Streit über die EU-Erweiterung: „Macron ist ziemlich isoliert"
Die Grünen-Politikerin Brantner hält Macrons Vorschläge zur Erweiterung nicht für sinnvoll. Aber sie kritisiert auch die Haltung Berlins bei anderen EU-Themen.
Franziska Brantner ist europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.
Frau Brantner, die EU ist in der Frage der Erweiterung tief zerstritten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert neue Regeln für den Prozess der EU-Erweiterung. Die finnische EU-Präsidentschaft wollte beim Treffen der Europaminister am Dienstag Macrons Vorschlag nicht weiter vertiefen. Was halten Sie von Macrons Vorstoß?
Vieles von dem, was Macron vorschlägt, gibt es bereits. Zum Glück hat sich am Beitrittsprozess seit der großen Osterweiterung 2004 einiges geändert, etwa was die Bedingungen für die EU-Mitgliedschaft anbelangt. Zudem kann man Beitrittsgespräche auch wieder abbrechen – vorausgesetzt, es gibt dafür unter den EU-Mitgliedstaaten eine Mehrheit. Statt über neue Regeln nachzudenken, wäre es jetzt viel wichtiger, im aktuellen Streit über Nordmazedonien und Albanien einen Konsens in der EU hinzubekommen. Die Beilegung des Namensstreits war ein Herkulesakt, dies zu ignorieren stärkt nur radikale Kräfte auf dem Balkan.
Macron blockiert den Beginn der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien, das zuvor im Namensstreit mit Griechenland eine Lösung gefunden hatte. Wie isoliert ist Frankreichs Präsident mit dieser Haltung?
Völlig allein steht Macron damit nicht. Auch die Zustimmung des niederländischen Parlaments für den Beginn der Beitrittsgespräche fehlt ja noch. Und der Bundestag hat ebenfalls das Verfahren hinausgezögert – was nicht an den Grünen lag. Aber unterm Strich ist Macron mit seiner Haltung innerhalb der EU schon ziemlich isoliert.
Ist es überraschend, dass Macron beim letzten EU-Gipfel den Start der Beitrittsgespräche blockierte?
Macrons Haltung zu Albanien und Nordmazedonien ist seit langem bekannt. Schon vor einem halben Jahr war von Seiten des Außenamts im Europaausschuss des Bundestages zu hören, dass es angesichts der französischen Haltung Schwierigkeiten mit dem Start der Beitrittsgespräche mit Skopje und Tirana geben könnte.
Wenn es um den Beginn der Beitrittsgespräche geht, führt die Bundesregierung geostrategische Gründe ins Feld. Will Macron nicht erkennen, dass die Länder des westlichen Balkans sich langfristig Russland oder China zuwenden, wenn die EU ihnen die kalte Schulter zeigt?
Macron hat in den letzten zwei Jahren bei anderen wichtigen Themen immer wieder geostrategisch argumentiert. Dies hat Berlin nur nicht ernst genommen. Nehmen Sie die Debatte um die Gaspipeline Nord Stream 2. Da hat die Regierung in Paris darauf aufmerksam gemacht, dass die baltischen und osteuropäischen Partner auch legitime Interessen haben. Oder die Diskussion um Huawei: In Frankreich wird darauf hingewiesen, dass beim 5-G-Ausbau mit Huawei gesamteuropäische Sicherheitsinteressen auf dem Spiel stehen. Deutschland will trotzdem einen gefährlichen Alleingang. Drittes Beispiel: Frankreich will den Euro zur Leitwährung machen, auch damit unsere Iran-Politik gegenüber dem US-Präsidenten Donald Trump eine größere Durchschlagskraft hat. Doch dafür bräuchte man aber europäische Anleihen. Aber dies ist für die Bundesregierung tabu.
Auch mit seinen Äußerungen zum „Hirntod“ der Nato hat Macron einige Aufregung im Bündnis ausgelöst. Aber dabei teilen Experten seine Kritik, gerade was die Konzeptlosigkeit der Nato etwa in der Syrien-Politik anbelangt.
Als er als Präsident angetreten ist, hat sich Macron vorgenommen, das zu sagen, was ist. Er hätte zwar andere Worte für den Zustand der Nato wählen können. Aber es stellen sich doch berechtigte Fragen nach den Folgen für das Bündnis, wenn Trump ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für Europas Sicherheit die Kontrolle der IS-Gefängnisse aufgibt oder Erdogan ohne jede Absprache eine Invasion im Norden Syriens beginnt. Vor allem wir Deutschen müssen die Debatte über die richtigen Schlussfolgerungen aus derartigen Entwicklungen führen.