Präsident in Corona-Krise im Umfragetief: Macrons Pathos geht den Franzosen auf die Nerven
Macron hätte der Held der Pandemie werden können. So wie die Exekutive überall profitiert. Aber in Frankreich läuft es anders. Eine Kolumne.
Emmanuel Macron erbleicht sicherlich vor Neid, wenn er an Angela Merkel denkt. „Was hat sie, was ich nicht habe, diese Kanzlerin?“, wird er sich fragen.
Dabei schien Merkel noch vor ein paar Wochen am Ende. Abgenutzt nach so vielen Jahren an der Macht, ohne Energie, ohne Ideen. Man legte ihr sogar nahe, lieber jetzt schon das Feld zu räumen, um sich wenigstens hoch erhobenen Hauptes verabschieden zu können.
Und heute? Ein unverhoffter Virus lässt die Kurve ihrer Beliebtheit gerade exponentiell ansteigen. 80 Prozent der Deutschen sind zufrieden mit ihrem Krisenmanagement in der Pandemie. Und gar nicht so wenige wünschen sich Merkel sogar als Kanzlerin für eine weitere Legislaturperiode ab 2021. Ein Wunder.
Unser Pechvogel auf der anderen Seite des Rheins seinerseits hat allen Grund, sich grün und blau zu ärgern. Als hätte er es in den bisherigen drei Jahren als Staatsoberhaupt nicht schon schwer genug gehabt mit Gelbwesten und Streiks, bekommt er es jetzt auch noch mit einem Virus zu tun.
Dabei hätte Corona seine große Chance sein können. Krisen, das ist bekannt, sind die Sternstunde der Exekutive. Macron könnte als der De Gaulle der Pandemie in die Geschichte eingehen, als der Clemenceau der Krankenhäuser. Die Franzosen, die gern nach dem Retter in der Not rufen, wenn es ihnen schlecht geht, wären ihm dankbar und stünden geschlossen hinter ihm.
Die Franzosen zu Hause grübeln, was schief läuft
Doch weit gefehlt. Ein Aprilhagel an Kritik prasselt auf ihn herunter, und seine ohnehin schon schwindende Popularitätsrate sinkt noch weiter. Nur 39 Prozent der Franzosen bewerten seinen Umgang mit der Pandemie als positiv.
Während die Deutschen brav jeden Tag die Zahl ihrer verfügbaren Intensivbetten berechnen, die Frühlingssonne und die wiedereröffneten Geschäfte genießen; während sie dem praktischen Sinn ihrer „Mutti“ vertrauen, die ihnen empfiehlt, ihre Baumwollmasken zu bügeln oder in die Mikrowelle zu legen, drehen sich die Gedanken der seit Wochen in den eigenen vier Wänden eingesperrten Franzosen nur um das, was schief läuft: keine Masken, keine Tests, keine Beatmungsgeräte, überfüllte Krankenhäuser.
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Das kriegerische, abgehobene Pathos ihres Präsidenten geht ihnen gehörig auf die Nerven. Was mich von Berlin aus gesehen verblüfft, ist die Heftigkeit der Vorwürfe an Macron. Meine Kindheitsfreundin Catherine zum Beispiel: sanft, blond, wird nie laut.
Doch jetzt ist sie zur Furie geworden, die auf Whatsapp wütet: „Wir haben das Gefühl, die Regierung manipuliert uns. Was nun, Maske oder keine Maske? Heute so, morgen das Gegenteil, ich könnte vor Wut ausrasten! Alles Lügner!“
In kaum einem westlichen Land ist das Vertrauen in die Exekutive so gering wie in Frankreich. Reichen die begangenen Fehler, um die Wut zu erklären?
Der Staat hat viel Macht - also erwartet man alles von ihm
In Frankreich verzeiht man dem „jakobinischen“ Staat nichts. Es liegt so viel Macht in seinen Händen, folglich erwartet man alles von ihm. Doch selbst die finanziellen Hilfsprogramme für Unternehmen in Coronazeiten überzeugen die Franzosen nicht.
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Frankreich ist eines der pessimistischsten Länder der Welt, und es ist das Land der Stänkerer. Außerdem sorgen sich die Franzosen mehr um ihre Zukunft als andere. Auch in Deutschland gibt es nicht ausreichend Masken, und es fehlt an Personal in den Kliniken, aber niemand wirft das Angela Merkel vor.
„Boris Johnsons Beliebtheit steigt“, schreibt die britische Wochenzeitung New Statesman. „Es brauchte einfach nur die Apokalyse“. Sogar Donald Trump, der jeden Tag seine himmelschreiende Unfähigkeit unter Beweis stellt, könnte am Ende von seinen Wählern doch nicht abgestraft werden. Kein Wunder, dass unser Jupiter vor Ärger fast platzt. Was hat er nur den Göttern angetan, um so viel Ungerechtigkeit verdient zu haben?
Übersetzung aus dem Französischen Odile Kennel