Streit über Organspende: Linke wirft Spahn und Lauterbach "Desinformation" vor
"Schlicht schäbig": Mit scharfen Worten hat die Linke den Gesetzentwurf zur Widerspruchsregelung bei der Organspende kritisiert.
Im fraktionsübergreifenden Streit um Neuregelungen bei der Organspende wird der Ton schärfer. Die Abgeordnetengruppe um Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) arbeite in ihrem Gesetzentwurf für eine Widerspruchsregelung „mit Desinformation und Manipulation“, sagte die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler dem Tagesspiegel. Das sei „schlicht schäbig“ und werde keine Mehrheit im Bundestag finden.
Konkret bezieht sich Vogler mit ihrer Kritik auf zwei angebliche Vorhaben, die dem Entwurf zu entnehmen seien. So solle der Organspendeausweis, der bisher als „Mittel der Selbstbestimmung“ diene, ersatzlos gestrichen werden. Eine „eigenständige Eintragung und eventuelle Veränderung der Willenserklärung“ sei dann nicht mehr möglich, sondern nur noch „auf dem Umweg über eine Behörde“.
Außerdem planten die Befürworter einer Widerspruchsregelung, die regelmäßigen Aufklärungspflichten der gesetzlichen Krankenkassen entfallen zu lassen. Der Gesetzentwurf basiere auf dem Motto, die Bürger möglichst gar nicht über das Thema aufzuklären und die Hürden für einen Widerspruch möglichst hoch zu hängen, behauptete Vogler. „Damit wäre der Freifahrtschein für die Organentnahme nach ihrem Tod ausgestellt.“
Lauterbach widerspricht: Spenderausweise behalten ihre Gültigkeit
Lauterbach wies die Vorwürfe zurück. Zwar sei noch unklar, ob es bei einer Widerspruchsregelung weiter Spenderausweise geben solle. Bestehende Dokumente behielten aber ihre Gültigkeit. Im übrigen zähle bei der Entscheidung über eine Organentnahme dann jeder Hinweis auf den Willen des Betroffenen. Wer seine Organe nicht spenden wolle, könne das genauso gut auf einem Zettel im Geldbeutel dokumentieren.
Tatsächlich findet sich im Gesetzentwurf der Spahn-Lauterbach-Gruppe auf Seite 17 die Passage: "Mit der Entscheidung, ein Register (...) einzuführen entfällt die Verpflichtung, Organspendeausweise zur Verfügung zu stellen. Anderenfalls würde das Gesetz zwei gleichrangige Möglichkeiten zur Dokumentation von Erklärungen zur Organ- und Gewebespende schaffen, die zu Unsicherheiten insbesondere mit Blick auf die Nachforschungspflichten führen. Zudem würden sich möglicherweise widersprechende Doppeldokumentationen veranlasst."
Der SPD-Experte bestritt auch, dass die man regelmäßige Aufklärungspflicht der gesetzlichen Kassen abschaffen wolle. „Das Gegenteil ist richtig, die Intervalle würden sogar noch verkürzt.“ Zusätzlich seien Aufklärungsaktionen der Bundeszentrale für gesundheitliche Bildung und eine einjährige Großkampagne unmittelbar nach der Gesetzesänderung geplant.
Im Gesetzentwurf heißt es dazu, die Widerspruchslösung erfordere "eine umfassende und kontinuierliche Aufklärung der Bevölkerung". Zuständig dafür seien "wie bisher die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie die Krankenkassen".
Spahns Experten wurden nicht rechtzeitig fertig
Anders als die Abgeordneten um Spahn und Lauterbach hat die Gruppe, die es bei der bisherigen Entscheidungsregelung lassen will, ihren Gesetzentwurf noch nicht präsentiert. Das liegt daran, dass Spahn angeboten hatte, die Gegenvorschläge von seinem Ministerium ebenfalls in Gesetzesform bringen zu lassen – und seine Experten bis zum Ende der vergangenen Woche noch nicht geliefert hatten. Die Abgeordneten um Heribert Hirte (CDU), Stephan Pilsinger (CSU), Annalena Baerbock (Grüne), Ulla Schmidt (SPD) und Kathrin Vogler (Linke) möchten, dass Organspenden auch künftig nur bei ausdrücklicher Zustimmung möglich sind. Eine Widerspruchsregelung wecke Ängste und senke das Vertrauen in die Organspende. Stattdessen sollte die Spendenbereitschaft der Bürger in regelmäßigen Abständen abgefragt werden – etwa bei der Beantragung des Personalausweises.
Geplant ist die Vorstellung dieses Gesetzentwurfes nun für den 6. Mai. Schließlich müsse man das vom Ministerium Gelieferte noch eingehend darauf prüfen, ob es dem politisch Gewünschten entspreche. Die Verzögerung sei „mehr als ärgerlich“, sagte Vogler. „Wir hatten uns auf Spahns Zusage verlassen, dass beide Entwürfe gleichzeitig veröffentlicht werden.“
Durch ihr Vorpreschen vor vier Wochen habe sich die Gruppe um Spahn und Lauterbach Vorteile gesichert und schon mal „medial punkten" können.