Facebooks Digital-Währung: Libra macht Nutzer-Daten noch viel kostbarer
Mit Libra wird Facebook bald sogar wissen, wofür die Nutzer ihr Geld ausgeben. Die Politik muss hier die Macht des Konzerns klar beschränken. Eine Analyse.
Was Facebook mit seiner geplanten Digitalwährung Libra vorhat, hat 1999 bereits der Chef eines anderen Unternehmens skizziert: Man wolle das „Microsoft der Bezahlsysteme“ und das „finanzielle Betriebssystem der Welt“ erschaffen, erklärte damals Peter Thiel. Er sprach dabei über einen Dienst namens Paypal, den er gerade auf den Markt gebracht hatte. Tatsächlich wurde Paypal zu einem der beliebtesten Bezahlsysteme im Internetzeitalter, und Thiel war später der erste große Geldgeber für Facebook. Nun soll die Vision von damals mit Libra endgültig verwirklicht werden. Es ist kein Zufall, dass David Marcus, der Leiter des Libra-Projekts, vor seinem Wechsel zu Facebook Chef von Paypal war.
Doch die weitreichenden Unternehmenspläne rufen auch zahlreiche Staaten auf den Plan. Von Donald Trump bis Olaf Scholz haben Politiker in den vergangenen Tagen ihre Bedenken geäußert. Gerade diskutieren die G7-Finanzminister bei ihrem zweitägigen Treffen in Frankreich darüber, wie man mit den Facebook-Plänen umgehen sollte. „Wir wollen nicht, dass Privatunternehmen die Möglichkeit haben, eine souveräne Währung zu schaffen“, erklärte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire. Parallel wurde Libra-Chef Marcus im Bankenausschuss des US-Senats in die Mangel genommen. Als „verrückt“ bezeichneten Parlamentarier die Idee.
Eigentlich geht es um WeChat
Das ist sie allerdings nicht – im Gegenteil. Aus Sicht von Facebook und der anderen beteiligten Unternehmen wie Mastercard, Visa, Paypal oder Ebay ist der Schritt absolut naheliegend, eine eigene Bezahlfunktion in Dienste wie WhatsApp zu integrieren. Nutzer können sich damit bequem per Fingertipp Geld hin- und her senden, und da keine Transaktionsgebühren an Banken oder andere Dienstleister anfallen, lohnt sich das auch für Kleinstbeträge. Darüber hinaus können zahlreiche andere Dienstleistungen mit Bezahlfunktion einfach integriert werden. Facebooks Vorbild ist dabei die so genannte chinesische „Super-App“ WeChat: Mit dem Messenger bestellen Chinesen Essen und Taxis, bezahlen Rechnungen und buchen Termine. Ein westliches Pendant dazu anzubieten, ist der eigentliche Plan hinter der Offensive von Facebook.
Auch wenn Libra offiziell als Kryptowährung firmiert, ist das Projekt viel eher ein Bezahlsystem. Es hat mehr Ähnlichkeiten mit PayPal, als mit Bitcoin. Während letzterer ein dezentrales System ist, an dem sich jeder Nutzer beteiligen kann, liegt die Kontrolle des Facebook-Coins bei einer Handvoll Unternehmen, die in der Libra Association zusammen geschlossen sind. Zu ihnen gehören neben den großen Kreditkartenunternehmen auch Vodafone, Booking, Uber oder Spotify.
Die Politik könnte handeln
Damit hat Facebook neben den eigenen zwei Milliarden Nutzern gleich noch eine deutlich größere Basis, die dafür sorgen dürfte, dass Libra nach dem geplanten Start im nächsten Jahr schnell eine große Verbreitung findet – wenn die Politik das nicht noch verhindert. Die Möglichkeiten dazu hätte sie, denn hinter Libra stehen bekannte Personen, die notfalls haftbar gemacht werden können. Im Gegensatz dazu lassen sich echte Kryptowährungen wie der Bitcoin durch ihre dezentrale Struktur kaum verbieten. Daher wirkt die zuletzt beispielsweise vom deutschen Finanzminister Scholz genannte Sorge vor Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung vorgeschoben: Beides geht mit Bitcoin oder Bargeld mindestens genauso gut.
Die eigentlichen Bedenken dürften sich um die weiter zunehmende Macht von Facebook drehen. Und genau deswegen ist es auch richtig, dass die Politik sich nun Libra ganz genau anschaut und dabei auch klare Grenzen und Bedingungen definiert. So hat Facebook versprochen, die Daten der Libra-Nutzer beispielsweise nicht für Werbung zu verwenden und mit anderen Informationen zusammen zu führen. Doch in diesem Punkt sind große Zweifel angebracht. Schon nach der WhatsApp-Übernahme hatte Facebook versprochen, keine Daten zusammen zu führen und es dann doch getan. Die Strafe der EU in Höhe von 110 Millionen Euro entspricht dem Gewinn von zwei Tagen.
Warum brauchen Banküberweisungen Tagen?
Bei Libra wäre der Wert der Daten noch viel höher. Facebook würde nicht nur wissen, was Menschen mögen, sondern auch wofür sie tatsächlich Geld ausgeben. Hier braucht es Verbote und Sanktionsandrohungen, am besten auf europäischer oder internationaler Ebene, die Facebook tatsächlich schmerzen würden. Bis hin zu einem nachträglichen Verbot oder der Abspaltung von Libra.
Zusätzlich sollten Politik, Notenbanken und etablierte Geldhäuser aber auch schnellstens selbst für zeitgemäße, digitale Zahlmöglichkeiten sorgen. Kein Mensch versteht, warum im Zeitalter von Paypal oder Apple Pay manche Überweisungen noch Tage brauchen und bei Geldgeschäften im Ausland horrende Gebühren anfallen. Libra wird da für viele eine willkommene Alternative sein. Das Risiko dabei noch mehr Daten abzugeben ist ein Preis, den manche dafür sicher bereitwillig zahlen.
Schon länger gibt es auch immer wieder Überlegungen, einen elektronischen Euro einzuführen, zuletzt forderte die Unionsfraktion einen E-Euro. Dafür wird es nun höchste Zeit. Zumindest den ersten Teil von Facebook-Chef Mark Zuckerbergs Leitspruch „move fast and break things“ – sei schnell und breche Regeln – sollten sich auch Politik und Notenbanken zu Herzen nehmen.