Lobbyismus in Deutschland: Lobbycontrol wirft Union "Blockadehaltung" vor
Zur Transparenz geht es nur "in Trippelschritten": Die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol zieht Halbzeitbilanz für die Große Koalition.
Nicht mal einen Monat dauerte es 2005, da wurde aus dem Bundeskanzler Gerhard Schröder der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Schröder, nun angestellt bei Nord Stream, einer 51-prozentigen Tochter des russischen Energiekonzerns Gazprom. Die Empörung war groß - weil Schröder sich sehr gut mit Putin verstand und die Ostseepipeline noch während seiner Amtszeit auf den Weg gebracht wurde. Solche umstrittenen Wechsel passieren in der Spitzenpolitik nicht oft, bei den Hinterbänklern sind unklare Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft laut Lobbycontrol jedoch keine Seltenheit.
Mit dem zweiten Lobbyreport nach 2013 legten die Aktivisten am Dienstag in Berlin eine Bilanz für die ersten zwei Jahre der schwarz-roten Koalition vor. Im Gegensatz zur schwarz-gelben Vorgängerkoalition habe es Verbesserungen "in Trippelschritten" gegeben, sagte die neue Lobbycontrol-Geschäftsführerin Imke Dierßen. Gut sei etwa die neu eingeführte Karenzzeit von 12 bis 18 Monaten, die Regierungsmitglieder einhalten müssten, ehe sie Posten in der Wirtschaft annehmen. "Allerdings fehlen in dem Gesetz Sanktionen", sagte Timo Lange, Autor des Reports.
Positiv sei die Reform des Antikorruptionsgesetzes für Abgeordnete im Jahr 2014, doch die Schwellen für Ermittlungsverfahren seien immer noch hoch, und es bleibe abzuwarten, wie sich das Gesetz in einem Verdachtsfall bewährt.
Sponsoringgelder an Parteien bleiben unklar
Gerade die Union nehme oft eine "Blockadehaltung" ein, wenn es darum gehe, für Klarheit in der Lobbyarbeit zu sorgen. "Sie reagiert nur auf Druck von außen oder auf Gerichtsbeschlüsse", bemängelte Imke Drießen. Die SPD als Koalitionspartner füge sich dem meist.
Dass Deutschland in Sachen Transparenz noch Nachholbedarf hat, beweise auch die Kritik aus dem Europarat, der Reformen etwa beim Parteiengesetz angemahnt hat. Schon am Montag hatte Lobbycontrol einen entsprechenden Appell mit mehr als 15 000 Unterschriften den Vertretern der vier Bundestagsfraktionen überreicht. Diesen Donnerstag soll der Entwurf im Parlament beschlossen werden. Lobbycontrol fordert in erster Linie eine Offenlegung von Sponsorengeldern, die in den Rechenschaftsberichten der Parteien unter einem Sammelposten aufgeführt und deshalb kaum nachvollziehbar sind – gerade vor dem Hintergrund, dass der aktuelle Gesetzesentwurf auch mehr staatliche Gelder für die Parteien vorsieht.
„Ein Indikator dafür, dass Unternehmen vermehrt den verdeckten Weg des Sponsoring gehen, ist der Rückgang der veröffentlichungspflichtigen Großspenden über 50.000 Euro“, erklärte Christina Deckwirth von Lobbycontrol. BMW etwa habe seine Parteienfinanzierung umgestellt, sponsere nun die Spargelfahrt des Seeheimer Kreises der SPD. „Vorher haben sie Fahrzeuge überlassen – das kam einer Spende gleich.“ Im Spendenbereich fordern die Lobbywächter vor allem niedrigere Schwellen bei der Veröffentlichungspflicht und jährliche Obergrenzen.
Wer vertritt wen - und mit welchem Budget?
Heftige Kritik übten die Lobbywächter auch in den Bereichen Nebeneinkünfte und Lobbyregister. Zwar sei mittlerweile in vielen Fällen öffentlich bekannt, dass gewisse Abgeordnete in Branchenverbänden oder Aufsichtsräten von Unternehmen sitzen, deren Interessen sie auch als Politiker vertreten - etwa CDU-Mann Norbert Schindler, der Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Ethanolwirtschaft und stellvertretendes Mitglied im Landwirtschaftsausschuss ist. Wirtschaftsvertreter würden dringend benötigte Expertise mitbringen - die Gefahr für Interessenskonflikte sei aber eben auch präsent, erklärte Timo Lange. "Es gibt noch immer kein Verfahren, um die Folgen daraus anzuzeigen", sagte Timo Lange. Unterstützung dafür gab es von Brita Haßelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. "Nebeneinkünfte von Abgeordneten sollten auf Euro und Cent veröffentlicht werden."
Auch die jüngst durch eine Eilklage des Tagesspiegel gerichtlich erwirkte Offenlegung der Hausausweisliste des Bundestags schaffe nach Ansicht Timo Langes noch nicht genügend Klarheit darüber, "wer wen vertritt und mit welchem Budget." Diese Informationen verspricht sich Lobbycontrol aus einem gesetzlich verpflichtenden Register.
Die wohl wichtigsten Lobbyakteure in Berlin sind nach Angaben der NGO wohl Vertreter der Automobilbranche, aber auch Google und Facebook würden ihre Aktivitäten ausbauen. Wie wichtig den Bürgern Transparenz sei, hätte der breite Protest gegen das schwer durchschaubare Handelsabkommen TTIP gezeigt.
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