„Eine Binsenweisheit“: Linnemann verteidigt Aussage zur Einschulung
Grundschulbesuch erst bei ausreichenden Deutschkenntnissen, forderte Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann. Dem Tagesspiegel sagte er, worum es ihm damit geht.
Trotz massiver Kritik hält der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Carsten Linnemann, an seiner Forderung fest, Kinder mit fehlenden Deutschkenntnissen später einzuschulen. Dem Tagesspiegel sagte der CDU-Politiker, dass er nie verstanden habe, wieso es Sprachstandserhebungen gebe, daraus aber keine Konsequenzen gezogen würden. „Für mich ist es eine Binsenweisheit, dass Kinder in den Schulen der deutschen Sprache mächtig sein sollten.“
Alle Experten seien der Meinung, „dass fehlende Sprachkenntnisse das größte Integrationshemmnis sind“, sagte Linnemann. Deshalb müsse man diesen Kindern helfen und sie fördern. Das könne über eine klassische Vorschule ebenso geschehen, wie über Förderklassen oder ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr.
„Mir geht es allein um die Debatte, die jetzt geführt werden muss, damit wir heute die Probleme angehen und damit nicht warten, bis es zu spät ist.“ Er erlebe schon jetzt, dass viele Eltern ihre Kinder auf Privatschulen schickten, weil das Niveau der staatlichen Schulen sinke.
Zuvor hatte Linnemann der „Rheinischen Post“ gesagt, dass ein Kind, das kaum Deutsch spreche und verstehe, „auf einer Grundschule noch nichts zu suchen“ habe. Über diese Formulierung hatten sich auch CDU-Politikerinnen empört. Schleswig-Hosteins Bildungsministerin Karin Prien nannte Linnemanns Einlassung „populistischen Unfug“.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz betonte, dass es an der Schulpflicht „nichts zu rütteln“ gebe. Linnemann dagegen betonte, zu keinem Zeitpunkt ein „Grundschulverbot“ gefordert zu haben. Die Nachrichtenagentur dpa hatte diesen Begriff in einer Meldung verwendet, ihn dann aber als „zu weitgehende Wiedergabe“ von Linnemanns Worten korrigiert.
Grundschulverband warnt vor Ausgrenzung wegen Sprachproblemen
Vertreter der Opposition reagierten besonders heftig. Linken-Chefin Katja Kipping sprach von „Stimmenfang im rechten Sumpf“, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linkfraktion, Jan Korte, nannte Linnemanns Forderung „rechtes Dummgeschwätz“. Die Ausgrenzung von Kindern in sogenannten Ausländerklassen sei „ein Relikt der 80er Jahre, gescheitert und diskriminierend“, sagte die Migrationsexpertin der Grünen, Filiz Polat. „Anstatt schon wieder eine populistische Scheindebatte anzuzetteln, sollte die Bundesregierung endlich ihre Hausaufgaben im Integrations- und Bildungsbereich machen.“
Die Situation an zahlreichen Schulen bundesweit sei wegen fehlender Sprachkenntnisse vieler Kinder „schwierig“ und das rechtfertige auch „besondere Maßnahmen“, erklärte der Grundschulverband. Kinder wegen Sprachproblemen „auszugrenzen“ sei falsch, das würde ihnen zusätzlich sprachliche und soziale Lernchancen verbauen.
Der Verband fordert kleine Klassen und „die am besten ausgebildeten“ Lehrkräfte, die Sprachentwicklungen feststellen und fördern können. Dafür aber fehlen nach Auffassung von Bildungsforschern bundesweit noch systematische Konzepte. Ändern soll sich das in Berlin und in anderen Bundesländern durch verpflichtende Sprachbildungs-Seminare für alle Lehramtsstudierenden.
Bundesweite Erhebungen, wie viele Kinder bei der Einschulung gar kein Deutsch können, gibt es nicht. Regional wird das aber durchaus untersucht. So ergaben die Einschulungsuntersuchungen Berliner Kinder aus dem Jahr 2017, dass 6,9 Prozent aller Kinder kaum oder kein Deutsch können. 10,5 Prozent sprechen fehlerhaft, 82,6 Prozent gut oder sehr gut. Bei den Erstklässlern nicht-deutscher Herkunft können 14 Prozent kaum Deutsch. Klar ist: Ein Besuch der Kita hilft, und zwar massiv. Die Deutschkenntnisse von Kindern nicht-deutscher Herkunft unterschieden sich den Einschulungsuntersuchungen zufolge je nach Länge des Kita-Besuchs erheblich. Von denjenigen, die mindestens zwei Jahre in einer Kita waren, konnten nur 4,5 Prozent kaum oder gar nicht Deutsch – bei denen ohne Kita-Besuch waren es 74,3 Prozent.