zum Hauptinhalt
Die Bildkombination zeigt die am 21.12.2016 vom Bundeskriminalamt veröffentlichten Fahndungsfotos des mutmaßlich tunesischen Verdächtigen Anis Amri.
© dpa
Update

Anschlag auf Weihnachtsmarkt: LKA fand Handyfotos von Anis Amri nicht

Im Fall des Berlin-Attentäters Anis Amri soll es zu einer weiteren Ermittlungspanne gekommen sein. Das Landeskriminalamt in NRW fand Handyfotos mit Schusswaffe nicht.

Im Fall der Berlin-Attentäters Anis Amri hat es nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU) eine weitere Ermittlungspanne gegeben. Nach einer Kontrolle Amris zehn Monate vor dem Weihnachtsmarktanschlag in Berlin vor knapp einem Jahr seien im Handy des späteren Attentäters gefundene Dateien offenbar unzureichend ausgewertet worden, sagte Reul am Montag in Düsseldorf.

Dem NRW-Innenminister zufolge befanden sich unter den insgesamt 12.126 Bilddateien auf Amris Handy sieben Bilder, die den Tunesier mit einer Schreckschusswaffe, Stichwaffen oder aber Pfefferspray zeigten. Bei der Auswertung der Handydateien durch eine automatisiertes Programm seien diese Bilder "durchs Raster gefallen", sagte Reul. Wegen der Filtereinstellung seien Fotos mit schlechter Qualität nicht gesichtet worden.

"Händische Auswertung" fand nicht statt

Eine "händische Auswertung" der Handybilder habe beim Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen aufgrund der großen Datenmenge nicht stattgefunden. "Hier ist ein Fehler passiert", sagte Reul. "Ein Fehler, der hätte nicht passieren dürfen." Nach dem Anschlag habe auch das Bundeskriminalamt die Dateien unter die Lupe genommen.

Es dürfe nicht sein, dass Bilder minderer Qualität wegen entsprechender Filtereinstellungen unentdeckt blieben. "Wir werden deshalb die Standards zur Auswertung großer Datenmengen beim LKA auf den Prüfstand stellen", kündigte Reul an. Ob dies zu einer anderen Einschätzung Amris geführt hätte, könne er nicht sagen. Für einen Haftbefehl hätten die Fotos jedenfalls nicht gereicht.

Bereits zuvor waren mehrere Pannen beim Umgang der Sicherheitsbehörden mit dem als islamistischem Gefährder eingestuften Amri bekannt geworden. Der Tunesier hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen gekapert und war damit auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gerast. Bei dem Attentat starben zwölf Menschen, 67 wurden verletzt. Auf der Flucht wurde Amri von der italienischen Polizei in Mailand erschossen.

Opferbeauftragter fordert früher erste Anlaufstellen

In Koblenz regte derweil der Opferbeauftragte Kurt Beck (SPD) ein Jahr nach dem Anschlag in Berlin mehrere Konsequenzen an. Seinen Abschlussbericht kündigte der ehemalige SPD-Chef für den 13. Dezember an. Während einer Sicherheitstagung der Polizei am Montag in Koblenz schlug Beck vor, bei Terroranschlägen rascher und besser sichtbar eine erste Anlaufstelle für Angehörige und Helfer zu schaffen.

Eine zweite Stelle für eine dauerhafte Betreuung von verletzten Opfern und Hinterbliebenen könnte beim Bundesjustizministerium eingerichtet werden, ergänzt von ähnlichen Anlaufstellen in den Ländern. Der Ex-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz regte zudem Verbesserungen bei der Identifizierung von Toten an. Dies habe damals in Berlin bei quälender Ungewissheit für Angehörige teils drei Tage gedauert. Wenn das Gesicht nicht entstellt sei oder ein Ausweis beim Opfer gefunden werde, könne das schneller gehen, sagte Beck.

Vorwürfe der Angehörigen sind "objektiv richtig"

Der Islamist hatte am 19. Dezember vergangenen Jahres einen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gelenkt und zwölf Menschen getötet. Der Tunesier wurde wenige Tage später von der Polizei in Mailand erschossen. Zu den Vorwürfen auch von Angehörigen, die Behörden hätten den als Islamisten und Drogenhändler längst polizeibekannten Amri schon vorher festnehmen und so den Anschlag verhindern können, sagte Beck: „Das ist objektiv richtig.“ Am Montag öffnete der Weihnachtsmarkt an gleicher Stelle unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Am Jahrestag des Anschlags soll dort eine Gedenkstätte eingeweiht werden. (AFP, dpa, Reuters)

Zur Startseite