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Berlins Innensenator Geisel vor Polizisten.
© imago images / Christian Ditsch

Martenstein über das Berliner Antidiskriminierungsgesetz: Manche sind gleicher

Berlin führt ein Antidiskriminierungsgesetz ein. Das klingt erstmal gut. Unser Kolumnist hat sich das aber mal genauer angeschaut. Und ist etwas skeptisch.

Als erstes Bundesland führt Berlin ein fast voraussetzungsloses Grundeinkommen für alle ein, Details regelt das neue Landesantidiskriminierungsgesetz. Alle Menschen, die sich von Behörden diskriminiert fühlen, können ab diese Woche Schadenersatz verlangen.

Ein Grund dafür, sich diskriminiert zu fühlen, sollte sich infolge der finanziellen Anreize doch wohl finden lassen. Ein Geschlecht, ein Lebensalter, eine Hautfarbe oder eine Sexualität besitzt eigentlich fast jeder, manche sogar mehreres davon.

Diskriminierungen sind natürlich in Deutschland schon seit Längerem verboten und werden zu Recht geahndet, seit 2006 gibt es ein Gleichbehandlungsgesetz. Das Neue am Berliner Antidiskriminierungsgesetz ist sein Paragraf 7.

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Er lautet, unwesentlich gekürzt: „Werden Tatsachen glaubhaft gemacht, die das Vorliegen eines Verstoßes wahrscheinlich machen, obliegt es der öffentlichen Stelle, den Verstoß zu widerlegen.“ Ein Vorwurf muss also nicht mehr bewiesen werden.

Es reicht, wenn der arme Teufel, dem der Vorwurf gemacht wird, ihn nicht widerlegen kann – Berlin ist jetzt eine völlig neue Art von Rechtsstaat. Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar behauptet, sie hätten sein Auto demoliert.

Sie machen sich verdächtig

Es gibt Indizien, die Sie verdächtig machen. Sie und der Nachbar sind vielleicht zerstritten, dafür gibt es Belege, etwa einen Rechtsstreit. Schon sind Sie dran. In einer ähnlichen Lage sind jetzt zum Beispiel die Berliner Polizei und die Lehrer.

In Rechtsstaaten alten Typs durfte es „keinen vernünftigen Zweifel“ an einer Schuld geben, nun reicht bei Berliner Polizisten „wahrscheinlich“. Stellen Sie sich vor, ein Mann vom Ordnungsamt dürfte zu ihnen sagen: „So, wie sie aussehen, haben Sie wahrscheinlich falsch geparkt. Macht 40 Euro.“

Eigentlich müsste das Berliner Antidiskriminierungsgesetz „Antibullengesetz“ heißen. Denn es wird ja, genau besehen, nicht Diskriminierung beseitigt, sondern ein Privileg geschaffen. Wenn ein Polizist einen Verdächtigen angeblich „Vollidiot“ genannt hat, muss er künftig seine Unschuld belegen.

Der Verdächtige dagegen, der den Polizisten „Vollidiot“ nennt, genießt das Privileg der Unschuldsvermutung, ihm muss man’s erst mal nachweisen. Relativ leicht können sich Lehrer vor dem Gesetz schützen, indem sie zum Beispiel Kindern mit Migrationshintergrund grundsätzlich eine bessere Note geben und dies auch offensiv als Antidiskriminierungsmaßnahme vertreten.

Mit „Antidiskriminierung“ können heute neue Privilegien gemeint sein. Alle sind gleich, manche sind gleicher.

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