Brexit-Gespräche: London beugt sich am ersten Verhandlungstag der EU
Die EU und die britische Regierung haben sich auf einen Fahrplan für die Brexit-Gespräche geeinigt. Dabei ist London gegenüber den Forderungen der EU eingeknickt.
Jetzt sitzen sie an einem Tisch. Montag Punkt elf Uhr traten die beiden Verhandlungsführer in Brüssel gemeinsam vor die Kameras. Der Franzose Michel Barnier, der Chefunterhändler der EU, begrüßte freundlich distanziert und auf Englisch sein Gegenüber auf britischer Seite, David Davis. Barnier und sein Team haben Heimrecht bei den Gesprächen, die schon Ende März 2019 in den Austritt des Vereinigten Königreichs münden sollen. Das ist so in den Verträgen vorgesehen. Als die beiden um 18.40 Uhr wieder gemeinsam vor die Kameras traten, schien die Stimmung sogar noch etwas besser.
Barnier sagte: „Ein gerechter Deal ist möglich, das ist wesentlich besser als kein Deal.“ Er versprach der anderen Seite: „Es wird von meiner Seite keine Feindseligkeiten geben.“ Davis pflichtete bei. Er sehe nach dem ersten Verhandlungstag „viele Gemeinsamkeiten.“ Davis sprach von einem „viel versprechenden Start“, man habe die ersten schwierigen Schritte gemeinsam unternommen.
London musste sich Wünschen aus Brüssel beugen
Es sieht allerdings so aus, dass London sich schon beim Start Wünschen aus Brüssel beugen musste. Beide Seiten klopften die Reihenfolge, also den Fahrplan für die Brexit-Gespräche nämlich so fest, wie dies Brüssel gefordert hatte. Zunächst wird in Unterarbeitsgruppen über drei Themen geredet: die Rechte von EU-Bürgern auf der Insel, die finanzielle Schlussrechnung sowie andere Fragen der Trennung. Die beiden Vize-Verhandlungsführer - auf EU-Seite die Deutsche Sabine Weyandt, auf britischer Seite Oliver Robbins – werden währenddessen über die Lösung der irischen Frage beraten. Und erst wenn es genügend Verhandlungsfortschritte bei diesen vier Themen gibt, soll auch über die Ausgestaltung der Handelsbeziehungen gesprochen werden.
Ursprünglich wollte London von Anfang an auch über die Zukunft reden. Jeweils eine Woche im Monat soll in Brüssel verhandelt werden, der Rest des Monats wird für die Vor- und Nachbereitung der Verhandlungen genutzt werden. Morgens hatte Barnier noch etwas spitz formuliert: „Ich hoffe, dass ich beim EU-Gipfel Ende der Woche von einem konstruktiven Beginn der Gespräche berichten kann.“ Da London seinen Verhandlungsplan mitträgt, spricht nichts dagegen.
Ausgangslage für die EU ist günstig
Davis kündigte an, die britische Premierministerin Theresa May werde ihren Kollegen beim Gipfel Ende der Woche ein Angebot unterbreiten, was die Rechte der EU-Bürger auf der Insel angeht. Dem Vernehmen nach will London die Frage der Bürgerrechte schnell klären. Man sei bereit, allen EU-Bürgern, die jetzt schon da sind, zu garantieren, dass es nach dem Brexit nicht zu Statusverlusten etwa bei der Renten- und Krankenversicherung und beim Aufenthaltsrecht komme.
Die Ausgangslage bei den Verhandlungen ist für die EU günstig. Sie ist beim Brexit geeint, es gibt bislang keinen Streit im Lager der 27. Das kann man über die Gegenseite nicht sagen. Seit dem Wahldebakel bei den Unterhauswahlen von Anfang Juni mit dem Verlust der absoluten Mehrheit für Theresa Mays Konservative ist London komplett mit sich selbst beschäftigt. May gilt inzwischen als Übergangsfigur. Es ist fraglich, ob sie für ihre Ansage eines harten Brexit überhaupt noch genügend Truppen hinter sich hat.
Gespräche laufen unter verschärftem Zeitdruck
Mays Verhandlungsführer David Davis wurde von der britischen Presse bei seinem Auftritt nach der ersten Verhandlungsrunde regelrecht vorgeführt. Unter Anspielung auf Davis fragten Journalisten Barnier, wie es denn sei mit jemandem zu verhandeln, der vermutlich innerhalb der nächsten sechs Monate ohnehin seinen Job verliere. Barnier ging nicht darauf ein, Davis konnte sich die zynische Bemerkung nicht verkneifen: „Das ist aber ein Kompliment.“ Die nächste Verhandlungsrunde soll am 17. Juli beginnen.
Die Gespräche laufen unter verschärftem Zeitdruck: Schon im Herbst 2018 muss man fertig sein mit dem Scheidungsdokument. Denn der Vertrag muss noch vom EU-Parlament beschlossen und von den 27 Mitgliedsstaaten und Großbritannien ratifiziert werden. Artikel 50 der Europäischen Verträge gibt zwei Jahre Zeit für die Verhandlungen, nachdem der Austrittswunsch per Brief eingegangen ist. Dies heißt: Ende März 2019 scheidet Großbritannien aus der Gemeinschaft aus. Im Frühjahr finden dann die Wahlen für ein neues EU-Parlament statt. Brüssel will unbedingt verhindern, dass dabei noch Kandidaten aus dem Vereinigten Königreich antreten.