Brief an die Bundeskanzlerin: Liebe Frau Merkel, das hier hätten Sie im Fall Böhmermann sagen können
Die Entscheidung im Fall Böhmermann stand der Bundesregierung frei, schreibt Rechtsanwalt und Kolumnist Heinrich Schmitz. Aber nicht mit dieser Begründung. Brief an Angela Merkel.
Liebe Frau Merkel,
Sie hatten die freie Wahl. Sie konnten entscheiden, wie es Ihnen in den Sinn kam. Sie hätten Ihre Entscheidung nicht einmal begründen müssen. Eine Vorschrift aus der Kaiserzeit erwartet keine Begründung der Regentin, nur eine Entscheidung.
Nun habe Sie sich 7 Tage Zeit gelassen und entschieden. Hätten Sie es dabei belassen, ich hätte die Entscheidung verstehen können und sie vermutlich sogar verteidigt. Aber Sie meinten ja, noch etwas dazu sagen zu müssen, u.a.:
"Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen. In ihm bedeutet die Erteilung einer Ermächtigung zur Strafverfolgung des speziellen Delikts der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten weder eine Vorverurteilung des Betroffenen noch eine vorgreifende Entscheidung über Grenzen der Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit, sondern lediglich, dass die rechtliche Prüfung der unabhängigen Justiz überantwortet wird und nicht die Regierung, sondern Staatsanwaltschaften und Gerichte das letzte Wort haben werden."
Ach ja, das klingt so staatstragend und vernünftig, so irre rechtsstaatsorientiert, dass man sich ein paar sanfte Cellotöne dazu vorstellt. Hätten Sie an dieser Stelle geendet, wären Sie weise gewesen. Aber dann kam ja noch der letzte Absatz Ihrer Erklärung:
Darüber hinaus möchte ich Ihnen mitteilen, dass unabhängig von diesem konkreten Verfahren die Bundesregierung der Auffassung ist, dass § 103 StGB als Strafnorm zum Schutz der persönlichen Ehre für die Zukunft entbehrlich ist. Wir werden deshalb einen Gesetzentwurf zu seiner Aufhebung vorlegen. Der Gesetzentwurf soll noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden und 2018 in Kraft treten. Vielen Dank.“
Ja, vielen Dank auch. Was ist das denn für ein Unfug? Sie erkennen, dass da ein Gesetz im StGB herumgammelt, das kein Mensch braucht. Das ist sehr schön. Dafür sollten wir dem übererregbaren Ehrbären vom Bosporus auch herzlich danken. Ohne dessen Strafersuchen wäre Ihnen dieser Mumpitzparagraph genauso wenig aufgefallen wie mir oder den meisten anderen Juristen. Aber, Sie haben erkannt, der Paragraph ist keine Kunst, der kann weg.
Und dann? Dann schieben Sie die Abschiebung des Kim/Erdogan/Wüterich-Paragraphen ins Jahr 2018. Wieso das denn? Ist der solange noch haltbar. Steht das auf der Verpackung und werfen wir vorher nichts weg?
Wenn Sie erkannt haben, dass der Paragraph auf den Müll gehört, dann bitte gleich. Nächste Woche wäre doch nett. Und dann hätten Sie dem wilden Mann aus Ankara freundlichst und mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht und der wippenden Raute zwischen, ach egal, erklären können:
„Wir halten die Vorschrift für antiquiert und werden sie schnellstmöglich, noch innerhalb der nächsten Wochen abschaffen. Daher verweigern wir auch die Ermächtigung zur Strafverfolgung. Selbstverständlich mischt sich die Bundesregierung nicht in die Ermittlungen wegen Beleidigung nach § 185 StGB, wie bei Hinz und Kunz, ein. Wir sind sicher, Sie machen uns trotzdem weiterhin den treuen Euro-Türsteher”.
Mit besten Grüßen
Heinrich Schmitz
Der Autor ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. Sein Kommentar erschien zuerst auf dem Debattenportal "Die Kolumnisten".
Heinrich Schmitz