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Olaf Scholz' Zurückhaltung stößt bei Ampel-Parlamentariern auf Unverständnis.
© IMAGO/Jens Schicke

„Wir wissen nicht, warum Scholz zögert“: Liefert der Bund schwere Waffen? Der Druck auf den Kanzler wächst

Ampel-Politiker drängen, der Ukraine schwere Waffen zu liefern. Doch Kanzler Olaf Scholz ist zurückhaltend. Hinter den Kulissen herrscht Unverständnis.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann drängt. Die FDP-Verteidigungspolitikern erzählt am Mittwoch von ihrer Reise in die Ukraine, die sie mit zwei Ampel-Kollegen angetreten hat. Im westukrainischen Lwiw haben sie sich am Dienstag mit ukrainischen Parlamentarierinnen getroffen, verletzte ukrainische Soldaten im Krankenhaus besucht und die durch russischen Raketenangriff zerstörten Öldepots besichtigt. Jetzt sagt Strack-Zimmermann: „Wir müssen schwere Waffen liefern. Das muss dringend aus dem Kanzleramt heraus koordiniert werden.“ 

Die Äußerung Strack-Zimmermanns zeigt, was sich in den vergangenen Tagen bereits abzuzeichnen begann: In den Parteien der Ampel-Koalition wächst die Unterstützung für die Lieferungen schwerer Waffen wie beispielsweise Kampfpanzer. Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf Kanzler Olaf Scholz. Nach wie vor ist er zurückhaltend. Hinter den Kulissen herrscht Unverständnis und Unmut.

Unmut herrscht auch beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der am Mittwochabend konkrete Waffen nannte, die sein Land nun brauche.

„Man erwartet eben noch sehr viel mehr von uns“

Der Besuch der drei Parlamentarier befeuert die Debatte weiter. Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ist, Michael Roth (SPD), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, und Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Europaausschusses, sind die hochrangigsten deutschen Politiker, die seit Kriegsbeginn in die Ukraine gereist sind. Alle drei sind der Überzeugung, dass Deutschland mehr tun muss, um zu helfen.

Ein Schützenpanzer der Bundeswehr vom Typ Marder - ohne Ausbildung ist das Gerät nicht zu bedienen.
Ein Schützenpanzer der Bundeswehr vom Typ Marder - ohne Ausbildung ist das Gerät nicht zu bedienen.
© picture alliance/dpa

Hofreiter äußert seinen Unmut über den Kanzler deutlich. „Unsere Minister drängen darauf, dass endlich geliefert wird. Die arbeiten intensiv daran“, sagt er. „Wir alle wissen nicht, warum Olaf Scholz so zögert.“ Der außenpolitische und europapolitische Schaden werde mit jedem Tag größer.

Im Gespräch mit den ukrainischen Parlamentarierinnen haben Hofreiter, Roth und Strack-Zimmermann ein recht genaues Bild davon bekommen, welche Erwartungen die Ukrainer an Deutschland haben. „Man sieht uns in der Ukraine als führendes Land in der EU. Man erkennt dort durchaus an, was Deutschland bereits geleistet hat“, berichtet Roth. „Aber man erwartet eben noch sehr viel mehr von uns.“ Das beziehe sich auf die Lieferung schwerer Waffen, ein Öl-Embargo und eine klare EU-Perspektive für die Ukraine. „Dabei könnte Deutschland eine Patenschaftsrolle übernehmen, um der Ukraine den Weg in die EU zu ebnen.“

„Hier zählen Tage“

Ein Problem ist, dass etwa für die Benutzung von schwerem Gerät wie Marder- oder Leopard-Panzern monatelanges Training nötig ist – gegen die jetzige russische Offensive im Osten würde das Material also nicht helfen. Im Umgang mit sowjetischen Waffensystemen haben die ukrainischen Soldaten dagegen Erfahrung. „Wir müssen versuchen, russisches und sowjetisches Material auf der ganzen Welt zusammenzukratzen, das die Ukrainer sofort einsetzen können“, sagte Hofreiter. Mittelfristig könne man der Ukraine auch modernes Gerät liefern. „Die Ukraine hat bereits Trainings aufgebaut, damit ihre Soldaten künftig in der Lage sind, das zu bedienen.“

[Lesen Sie hier bei Tagesspiegel Plus: Warum sich Deutschland bei Waffenlieferungen schwer tut.]

Auch Strack-Zimmermann weist darauf hin, dass gerade für die Marder-Panzer eine Einweisung nötig ist. Sie schlägt deshalb vor, schwere Waffen aus osteuropäischen Nato-Partnerländern an die Ukraine zu liefern. Deutschland könne den Partnern dann Ersatz liefern.

Ihr Kollege Roth betont, die internationale Gemeinschaft müsse der Lieferungen schwerer Waffen „auf die Tube“ drücken. „Hier zählen Tage.“ Roth sagt auch: „Es darf international nicht der fälschliche Eindruck entstehen, wir stünden permanent auf der Bremse und seien nicht bereit zu helfen.“

Für Scholz dürfte es in den nächsten Tagen schwer werden, seine Zurückhaltung noch länger aufrecht zu erhalten. Auch Außenministerin Annalena Baerbock und der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatten sich bereits für die Lieferung schwerer Waffen ausgesprochen.

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