Frankreich: Macron versucht den Befreiungsschlag
Präsident Macron hat mit einer Rede versucht, die "Gelbwesten" mit höherem Mindestlohn und anderen materiellen Zugeständnissen zu besänftigen. Was er versprach.
Für Präsident Emmanuel Macron stand viel auf dem Spiel. Nach vier Samstagen der Proteste der Gelbwesten, sprach endlich der Präsident. Er war dafür kritisiert worden, dass er im Hintergrund geblieben war. Aus dem Elyséepalast verkündete er am Montagabend Maßnahmen in der Hoffnung, die Protestwelle zu beruhigen. Er nahm sich genau 13 Minuten, um zu zeigen, dass er die Gelbwesten verstanden hat. Er blickte direkt in die Kamera und stellte vier konkrete Maßnahmen vor, die weiter gingen, als erwartet wurde. „Die Ereignisse haben die Nation verwirrt. Sie sind legitim.“ Man habe Opportunisten gesehen, politische Parteien, die die Lage für sich ausnutzen wollten. „Wenn die Gewalt regiert, schadet es der Demokratie. Aber am Anfang vergesse ich nicht, dass es eine Wut gibt.“ Nun müsse aber Ruhe einkehren. Der Premierminister habe schon die Treibstoffsteuer zurückgenommen. Aber dahinter stecke mehr. Franzosen, die am Ende des Monats nicht genug Geld haben. „Ich habe die Verzweiflung gesehen.“ Der Rentner, der Frauen, die ihre Kinder allein aufziehen. „Es sind 40 Jahre Malaise, die aufflammen“, sagte Macron.
Er entschuldigte sich bei den Franzosen: „Wir haben seit anderthalb Jahren keine Antwort geben können. Wir sind zu langsam vorgegangen. Ich übernehme dafür die Verantwortung. Und ich habe viele unter Ihnen verletzt.“ Aber er zeigte sich überzeugt, dass man einen Ausweg finden könnte. Macrons erste Maßnahme kam als Überraschung: Der Mindestlohn soll von Anfang des kommenden Jahres um 100 Euro netto pro Monat erhöht werden. Das soll die Arbeitgeber nichts kosten. Die Frage ist, wie das finanziert werden soll. Viele der Gelbwesten hatten das als eine Forderung aufgestellt. Weiter ging es zum Thema der Kaufkraft, die ebenfalls ein großen Anliegen der Gelbwesten ist. Auch bei seinem zweiten Punkt, den Überstunden, ging der Präsident weiter als erwartet, sie sollen ohne Sozialabgaben und Steuern ausgezahlt werden. Vorher war spekuliert worden, möglicherweise ohne Sozialabgaben.
Zugeständnis an die Rentner
Als dritte Maßnahme schlug er vor, dass Ende des Jahres eine zusätzliche Prämie ohne Sozialabgaben und Steuern gezahlt wird. Und zuletzt erklärte er, dass Rentner, die weniger als 2000 Euro im Monat haben, die zusätzlich für sie eingeführte Sozialabgabe CSG nicht mehr zahlen müssen. Die Abgabe hatten viele der Gelbwesten kritisiert. Macron versprach zudem schnelle Steuersenkungen.
Nicht zurückgenommen hat er seine Reform der Vermögenssteuer, was er schon vorher angekündigt hatte. Früher gingen in die Steuer auch Aktien ein, jetzt nur noch Immobilien. Er erklärte, warum er die Maßnahme nicht zurücknimmt: „Das führte dazu, dass Reiche flüchteten. Ich wollte diese Personen zurückholen. Zurückzugehen, würde dazu führen, dass wir uns schwächen.“
Weiter betonte er: „Wir müssen eine Reform durchführen, eine Reform der Renten und der Arbeitslosigkeit, die die Menschen belohnt, die arbeiten. Für Frankreich und Europa.“ Es soll auch die Frage der Organisation des Staates gestellt werden, der zu sehr auf Paris ausgerichtet sei. Es müsse eine große Debatte geben mit Sozialpartnern und Parlament. Er versprach dem Volk: „Sie werden daran teilnehmen.“ Er schloss seine Rede: „Wir sind in einem historischen Moment für unser Land. Meine einzige Sorge sind Sie.“
Im Fernsehsender BFM sagte die Gelbweste Alain Bouché aus der Nähe von Paris: „Er hat Zugeständnisse gemacht.“ Linkenpolitiker Jean-Luc Mélenchon aber kritisierte: „Er hat gleich zu Anfang die Menschen angegriffen.“ Er habe sie für ihre Proteste kritisiert. Er sagte auch, dass die Maßnahmen nicht weit genug gingen, unter anderem sei die Reform der Vermögenssteuer nicht zurückgenommen worden. Auch andere Gelbwesten erklärten, Macron sei nicht weit genug gegangen, er habe unter anderem keine Maßnahmen für Arbeitslose angekündigt. Man werde die Proteste fortsetzen.
Macron hatte als Vorbereitung für die Rede seit Montag morgen 37 Personen zur Beratungen im Elyséepalast empfangen: 17 Minister, darunter Premierminister Edouard Philippe und Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, die Sozialpartner, die Präsidenten von Senat und Nationalversammlung sowie Vertreter der Lokalpolitik.
In den Umfragen rutscht Macron immer weiter ab. Nur noch auf 23 Prozent Beliebtheit kam er in einer Ifop-Umfrage, sechs Prozent weniger als noch vor einem Monat. Am meisten profitieren die Rechten von den Protesten. Marine Le Pen mit ihrem rechtsextremen Rassemblement national kommt auf 33 Prozent, fünf Prozent mehr als vor einem Monat. Der Linke Jean-Luc Mélenchon (France Insoumise) erreicht 34 Prozent (Minus ein Prozent).