September als „unvernünftig“. Berichten zufolge hat Zuma für seinen Rücktritt die Bedingung gestellt, dass der Staat seine Anwaltskosten in Millionenhöhe übernimmt. Zudem soll er einen bewachten Konvoi und Leibwachen auf Steuerkosten gefordert haben. Die Opposition ist wütend: „Wenn Zuma höchste Sicherheit verlangt, kann er gerne auf Steuerkosten in einem Gefängnis wohnen“, sagte James Selfe, Vorstand der Demokratischen Allianz (DA). Südafrikanische Zeitungen berichteten am Wochenende von einem möglichen Deal, wonach Zuma bei der Aufarbeitung der Korruptionsaffären als Kronzeuge fungieren könnte. In dem Fall käme der umstrittene Präsident vielleicht straffrei davon.