Tagesspiegel-Konferenz "Agenda 2018": "Macron hat sich einen Vorsprung verschafft, Deutschland muss reagieren"
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn erwartet positive Impulse aus Deutschland für eine Vertiefung des Euroraums - und erteilt Debatten um eine Obergrenze für Flüchtlinge eine Absage.
Der luxemburgische Außen- und Europaminister Jean Asselborn hat Obergrenzen für Flüchtlinge als "Unding" bezeichnet. "Eine völkerrechtliche Verpflichtung lässt sich nicht per Knopfdruck ausschalten", sagte Asselborn mit Blick auf die Genfer Flüchtlingskonvention am Dienstag bei der Tagesspiegel-Konferenz "Agenda 2018" . Der Politikgipfel befasst sich regelmäßig mit den politischen Themen, die im jeweiligen Folgejahr - diesmal in der kommenden Legislaturperiode - wichtig werden. Bereits zum vierten Mal kamen dazu Spitzenvertreter aus Politik, Verbänden, Think Tanks, Medien und NGOs in Berlin zusammen.
Asselborn nannte als Beispiel ein Szenario, in dem Kurden gezwungen sein könnten, ihre Heimat zu verlassen. "Wenn diese Leute kommen und vor unserer Tür stehen, muss die Genfer Flüchtlingskonvention gelten." In einem solchen Fall Menschen abzuweisen, weil bestimmte Quoten erfüllt seien, so wie Österreich dies in der Flüchtlingskrise getan habe, sei keine Lösung. "Für mich ist das unverständlich."
Statt Debatten über Obergrenzen zu führen "sollten wir für eine europäische Asylpolitik kämpfen", sagte Asselborn. Gleichzeitig plädierte er für eine gemeinsame europäische Einwanderungspolitik. "Wir kommen nicht voran, wenn wir den Unterschied nicht machen", so Asselborn. Die Einwanderung könne über Quoten für einzelne EU-Staaten sowie Quoten für Herkunftsländer, etwa aus Afrika, gesteuert werden.
Erwartungen an Berlin
Als dienstältester Außenminister in der EU äußerte der Sozialdemokrat aus Luxemburg auch Erwartungen an die Europapolitik der neuen Bundesregierung. Nach den europapolitischen Reden von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron solle Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die beiden zugehen und sich konstruktiv an der Debatte um eine Vertiefung der Eurozone beteiligen. "Das wird in der EU erwartet." Juncker setzt vor allem auf eine Vergrößerung der Eurozone sowie auf eine gemeinsame Haushaltslinie, Macron hingegen sieht die Erweiterung der Eurozone erst zu einem späteren Zeitpunkt. Er plädiert indes für ein gemeinsames europäisches Budget. Berlin, so appellierte Asselborn, solle die positiven Impulse der Reden aufgreifen. "Deutschland sollte sich darauf konzentrieren, was geht, und nicht auf das, was nicht geht", sagte er wohl mit Blick auf Äußerungen des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU), der einen zu großen politischen Einfluss der Kommission auf die Währungspolitik fürchtet. Deutschland müsse Verständnis auch für andere EU-Mitglieder aufbringen.
Ruckrede von Merkel erwünscht
Eine Grundsatzrede Merkels in diesem Zusammenhang "wäre nicht schlecht", antwortete Asselborn auf eine entsprechende Frage von Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff. Vor allem wünsche er sich jedoch einen konkreten Vorstoß Deutschlands und Frankreichs in Form eines gemeinsamen Konzepts für die Vertiefung der Eurozone. "Macron hat sich einen Vorsprung verschafft, Deutschland muss reagieren." Macrons Rede bezeichnete Asselborn als Quantensprung für Frankreich. "Marcon spricht darin von einer europäischen Nation. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen."
Die EU brauche keine Diskussion über das politische Klein-Klein, sondern über ihre grundsätzliche Ausrichtung, so Asselborn weiter. Eine Erweiterung der Eurozone sei eine Garantie für mehr Ausgeglichenheit innerhalb der EU. Davon profitiere nicht zuletzt Deutschland als größter Nettozahler und Lokomotive der Union. "Dem deutschen Steuerzahler wird es nur gut gehen, wenn andere nicht das Gefühl haben, bestraft zu werden", sagte Asselborn in Anspielung auf die in anderen EU-Staaten mitunter als unerbittlich empfundene deutsche Haltung bei der Euro-Rettung. Der Euroraum sei kein Club für die "Besserverdienenden" unter den EU-Staaten, betonte der Luxemburger. "Dieses Vorurteil muss verschwinden, auch Rumänien und Bulgarien gehören in den Euroraum."