Neuer Lockdown in Frankreich: Macron muss vom Lockerungs-Kurs abrücken
Frankreichs Staatschef Macron hatte gehofft, seinen Landsleuten neuerliche Ausgangsbeschränkungen zu ersparen. Doch daraus wird nichts.
Das Urteil der Mediziner über den jüngsten Kurs des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in der Pandemie ist eindeutig. „Macron wollte sich wie der Retter der Franzosen darstellen, damit ist er gescheitert“, sagte der Arzt und Genetiker Axel Kahn dem Sender „Europe 1“. Macron habe auf steigende Popularitätswerte spekuliert, als er darauf setzte, den Franzosen eine Verschärfung des Lockdown ersparen zu können.
Aber genau eine solche Verschärfung musste Macrons Premierminister Jean Castex am Donnerstagabend bekannt geben.
Der Vorwurf, der gegen Macron im Raum steht, lautet folgendermaßen: Der französische Präsident habe es im Winter versäumt, strikte Ausgangsbeschränkungen zu verhängen. Jetzt, da die dritte Corona-Welle rollt, sei es eigentlich schon zu spät.
Im vergangenen Monat hatten Medienberichte aufhorchen lasse, denen zufolge Macron schon seit Dezember immer weniger auf den Rat von Experten in der Corona-Krise vertraue. Den Angaben zufolge habe sich Macron im privaten Kreis über Mediziner geärgert, die „systematisch die Apokalypse prophezeien“. Stattdessen stürzt der Präsident sich nun nach den Angaben des Parlamentspräsidenten Richard Ferrand inzwischen selbst in das Studium der einschlägigen wissenschaftlichen Studien.
Trotz des Versuchs des Staatschefs, an den Lockerungen im Interesse der Corona-müden Franzosen möglichst lange an den Lockerungen festzuhalten, kommt es nun für Millionen Franzosen im Großraum Paris und in der Region Hauts-de-France an der Grenze zu Belgien sowie in weiteren Départements im Norden und Süden des Landes zu weiteren Ausgangsbeschränkungen während des Tages.
„Wir sind im Krieg", sagte Macron vor einem Jahr
Es ist inzwischen das dritte Mal, dass ein Großteil der Franzosen mit den Einschränkungen leben muss. Vor genau einem Jahr hatte Macron zum ersten Mal seinen Landsleuten das so genannte „confinement“ – die Ausgangsbeschränkungen – verordnet und dies mit den martialischen Worten begründet: „Wir befinden uns im Krieg.“
Auch ein Jahr nach dem Beginn der Pandemie sprechen die jüngsten Infektionszahlen in Frankreich immer noch eine deutliche Sprache. Im Großraum Paris lag die Sieben-Tage-Inzidenz zuletzt bei 446. In der Region Hauts-de-France schnellte er auf 381 hoch. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Wert bundesweit gegenwärtig im Durchschnitt bei 90.
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Angesichts der hohen Infektionszahlen, der zunehmenden Belegung der Intensivbetten und der weiterhin schleppenden Impfkampagne sieht sich Macron gezwungen, die Notbremse zu ziehen. Die Ausgangsbeschränkungen sollen nach den Worten von Castex ab dem kommenden Freitag für vier Wochen gelten.
Eine ganz harte Notbremse ist dies aber dann doch nicht. Das hängt damit zusammen, dass in Frankreich landesweit bereits seit eine landesweite Ausgangssperre ab 18 Uhr gilt. Ihr Beginn wird nun auf 19 Uhr verlegt.
Beginn der Ausgangssperre wird auf 19 Uhr verlegt
Und nun soll der Bewegungsradius anders als im vergangenen Frühjahr und im November nicht mehr auf einen Kilometer begrenzt werden, sondern auf zehn. Die Franzosen sollten „ohne Einschränkungen von den Grünflächen profitieren“, sagte Castex. Das ist insbesondere in der dicht besiedelten Hauptstadt für die Bevölkerung von großer Bedeutung.
Gleichzeitig kündigte Castex eine Wiederaufnahme der Impfungen mit dem Vakzin des Herstellers Astrazeneca an. Frankreich hatte sich am Montag nolens volens der Entscheidung des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) anschließen müssen, die Impfungen mit dem Vakzin wegen möglicher Nebenwirkungen vorübergehend auszusetzen.
Premierminister lässt sich mit Astrazeneca impfen
Um das Vertrauen der Franzosen in den Impfstoff wiederherzustellen, geht der Premierminister selber mit gutem Beispiel voran: An diesem Freitag will sich sich der 55-jährige Castex mit dem Astrazeneca-Vakzin impfen lassen.