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Der südafrikanische Präsident und ANC-Chef Jacob Zuma.
© AFP/Wikus de Wet

Regierungspartei ANC: Duell um die Zukunft von Südafrika

Die Ära des skandalumwitterten Jacob Zuma geht zu Ende. Doch jetzt konkurriert seine Ex-Frau mit dem Vizepräsidenten um den ANC-Vorsitz. Durch die Partei geht ein tiefer Riss.

Im größten Township des Landes, in Soweto bei Johannesburg, beginnt am Samstag der Parteikongress der ältesten Befreiungsbewegung des Kontinents. Südafrikas Regierungspartei, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), wählt einen neuen Anführer. Als so gut wie sicher gilt, dass der neue Parteichef früher oder später Staatsoberhaupt der Kaprepublik wird. Entsprechend prekär ist die Situation, in der sich die Delegierten finden. Tiefe Risse ziehen sich durch die Partei von Staatsgründer Nelson Mandela. Siegen die Ewiggestrigen oder die Reformer?

Für Beobachter am Kap stellt sich die Frage, ob Südafrikas Vizepräsident Cyril Ramaphosa als neuer Anführer das Ruder herumreißen kann, um die kränkelnde Wirtschaft zu retten und Vetternwirtschaft auszumerzen. Oder ob Südafrika unter der Präsidentschaft von Nkosazana Dlamini-Zuma, der Ex-Frau des Noch-Regierungschefs Jacob Zuma, weitere Jahre bei der Armutsbekämpfung verliert. Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen diesen beiden.

Beide Kandidaten bringen Referenzen mit. Ramaphosa als Gewerkschaftsführer und Großunternehmer, Dlamini-Zuma als Ministerin und Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU). Trotzdem würden sie Südafrikas Zukunft auf komplett unterschiedliche Weise beeinflussen. Schon jetzt gilt Südafrika als das Land mit der ungerechtesten Einkommensverteilung. Zwar brachte der ANC nach dem Ende der Rassentrennung 1994 den Südafrikanern politische Freiheit, Häuser und eine bescheidene Sozialhilfe. Doch den nächsten Präsidenten erwartet die Mammutaufgabe, Millionen von ihnen aus chronischer Mittellosigkeit zu befreien und den 27 Prozent der arbeitslosen Südafrikaner die Chance auf einen Job zu geben.

„Um zu wachsen, benötigt Südafrikas Wirtschaft mehr Vertrauen aus dem Privatsektor und von internationalen Investoren“, sagt Jakkie Cilliers, Zukunftsforscher und Direktor des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria. „Nur ein Sieg von Ramaphosa und die vorzeitige Amtsenthebung Jacob Zumas könnten eine weitere Herabstufung durch die Ratingagentur Moodys abwenden. Bei einem Sieg Dlamini-Zumas könnte Südafrika noch in diesem Jahr herabgesetzt werden – so groß ist die Sorge über ihre Politik und ihren Mitarbeiterstab.“

Ratingagenturen stuften das Land auf "Ramschniveau" ein

Südafrika musste zuletzt etliche Rückschläge im Kampf gegen Korruption und Misswirtschaft einstecken. Neben Präsident Zumas persönlichen Skandalen, die das politische Klima vergifteten, lösten einige seiner Entscheidungen Sorgen in der Geschäftswelt aus – darunter der zweimalige Wechsel des Finanzministers innerhalb von vier Tagen. Mehrere Ratingagenturen stuften Südafrikas Kreditwürdigkeit auf „Ramschniveau“ herab. Im April kam es zu Massenprotesten. Hunderttausende forderten Zumas Rücktritt. Ein Misstrauensvotum im Parlament überlebte er trotz bröckelnder Unterstützung der ANC-Mehrheit.

In dieser Woche gab es den nächsten Rückschlag für Zuma: Ein Gericht beauftragte Vizepräsident Ramaphosa damit, einen neuen Generalstaatsanwalt zu bestimmen. Eigentlich wäre dies Aufgabe des Präsidenten. Das Höchstgericht in Pretoria sprach Zuma dieses Recht jedoch ab, weil er „befangen“ sei. Derzeit droht Zuma die Wiederaufnahme von über 700 Klagen wegen Korruption, Betrug und Geldwäsche vor Gericht. Diese waren kurz vor Zumas Amtsantritt 2009 eingestellt worden. Der Skandal-Präsident hat in den Augen vieler Südafrikaner seine politische Daseinsberechtigung verloren. In einer Umfrage Anfang Dezember meinten 77 Prozent der Befragten, das Land entwickle sich in die falsche Richtung, knapp ein Drittel machte Zuma dafür verantwortlich.

Offiziell endet Zumas Amtszeit erst 2019

Unklar ist, wie es nach dem Parteitag für Zuma weitergeht. Seine Amtszeit als Staatspräsident endet erst 2019. Gut möglich ist, dass er bereits wie sein Vorgänger, Thabo Mbeki, vom ANC frühzeitig zurückgerufen wird. Dieser Schachzug könnte der angeschlagenen Partei über die Wahlen 2019 helfen und eine historische Niederlage abwenden.

Vizepräsident Ramaphosa gilt als gemäßigter Reformer, Dlamini-Zuma als afrikanisch-nationalistische Traditionalistin. Durch diese beiden Lager zieht sich der Riss im ANC. Einige Südafrikaner äußerten Sorge, Südafrika würde zum Familienbetrieb, sollte Dlamini-Zuma das Amt von ihrem Ex-Mann und Vater von vier gemeinsamen Kindern übernehmen.

Gareth van Onselen, Politologe am Institut für Rassenbeziehungen (IRR), sieht jedoch ein anderes Problem: „Das Belastende an ihrer Beziehung ist nicht ihre gemeinsame Vergangenheit, sondern ihre gemeinsame Ideologie.“ Dlamini-Zuma benutze Rassennationalismus „sowohl als Sündenbock als auch als Ausrede für abscheuliches Gedankengut und beweist selbst dann schwache Führung, wenn grob unethisch gehandelt wird.“

Auch Politologe Cilliers wirft der Politikerin eine fragwürdige Gesinnung vor: „Schwarznationalistisch, staatsgelenkt und feindselig gegenüber dem Privatsektor und dem Westen.“ Dennoch sieht er einen Vorteil darin, wenn sie gewählt würde: „Ihr Sieg würde die Abwärtsspirale des ANC beschleunigen und die Partei würde bei den bevorstehenden Wahlen vermutlich erstmalig weniger als 50 Prozent holen. Schon 2019 könnten wir in Südafrika eine Politik mit konkurrenzfähigen Kandidaten haben.“

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