zum Hauptinhalt
Unberechenbar: Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister.
© Christof STACHE/AFP

Koalitionskrise: Macht Platz!

Ihr Streit schadet allen. Warum nicht die Konsequenzen ziehen? Angela Merkel und Horst Seehofer können nicht mehr regieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Was kann da Hoffnung geben, dass sie endlich, endlich verstehen? Ihr Streit schadet dem Land, Europa, allen. Deutschland als Geisel des Wahns – man möchte die beiden packen und schütteln, auf dass sich die Dinge in ihren Köpfen neu sortieren. Angela Merkel und Horst Seehofer treiben es eindeutig zu weit.

Ja, auch die Kanzlerin. Denn sie hat sich auf Händel mit ihrem Innenminister eingelassen, wohl wissend, dass das grundfalsch ist. Sowohl in der Sache als auch situativ. Oder kann sie nicht mehr anders? Dass Seehofer unberechenbar ist, geworden ist, hat sich auch dem Allerletzten gezeigt, als er nächtens vom Rücktritt zurücktrat. Vorläufig.

Aber mehr noch. Wenn einer eine Koalition im größten Land Europas daran scheitern lassen will, dass an drei von 90 Übergangsstellen zu einem anderen Land keine Flüchtlinge abgewiesen werden dürfen, die sowieso nicht mehr kommen – ja, wie soll man den nennen? „Crazy Horst“. Allerdings war das der Kanzlerin auch schon seit Jahren bekannt: Seehofer ist in all seiner Unberechenbarkeit berechenbar; und wo er berechenbar zu sein scheint, ist er unbelehrbar. Darauf kann frau sich doch einstellen, oder?

Seehofer sagt seit drei Jahren, dass er die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin ablehnt und ihr, wenn sie die nicht ändert, ans Leder gehen wird. Mag er alt geworden sein – so viel Krachledernes bringt er immer noch zustande. Oder will er gerade wegen des Nachlassens seiner Schlagkraft zustande bringen. Dass die Kanzlerin das nicht in ihre Berechnungen miteinbezogen hat und ihm nicht zuvorgekommen ist… Erstaunlich schwach wirken ihre Repliken. Weil Seehofer einen Punkt getroffen hat? Einer ist sicher, dass Merkel lange schon nicht mehr die Flüchtlingspolitik macht, die sie in den Salons der bürgerlichen Linken beliebt gemacht hat. Das zu bemänteln ist für sie immer schwieriger geworden, je mehr Seehofer darüber geätzt hat. Nur hätte die Merkel von früher ihn längst ins Abseits gestellt.

Gegenseitige Lähmung

Wenn das aber nun schon mal so ist – warum nicht die Konsequenzen daraus ziehen, dass diese beiden führenden Regierenden nicht mehr regieren können, und das ganz bestimmt nicht miteinander? Gegeneinander geht erst recht nicht. Regiert werden muss aber. Weil es auch dringend nötig ist. Denn vereinbarte Aufgaben erledigen, Missstände beseitigen – das ist, was eine immer größer werdende, unzufriedene Mehrheit von ihrer Regierung erwarten darf.

Tatsächlich gibt es ja welche, die diese Politik machen, auch in dieser Regierung. Jedenfalls diese drei Minister: Franziska Giffey (Familie), Hubertus Heil (Arbeit), beide SPD, und Jens Spahn (Gesundheit), CDU. Sie haben soeben eine „Konzertierte Aktion Pflege“ ins Leben gerufen und sich vorgenommen, sogar darauf geschworen, binnen eines Jahres die miese Lage zu verbessern. Ein Schwur vor Millionen für Millionen: Das ist nicht allein relevant – das ist als normativer Gegenentwurf interessant. Denn Regieren muss man wollen.

Wenn die an leitender, führender Stelle sich in ihrer politischen Erzfreundschaft verfangen und gegenseitig lähmen, damit aber das ganze Land in Mitleidenschaft ziehen, darüber hinaus noch dessen internationale Einflussmöglichkeiten schwächen – dann wird es Zeit. Die Achse der Willigen in der Regierung könnte ein Wort Seehofers nehmen und es gegen ihn und Merkel wenden: wirkungsgleich. In diesem Zusammenhang ist nicht der Masterplan Migration gemeint. Nein, es meint, dass längst andere Politiker wirkungsgleich sind zu denen, die da nicht regieren. Also sollten die jetzt Platz machen, beide. Deutschland darf nicht auf Dauer Schaden nehmen.

Ein kleiner Hinweis für die Christen- Politiker: Alles hat seine Zeit. Die CDU- Chefin und der CSU-Chef hatten ihre. Jetzt ist die Zeit der Hoffnung, dass sich in dieser Krise das Rettende auch findet. Hoffnungsschimmer gibt es. Sie kommen nur nicht mehr von Angela Merkel und Horst Seehofer.

Zur Startseite