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Es wird langsam eng für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.
© Andreas Arnold/dpa

Ungereimtheiten bei Pkw-Maut: Letzte Ausfahrt U-Ausschuss

Andreas Scheuer gerät unter Druck. Er muss sich wegen der gescheiterten Pkw-Maut im Bundestag rechtfertigen. Die Opposition will „umfassend aufklären“.

Andreas Scheuer ist gut im Verkaufen und Verteidigen. Doch die Umstände, warum er voreilig milliardenschwere Verträge zur Erhebung und Kontrolle einer wackligen Pkw-Maut vergeben hat, werden ihm zunehmend gefährlich. Im Kampf gegen den Vormarsch der Anglizismen hat er jüngst seine Pressestelle in „Neuigkeitenzimmer“ umtaufen lassen (deutsch für „newsroom“) – und an Neuigkeiten mangelt es in dieser unendlichen Geschichte der gescheiterten Idee einer Pkw-Maut nun wahrlich nicht.

Scheibchenweise kommen immer neue Ungereimtheiten ans Licht, der Steuerzahler droht die Zeche zu zahlen, Rücktrittsforderungen gegen den Verkehrsminister Scheuer mehren sich. In einer ungewöhnlichen Allianz haben FDP, Linke und Grüne am Dienstag einen Untersuchungsausschuss des Bundestags beantragt, um Scheuer zu mehr Transparenz zu zwingen.

Der Ausschuss soll das Verhalten der Regierung und besonders des Verkehrsministeriums von 2013 an bei der Vorbereitung sowie der Vergabe und der schließlichen Kündigung der Betreiberverträge „umfassend aufklären“, wie es in dem Antrag heißt.
Fairerweise muss gesagt werden, dass es Horst Seehofer und Alexander Dobrindt waren, die einst das CSU-Lieblingsprojekt durchsetzten und Angela Merkel (CDU) zu einem Wortbruch zwangen. Denn im TV-Duell mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hatte sie 2013 gesagt: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“

Die Vorhersagen, dass eine verkappte Maut nur für Ausländer nicht mit EU-Recht vereinbar ist, sollten sich bestätigen. Mitte Juni kippte der Europäische Gerichtshof das ganze Vorhaben nach einer Klage Österreichs. Scheuers großes Problem: Er hatte voreilig die Mautverträge abgeschlossen, bevor Rechtssicherheit bestand. Die Abgabe sollte per Vignette auf Bundesstraßen und Autobahnen kassiert und inländische Autofahrer sollten durch eine geringere Kfz-Steuer für Mautzahlungen komplett entlastet werden.

Firmen werden Schadenersatzforderungen vorlegen

Der Abschluss der auf zwölf Jahre angelegten Mautverträge vor dem Urteil und die daraus resultierenden Schadenersatzforderungen der für Erhebung und Kontrolle vorgesehenen Firmen CTS Eventim und Kapsch sind das eine. Scheuer wird aber sogar vorgeworfen, dass ihm von Unternehmensseite angeboten worden sein soll, erst einmal das Urteil abzuwarten. Das weist Scheuer zurück.

Er ließ demonstrativ reihenweise Akten dem Bundestag zukommen, aber halt längst nicht alles. Zuletzt schickte das „Neuigkeitenzimmer“ nach Berichten über Geheimtreffen und fehlende Aufzeichnungen darüber eine Liste zu sieben Treffen mit den Betreibern, um zu beantworten, „welche Arbeitsgespräche Bundesminister Andreas Scheuer und sein zuständiger Staatssekretär Dr. Schulz mit den Mautbetreibern wann, wie, wo führten – und worum es dabei ging“. Zur Einsetzung des Ausschusses sagt Scheuer: „Ich werde alles daran setzen, aufzuklären, was noch offen wäre aus der Sicht der Parlamentarier.“ Bisher gibt es in der laufenden Legislaturperiode einen Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin und einen weiteren zu den teuren Beraterverträgen im Verteidigungsministerium in der Amtszeit von Ursula von der Leyen (CDU), die ab November die EU-Kommission führt.

Einer der Treiber des Maut-Ausschusses ist der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler. „Wir wollen wissen, wie ein Minister mit gesundem Menschenverstand Mautverträge in Höhe von zwei Milliarden Euro vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshof abschließen konnte, obwohl das Risiko, dass der EuGH sein Projekt kassieren würde, sehr hoch war“, sagt er. Zudem seien die Einnahmeprognosen schöngerechnet worden. Kindler wirft Scheuer Täuschungen und Tricksereien vor und fordert den Rücktritt. „Bundeskanzlerin Merkel muss sich fragen lassen, warum sie Andreas Scheuer noch nicht entlassen hat.“

Die Unternehmen werden bis Anfang 2020 ihre Schadenersatzforderungen auf den Tisch legen. Schätzungen der Opposition sprechen von 500 Millionen Euro. Das österreichische Unternehmen Kapsch Trafficom leidet erheblich unter dem Maut-Aus. Am Dienstag fielen die Aktien auf ein Vier-Jahres-Tief von 26 Euro. Das Unternehmen kappte seine Jahresziele, die Papiere stürzten um zehn Prozent ab.

Scheuer habe ohne Not massive und teure Fehlentscheidungen getroffen, sagt der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Oliver Luksic. Bis heute würden dem Bundestag wichtige Dokumente und Vermerke vorenthalten. „Er hat sich zudem in Widersprüche verstrickt und dabei wohl auch den Bundestag belogen.“ Kindler befürchtet, dass Scheuer es darauf anlegt, dass der Streit mit den Betreibern am Ende vor einem geheimen Schiedsgericht landet, ähnlich wie im Fall des Lkw-Mautbetreibers Toll Collect. Allein um das Verfahren zu eröffnen, müsse der Bund mindestens 1,5 Millionen Euro an Gebühren zahlen, dazu kommen lange Verfahren mit hohen Millionensummen für Anwälte. Daher sieht er den Ausschuss im Parlament als Vehikel, um reinen Tisch zu machen – zumal ein Schiedsverfahren die Steuerzahler noch teurer zu stehen kommen könnte.

Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus spricht dem Minister dagegen das vollste Vertrauen von CDU/CSU aus. „Der Stuhl von Herrn Scheuer, der wackelt natürlich nicht“, sagt Brinkhaus.

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