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Taxifahrer suchen während eines Luftalarms in Tel Aviv Schutz neben ihren Fahrzeugen.
© rtr
Update

Nahost-Konflikt: Luftalarm in Tel Aviv

Erneut heulen in Tel Aviv die Sirenen. Nach Angaben des israelischen Fernsehens wurden am Donnerstagmorgen im Umkreis der Mittelmeermetropole fünf Raketen abgefangen.

Israel und die radikalen Palästinenser im Gazastreifen haben ihre gegenseitigen Luftangriffe fortgesetzt. Im israelischen Fernsehen waren am Donnerstag Live-Aufnahmen von Raketen zu sehen, die vom Luftabwehrsystem nahe Tel Aviv abgeschossen wurden. Im Hörfunk hieß es, mindestens zwei Geschosse seien abgefangen worden. Das israelische Fernsehen berichtete von fünf Raketen, die im Umkreis von Tel Aviv von der Raketenabwehr abgefangen wurden. In der Mittelmeermetropole heulten am Morgen die Sirenen, Menschen eilten in Schutzräume. Es war eine Serie dumpfer Explosionen zu hören.

Seit Beginn der israelischen Offensive gegen Ziele im Gazastreifen am frühen Dienstag sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza 75 Menschen getötet worden. Mehr als 400 seien verletzt worden, sagte der Ministeriumssprecher in der Nacht zum Donnerstag. Etwa zwei Drittel davon seien Zivilisten. Am frühen Donnerstagmorgen seien sieben Zivilisten bei einem israelischen Luftangriff auf Chan Junis im südlichen Gazastreifen ums Leben gekommen, berichteten Sanitäter und Sicherheitskräfte. Die Hamas sprach sogar von zehn Toten.

Netanjahu kündigt Ausweitung der Angriffe auf Gaza an

Unterdessen schlagen seit Dienstagabend palästinensische Raketen in Jerusalem und nördlicheren Zielen sowie nahe der Atomanlage Dimona ein. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte die Ausweitung des Militäreinsatzes an. Seine Regierung habe entschieden, "die Angriffe gegen die Hamas und die Terrorgruppen im Gazastreifen zu verstärken", erklärte Netanjahu nach einem Treffen mit Militärvertretern. "Die Armee ist auf jede Möglichkeit vorbereitet." Die radikalislamische Hamas werde "einen hohen Preis dafür zahlen, dass sie Raketen auf israelische Zivilisten abfeuert."

Israelische Panzer beziehen Stellung

Israels Umweltminister Gilad Erdan, ein Mitglied des Sicherheitskabinetts, sagte, die Armee stehe für eine Bodenoffensive bereit. 40.000 Reservisten seien mobilisiert worden. Israelische Panzer bezogen im Süden des Landes an der Grenze zum Gazastreifen Stellung. Vize-Verteidigungsminister Danny Danon verlangte, die Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen mit Strom und Treibstoff zu beenden. Zuvor hatte Israels Strategieminister Yuval Steinitz Vorstöße der Bodentruppen nicht ausgeschlossen, um zu verhindern, dass „in Gaza, das eigentlich entmilitarisiert sein müsste, eine regelrechte Terrorarmee entsteht“. Ob sich die Offensive „Zuk Eitan“ („Fels in der Brandung“), mit der Israel den ständigen Raketenbeschuss seiner Städte unterbinden will, tatsächlich zu einer Bodenoffensive ausweitet, lässt die Regierung offen.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte die Ausweitung des Militäreinsatzes an.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte die Ausweitung des Militäreinsatzes an.
© dpa

Seit Beginn der Operation "Schutzrand" am Dienstag haben israelische Kampfflugzeuge mehr als 550 Ziele im Gazastreifen beschossen. Nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte bombardierte die Luftwaffe in der Nacht zum Mittwoch auch das Haus eines Kommandeurs der Al-Kuds-Brigaden, des bewaffneten Flügels des Islamischen Dschihad, in Beit Hanun nördlich von Gaza-Stadt. Der Kommandeur sowie fünf Familienmitglieder wurden dabei getötet. Der palästinensische Präsident Abbas warf Israel "Völkermord" vor. "Die Ermordung ganzer Familien ist ein Völkermord, den Israel an unserem palästinensischen Volk verübt", sagte er nach einem Krisentreffen der palästinensischen Führung in Ramallah.

"Iron Dome", die israelischen Abwehrraketen.
"Iron Dome", die israelischen Abwehrraketen.
© AFP

Der bewaffnete Arm der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden, erklärte am Mittwochabend, er habe drei Raketen vom Typ M75 auf die israelische Atomanlage Dimona in der Negev-Wüste abgefeuert. Zwei Raketen seinen in offenem Gebiet niedergegangen, eine weitere vom israelischen Abwehrsystem "Eiserne Kuppel" abgefangen worden, bestätigte das Militär. Israelische Opfer gab es nicht. Die Menschen in mehreren israelischen Städten suchten Schutzräume auf. Im Gazastreifen gibt es hingegen kaum oder gar keine öffentlichen Bunker.

Angela Merkel verurteilt "den Raketenbeschuss auf Israel aufs Schärfste"

"Im eigentlichen Sinne des Wortes findet keine Vermittlung statt." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte in einem Telefonat mit Netanjahu, "den Raketenbeschuss auf Israel aufs Schärfste", wie am Abend aus Regierungskreisen in Berlin verlautete. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte ein umgehendes Ende des Raketenbeschusses Israels aus dem Gazastreifen. Er sagte der "Bild"-Zeitung: "Der mörderische Raketenbeschuss der Hamas auf israelische Städte muss sofort gestoppt werden." Der Nahe Osten benötige jetzt eine "Koalition der Vernunft".
Der französische Präsident François Hollande sicherte Netanjahu in einem Telefongespräch die "Solidarität Frankreichs" zu. Es liege an der israelischen Regierung, "angesichts der Bedrohungen alle Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen". Die USA und die EU forderten beide Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf. Die UN-Botschafter der arabischen Länder forderten eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.

Der neue Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Volker Beck, betonte, dass für Israel der Dauerbeschuss durch Raketen nicht hinnehmbar sei. „Das stellt für die Menschen in Israel eine echte Bedrohung dar.“ Wichtig sei es deshalb, dass man sich auf ein Ende der Angriffe und einen Waffenstillstand verständige. „Alle Kanäle müssen genutzt werden, um auf die Hamas einzuwirken. Aber ich weiß nicht, ob deren Führung derzeit überhaupt ein Interesse hat, den Kampf einzustellen“, sagte der Grünen-Politiker. „Die Hamas braucht auch die Eskalation, um sich in Gaza an der Macht zu halten.“

Rolf Mützenich, in seiner Funktion als SPD-Vizefraktionschef zuständig für Außenpolitik, sieht derzeit keine Möglichkeit für Deutschland, wirksam zwischen Israel und den Palästinensern zu vermitteln. „Die Konfliktparteien haben sich zu sehr ineinander verkeilt“, sagte er. Wenn überhaupt jemand etwas ausrichten könne, wären das die USA. Mit Blick auf die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten betonte Mützenich, es sei bedauerlich, dass „das Kalkül der Provokateure auf beiden Seiten aufgegangen ist“.

Geringe Unterstützung für Palästinenser aus Ägypten

Derweil erinnert militärisch vieles an die letzte Gazakrise vor gut anderthalb Jahren. Der achttägige Schlagabtausch im November 2012 allerdings fand in gänzlich anderer politischer Nachbarschaft statt als heute. Mittlerweile wird Ägypten von Ex-Feldmarschall Abdel Fattah al Sisi geführt, für den Hamas-Mitglieder genauso Terroristen sind wie der von ihm abgesetzte Mohammed Mursi und dessen Muslimbrüder. Entsprechend schmallippig fielen die Erklärungen aus.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas musste Sisi erst anrufen, um verkünden zu dürfen, der Ex-Feldmarschall fühle sich „der Sicherheit der palästinensischen Bevölkerung verpflichtet“ und werde versuchen, Druck auf Israel auszuüben, um so bald wie möglich eine Waffenruhe zu erreichen. Ägyptens Außenminister ließ routiniert verbreiten, Kairo verurteile die israelischen Luftangriffe, sekundiert von Jordanien, das eine große palästinensische Bevölkerung hat und darum die Militärschläge obendrein als „barbarische Aggression“ verdammte. Ägypten hat neben Jordanien als einzige arabische Nation einen Friedensvertrag mit Israel. Alle anderen arabischen Staaten dagegen schwiegen sich aus.

Für Sisi ist der Gazastreifen vor allem ein Unruheherd, der auf den Nordsinai ausstrahlt. Raketen, Granaten und Gewehre haben nach dem libyschen Bürgerkrieg ihren Schmuggelweg über Ägypten in die Enklave gefunden. Gleichzeitig sind der Hamas die Zügel teilweise entglitten. Bei Attentaten haben längst andere, viel Radikalere das Sagen, die sich zu Al Qaida zählen. Fast täglich sterben auf dem Sinai Polizisten und Soldaten bei Feuerüberfällen der Gotteskrieger, die sich bei Bedarf in die Hamas-Enklave zurückziehen, um den ägyptischen Kampfhubschraubern zu entgehen (mit AFP/dpa/rtr)

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