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Ein ordentlicher Schluck aus der Pulle? Finanzminister Christian Lindner legt jedenfalls eine Milliarden-Rücklage für Investitionen an.
© Michael Sohn /Pool/AFP

Spielraum für Investitionen: Lindner plant 60 Milliarden Schulden

Der neue Bundesfinanzminister legt los mit einem Nachtragshaushalt – in dem ein Puffer für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung aufgebaut wird.

Die Ampel-Koalition will offenbar den Verschuldungsspielraum im laufenden Bundeshaushalt voll ausschöpfen. Um eine kreditfinanzierte Rücklage für die kommenden Jahre aufbauen zu können, wird Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dem Kabinett am Montag einen zweiten Nachtragshaushalt für 2021 vorlegen. In diesem ist vorgesehen, Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro auf den Energie- und Klimafonds (EKF) zu übertragen.

Dieses Sondervermögen besteht seit 2010 und dient bisher dazu, Mittel zum Ausbau erneuerbarer Energien, zur Förderung der Gebäudesanierung oder der Elektromobilität und zur Finanzierung weiterer klimapolitischer Programme bereitzustellen. Die neue Regierung hat vereinbart, dieses Instrument – demnächst unter dem Namen Klima- und Transformationsfonds (KTF) – mit deutlich mehr Geld auszustatten, um die angekündigte Investitionsoffensive zu stützen.

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Lindner bezeichnete diesen Schritt als einen „Booster“ für die Wirtschaft. „Wir wollen Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung langfristig sichern“, sagte er. Die noch von der großen Koalition beschlossene maximale Kreditaufnahme in Höhe von 240 Millionen Euro soll nicht überschritten werden. Bisher sind davon etwa drei Viertel in Anspruch genommen worden, um pandemiebedingte Steuerausfälle und Mehrausgaben zu finanzieren. Die Ampel will nun mit den restlichen 60 Milliarden Euro ein Investitionspolster im Rahmen des KTF aufbauen.

Kritik wird gekontert

Daran hatte es zuletzt Kritik gegeben, unter anderem vom Bundesrechnungshof – mit der Begründung, dass diese Nutzung der Kreditermächtigungen nicht direkt mit der Bekämpfung der Pandemie zusammenhänge. Die Schuldenbremse im Grundgesetz verlangt, dass neue Kredite im Rahmen der Ausnahmeregel für Notsituationen nur dazu dienen dürfen, Ausgaben zu finanzieren, die direkt mit dieser Notlage zusammenhängen. Finanziert werden sollen nun aber Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung in den kommenden Jahren.

[Lesen Sie dazu bei Tagesspiegel Plus: Die neue Ampel-Finanzpolitik]

Im Bundesfinanzministerium geht man davon aus, dass das Vorgehen der neuen Koalition dennoch verfassungskonform ist. Es wird darauf verwiesen, dass es schon 2020 in der schwarz-roten Koalition einen Zuschuss von 27 Milliarden Euro an den EKF gegeben habe, der damals von der Union mitgetragen worden sei – ohne dass verfassungsrechtliche Zweifel laut geworden wären. Zudem dienten die nun vorgesehenen 60 Milliarden Euro dazu, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie auszugleichen. Diese habe zu einer Konjunkturkrise geführt, die es rechtfertige, die Kreditermächtigungen in diesem Jahr so einzusetzen. Ab 2023 will die Ampel-Koalition die Schuldenbremse wieder ohne Nutzung der Ausnahmeregeln einhalten.

Wird die Schuldenbremse verletzt?

Auch ein Urteil des Verfassungsgerichts in Hessen gilt im Bundesfinanzministerium nicht als Hindernis. Dort wurde eine ähnliche Konstruktion – Schulden auf Vorrat – der schwarz-grünen Landesregierung unlängst von den Richtern als verfassungswidrig eingestuft. Dagegen wird im Lindner-Ressort darauf verwiesen, dass das Gericht in Hessen nicht zuletzt gerügt habe, die parlamentarischen Kontrollrechte würden nicht berücksichtigt, zudem sei das Geld nicht konkret genug verplant worden. Die Ampel-Koalition will dagegen in einem Wirtschaftsplan für den KTF die Verwendung demnächst im Detail festlegen.

Dass Lindner dennoch mit einem Verfahren in Karlsruhe kalkuliert, machte am Freitag eine Äußerung des neuen Finanzministers deutlich: Er verwies auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März, in dem das Klimaschutzgesetz als zu wenig nachhaltig bezeichnet worden war. Offenbar geht Lindner davon aus, dass die Entscheidung, eine kreditfinanzierte Rücklage nicht zuletzt für mehr Klimaschutz anzulegen, vor dem Hintergrund dieses Urteils in Karlsruhe nicht als missbräuchliche Umgehung der Schuldenbremse eingestuft würde. 

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