Coronavirus in Frankreich: Macron muss den Kriegspfad gegen die Impfgegner verlassen
Frankreichs Staatschef Macron will die Impfpflicht im Gesundheitswesen durchsetzen. Es ist aber besser, beim Impfen mit Anreizen zu werben. Ein Kommentar.
„Wir sind im Krieg.“ Mit einer derart drastischen Beschreibung rüttelte Emmanuel Macron im März 2020 seine Landsleute zu Beginn der Pandemie wach. Offenbar wandelt Frankreichs Präsident im Kampf gegen das Coronavirus immer noch auf dem Kriegspfad. Sein aktueller Gegner: die Impf-Verweigerer.
Die gegenwärtige Lage ist ja auch trotz des schönen Sommer-Scheins durchaus Besorgnis erregend. Die Delta-Variante verbreitet sich - ähnlich wie in Deutschland - gerade vor allem unter den Jüngeren. So lange in der Bevölkerung keine Herdenimmunität besteht, könnte diese Entwicklung demnächst wieder zu einer hohen Belastung für das Gesundheitssystem führen. Macron schlägt schon jetzt Alarm, denn im Nachbarland ist die Inzidenz weitaus höher als hierzulande.
Dennoch ist es falsch, dass Frankreichs Staatschef mit Brachialgewalt die Impfkampagne voranbringen will. Bis zum 15. September, so sieht es sein Plan einer Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen vor, soll das gesamte Personal im Gesundheits- und Betreuungswesen geimpft sein. Wer es nicht ist, soll faktisch seinen Job verlieren.
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Der Plan ist trotz aller guten Vorsätze für das Wohl der Patienten in den Kliniken und die Senioren in den Altenheimen falsch, weil er staatlichen Zwang an einer sensiblen Stelle zur Anwendung bringt: die körperliche Integrität jedes Einzelnen und jeder Einzelnen.
In Deutschland hat es bislang einigermaßen funktioniert, die Impfkampagne vor allem durch pure Überzeugungsarbeit voranzubringen. 58 Prozent der Bevölkerung haben hierzulande bereits eine Impfdosis erhalten. In Frankreich, wo auch schon zu Jahresbeginn eine große Skepsis gegenüber Corona-Vakzinen spürbar war, sind es lediglich 52 Prozent. Macron hat diesen Rückstand im Auge, wenn er nun die Impfpflicht für alle Pfleger und Krankenschwestern durchpeitscht. Auch eine generelle Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung will er nicht völlig ausschließen.
Zwar scheint die unmittelbare Reaktion der Franzosen auf die Ankündigung Macrons dem Präsidenten Recht zu geben. Nachdem er die Gründe für die Impfpflicht in seiner TV-Ansprache erläutert hatte, buchten mehr als 900.000 Menschen einen Termin für eine erste Impfung - eine Rekordzahl. Gleichzeitig riskiert der Staatschef aber Streiks unter den Impfskeptikern im Gesundheitswesen. Schlimmer noch: Viele Pfleger und Krankenschwestern könnten sich neu orientieren und den Beruf komplett an den Nagel hängen.
Der sinnvollere Weg: Kostenpflichtige Tests
In einer solchen Situation ist es besser, den Weg des sanften Drucks auf die Impf-Verweigerer zu beschreiten, den Macron ebenfalls geht: Der Zugang zu Restaurants, Kinos und Theater ist demnächst nur noch nach einer Impfung oder einem negativen PCR-Test möglich, gleichzeitig werden die allermeisten PCR-Tests ab Herbst aber kostenpflichtig. Manche mögen nun auch da wieder beklagen, dass dies nichts anderes bedeute als eine Impfpflicht durch die Hintertür. Aber statt einer Pflicht ist es allemal besser, wenn der Staat klare Vorteile für Geimpfte in Aussicht stellt.
Auch in Deutschland stellt sich schon die Frage, wie lange man denjenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, noch die kostenlose Möglichkeit zum Freitesten zur Verfügung stellen will. Auch hierzulande ist die Verabreichung der Vakzine ins Stocken geraten. Je deutlicher nicht nur die gesundheitlichen, sondern auch die materiellen Vorteile des Impfens in den Vordergrund treten, umso größer ist der Nutzen für alle - vor allem für Ältere und Risikopatienten.