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Tote Tiere: Die Arbeit im Schlachthof ist unbeliebt. Die Arbeitsbedingungen sind oft schlecht.
© dpa
Exklusiv

Morgenlage aus der Hauptstadt: Linke warnt vor sozialer Spaltung über das Schnitzel

Dietmar Bartsch fordert Werkverträge-Verbot + Merkel beruft „Antifa-Kabinett“ ein + Zwei Drittel befürchten zweite Corona-Welle + „Systemrelevante“ Biene

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Wer will die Schlachter schützen? Hubertus Heil und Julia Klöckner. Heute entscheidet das Kabinett über ein entsprechendes Maßnahmenpaket. Die CDU-Landwirtschaftsministerin droht den Unternehmen schon mal mit höheren Bußgeldern, der SPD-Arbeitsminister spricht von „Ausbeutung“ und will mit den Verhältnissen „aufräumen“.

Denn in der Coronakrise ist das Schweinesystem wieder in den Fokus gerückt: Sechs-Tage-Woche mit 16-Stunden-Schichten sind für die Beschäftigten keine Seltenheit, die Sammelunterkünfte überfüllt und oft verdreckt, regelmäßig kommt es zu Verletzungen mit der Kettensäge. Und nun sind Deutschlands Schlachthöfe auch noch Corona-Hotspots geworden.

Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion
Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion
© Britta Pedersen/dpa

Gibt es da ein Recht auf Schnitzel? Diese Frage habe ich Linksfraktionschef Dietmar Bartsch gestellt. Hier exklusiv für die Morgenlage seine Antwort:

„Ich will keine soziale Spaltung über das Schnitzel. Eine gemeinwohlorientierte Agrarpolitik, in der Fleisch ein edles, aber kein Luxusprodukt ist, muss das Ziel sein. Arbeitsminister Hubertus Heil muss in Zusammenarbeit mit den Ländern für ordentliche Löhne und Arbeitsbedingungen sorgen. Werkverträge gehören hier verboten, die Vergabe an Subunternehmer zur Verschleierung von Arbeitsschutzvergehen unterbunden, die Arbeitszeit der Beschäftigten muss korrekt erfasst werden. Zudem muss die Bundesregierung per Gesetz den schäbigen Unterkünften, für die auch noch Wuchermieten verlangt werden, einen Riegel vorschieben.“

Wer beruft das „Antifa-Kabinett“ ein? Kanzlerin Angela Merkel. Unter ihrem Vorsitz kommt heute erstmals der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus zusammen – drei Monate nach dem rassistischen Anschlag in Hanau. Federführend sind auch Vizekanzler Olaf Scholz, Innenminister Horst Seehofer, Justizministerin Christine Lambrecht und Familienministerin Franziska Giffey.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, sagte vorab meinem Kollegen Matthias Meisner: „Rassismus ist der ideologische Nährboden für rechtsextremistische Gewalt." Seit Beginn der Pandemie werden übrigens asiatisch aussehende Menschen stark angefeindet. Sie werden verdächtigt, für die Covid-19-Ausbreitung verantwortlich zu sein – und beleidigt, bedroht, bespuckt. Ich finde daher, der Corona-Rassismus muss heute auch thematisiert werden.

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Wer fürchtet eine zweite Corona-Welle? Laut einer Umfrage etwa zwei Drittel. Knapp 30 Prozent halten sie in einer repräsentativen Civey-Umfrage für Tagesspiegel Background Gesundheit für sehr wahrscheinlich, rund 37 Prozent für eher wahrscheinlich. Starke Unterschiede sind je nach Parteizugehörigkeit festzustellen. Während CDU/CSU-Anhänger am häufigsten von einer zweiten Infektionswelle ausgehen (knapp 77 Prozent), sind FDP-Wähler am sorglosesten, von ihnen gehen nur 32 Prozent von einer neuen Welle aus.

Bei Menschen, die angaben, AfD wählen zu wollen, sind es knapp 38 Prozent. Bei SPD und Grünen jeweils 74 Prozent sowie bei der Linken 70 Prozent. Das politische Berlin sollte die Zahlen im Hinterkopf behalten – beispielsweise in der Debatte darüber, wann wer wohin in den Urlaub fahren kann.

Hintergründe zum Coronavirus:

Welches Tier ist systemrelevant? Die Biene. Das formuliert Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner so. Anlässlich des heutigen Weltbienentags erklärt sie: „Die Biene ist ein Tausendsassa, sie ist systemrelevant – geht es ihr gut, geht es uns allen gut.“ 80 Prozent der heimischen Pflanzen seien auf sie angewiesen. Nach Schätzungen der Universität Hohenheim beträgt der ökonomische Wert der Bestäubung weltweit 70 bis 100 Milliarden Euro, in Deutschland etwa 2,5 Milliarden Euro.

Bedroht wird der Wirtschaftsfaktor Biene aber von Tausenden Tonnen an Pestiziden, die die Landwirtschaft jedes Jahr aufs Neue verteilt. Und das auch weiterhin will – mit dem grundsätzlichen Segen der Ministerin. Dabei könnte sie doch hier mal einen Feldversuch wagen, wie der Einsatz von Pestiziden schneller gestoppt werden kann.

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