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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
© Christian Mang/AFP

„Lockerungsperspektive“ für Anfang März: Lauterbach sieht „Omikron-Welle unter Kontrolle“

Kritik am pandemiepolitischen Kurs weist der Gesundheitsminister zurück. Abermals wirbt er fürs Impfen und verweist dabei auf ein deutsches „Sonderproblem“.

Die Maßnahmen zur Eindämmung der massiven Corona-Welle mit der Omikron-Variante zeigen laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bisher die erwartete Wirkung. „Mit den hohen Fallzahlen hatten wir gerechnet“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Sie könnten noch bis auf 400.000 pro Tag steigen.

Das Ziel sei aber bisher erreicht worden, mit so wenig schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen durchzukommen. „Wir haben die Omikron-Welle gut unter Kontrolle“, sagte Lauterbach.

Die Sieben-Tage-Inzidenzen lägen jetzt im Schnitt bei 1000, bei Jüngeren teils bei 2000, in der Risikogruppe der Älteren, auf die es besonders ankomme, aber zwischen 200 und 300.

„Das ist unser Erfolg“, sagte Lauterbach. Dies gelinge durch die bestehenden Alltagsauflagen und Zugangsregeln wie 3G, 2G und 2G plus. „Das werden wir weiter machen“, sagte der Minister.

Zugleich verwies Lauterbach auf das „Sonderproblem“ Deutschlands mit einer im Schnitt sehr alten Bevölkerung. Zudem gebe es in der besonders gefährdeten Gruppe der Menschen ab 60 Jahre viele Ungeimpfte, beispielsweise viermal so viel wie in Großbritannien und dreimal so viele wie in Italien.

Vor diesem Hintergrund rief er insbesondere die Älteren dazu auf, sich boostern zu lassen und nicht auf neue Omikron-Impfstoffe zu warten. Die bisher verfügbaren Vakzine senkten das Risiko des tödlichen Verlaufs einer Infektion mit dem Virus nachweislich um 99 Prozent, sagte er.

„Omikron-Effekt“ auf Intensivstationen

Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, wies auf die Bedeutung der Krankheitslast in der gegenwärtigen Phase der Pandemie hin. Zwar steige die Zahl der Infektionen. Die sehr schweren Fälle seien aber relativ gering.

„Wir gewinnen mit jedem Tag Zeit“, sagte Wieler mit Blick auf zusätzliche Impfungen. Allerdings steige die Zahl der Krankenhaus-Einweisungen. Man steuere nun auf den Höhepunkt der Welle zu.

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Dies bestätigte auch der Intensivmediziner Christian Karagiannidis. Demnach ist auf den Intensivstationen mittlerweile ein deutlicher „Omikron-Effekt“ zu beobachten.

Zwar sei die Hospitalisierungsrate derzeit noch „akzeptabel“, dennoch zeigten sich die hohen Inzidenzen nun vermehrt auch in den Krankenhäusern, sagte der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters.

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Der Intensivmediziner warnte zudem: „Wir sollten nicht vergessen, dass Covid keine reine Lungenerkrankung ist, sondern eine Systemerkrankung, die insbesondere auch die Gefäße betrifft.“ Karagiannidis mahnte, auf den kommenden Winter müsse man sich bestmöglich vorbereiten. „Ich habe mehr Angst vor dem kommenden Winter als vor diesem.“ Er sei aber „guter Dinge“, dass dies mit Lauterbach und Wieler gelinge.

Neue PCR-Test-Verordnung in Aussicht

Angesprochen auf eine allgemeine Impfpflicht, über die der Bundestag in dieser Woche erstmals debattiert hatte, erwiderte Lauterbach, dass diese schnell kommen müsse, um die Impflücken bis zum Herbst zu schließen. „Wir wollen einen Rückfall im Herbst abwenden“, sagte Lauterbach.

Der Minister kündigte für kommende Woche Vorschläge zu Neuregelungen unter anderem zu Tests und der Verfolgung von Kontaktpersonen an. Dazu liefen noch enge Abstimmungen mit den Ländern.

Die neu erarbeitete Testverordnung sieht laut Lauterbach vor, PCR-Tests vorrangig für zwei Gruppen zu reservieren. Dies sei zum einen das Pflegepersonal, zum anderen Risikopatienten wie alte Menschen. Hier sei eine frühe Diagnose wichtig, um neue Medikamente anzuwenden, die frühzeitig eingesetzt werden müssten.

Die umstrittene Verkürzung des Genesenen-Status nach einer Corona-Infektion von sechs auf drei Monate verteidigte Lauterbach erneut als „sinnvoll“. „Bei Omikron haben wir das Problem, dass derjenige, der sich an der Delta-Variante infiziert hatte, sich schon nach drei Monaten an Omikron infizieren kann“, erklärte er. Der Genesenen-Status für sechs Monate sei mit Blick auf die nicht gebannte Infektions- und Ansteckungsgefahr „nicht sicher“, sagte Lauterbach.

Es habe zu dieser Entscheidung auch „keinen Dissens“ zwischen seinem Ministerium und dem Robert Koch-Institut gegeben, bekräftigte Lauterbach als Reaktion auf mehrere Nachfragen von Journalisten zu der umstrittenen Herabstufung des Genesenen-Status durch das RKI auf drei Monate.

Lauterbach räumte ein, dass es hier zwischen dem RKI und seinem Hause ein „Kommunikationsproblem“ gegeben habe. Er sei in die neue Festlegung des RKI zum Genesenen-Status „nicht einbezogen“ gewesen, erklärte er. In Zukunft werde man sich vorher „gemeinsam Gedanken machen“, wie eine solche Status-Änderung kommuniziert werden könne. „Wir haben die Kommunikationswege jetzt einvernehmlich verbessert.“

Inhaltlich sei die Entscheidung aber richtig, bekräftigte Lauterbach. Deutschland setze sich auch dafür ein, dass der Genesenenstatus auf EU-Ebene auf drei Monate verkürzt werde.

„Lockerungsperspektive“ für Anfang März

Den Rufen nach Lockerungen von Corona-Auflagen erteilte Lauterbach eine Absage. Er bleibe bei dem „konservativen Kurs“, sagte der SPD-Politiker. Der Zenit der Omikron-Welle sei noch nicht überschritten.

Wenn beispielsweise ein Gericht eine Regel kassiere oder ein Land sich mit Öffnungen profiliere, müsse er damit leben. Lauterbach betonte aber: „Ich begrüße die Lockerungen nicht.“ Auch wenn Nachbarländer wie Dänemark gerade anders vorgehen, sei das dort so. „Aber das sind nicht wir.“

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Der Minister verwies zugleich auf Vereinbarungen von Bund und Ländern, Öffnungen in Aussicht zu stellen, wenn die Welle gebrochen sei. Dies bedeute, dass es eine „Lockerungsperspektive“ für die zweite Februarhälfte oder Anfang März geben könne. Mit Blick darauf sei Deutschland gerade „einigermaßen gut auf dem Weg unterwegs“.

Zur Situation an Schulen sagte Lauterbach: „Je besser wir die Welle in der Gänze begrenzen, desto schneller und besser kommen wir auch für die Kinder durch.“ Es werde an vielen Stellen in Schulen noch getestet, sonst wüsste man auch gar nicht, wie viele Fälle es gibt. Hierfür seien Antigen-Schnelltests gut, weil man Ergebnisse sofort habe und nicht erst später nach der Auswertung von PCR-Tests.

Generell gelte es, konsequent Masken zu tragen, nach jeder Stunde zu lüften und positiv getestete Kinder sofort zu isolieren. Insofern habe man nicht die Kontrolle verloren, das Problem sei aber, dass die Fallzahlen so hoch seien.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg laut Robert Koch-Institut (RKI) weiter auf nun 1073,0 nach 1017,4 am Vortag. Die Gesundheitsämter meldeten 190.148 neue Fälle innerhalb eines Tages. Dabei dominiert die neue, ansteckender Omikron-Variante klar: In Meldedaten der Bundesländer betrug der Anteil laut RKI in der vergangenen Woche 96 Prozent. (dpa, epd, Reuters)

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