Polizei warnt vor „Gefährdung“: Lauterbach sagt Arztdienst und Impfung in Impfzentrum ab
Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach ist Hass und Drohungen ausgesetzt. Der „Einfluss radikaler Minderheiten“ verhindert jetzt einen Einsatz in Leverkusen.
Als Karl Lauterbach letztens im Bundestag der Rede von AfD-Fraktionschefin Alice Weidel folgte, die in der Coronakrise einen täglichen Verfassungsbruch und eine Ausschaltung des Bundestags wittert, merkte er danach an, deren Anhänger würden auch ihn und seine Familie jeden Tag bedrohen. Im Büro des SPD-Gesundheitsexperten geht aktuell viel Arbeitszeit für das Verfolgen von Anzeigen drauf. Auch Virologen wie Christian Drosten erhalten immer wieder Einschüchterungs- bis hin zu Morddrohungen, einige treten öffentlich kürzer, sagt Lauterbach.
Nun wollte er eigentlich helfen und ein Zeichen setzen. Ab dem 26. Februar waren Einsätze als Impfarzt im Leverkusener Impfzentrum geplant, dort ist sein Wahlkreis. „Ich werde mich dort, wie alle Mitglieder des Impfzentrums, natürlich mit Astrazeneca impfen lassen“, hatte er dem Tagesspiegel gesagt. Er wolle damit ein klares Bekenntnis abgeben, dass es „ein sicherer und guter Impfstoff" ist, betonte er mit Blick auf den Impfstoff, der einen schweren Stand in Deutschland hat.
Sofort gab es hasserfüllte Kommentare, die gemäßigten betonten, Lauterbach wolle sich vordrängeln, typisch Politiker halt. Wer ihn näher kennt weiß, dass ihm damit unrecht getan wird. Aber der Ton wird rauer, Sicherheitsbehörden sind nach einem Jahr Pandemie und mehrmonatigem Lockdown gerade über die zunehmende Radikalisierung im rechten und rechtsextremen Spektrum besorgt.
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Nun wird Lauterbach erstmal nicht impfen und geimpft. „Leider hat es schon im Vorfeld so viele angekündigte Proteste gegen das Leverkusener Impfzentrum gegeben, dass ich den Start erst einmal absagen muss. Polizei und Sicherheitsbehörden sahen Gefährdung“, twitterte er am Freitag. Da er weder „die großartigen KollegInnen noch den Betrieb des Zentrums gefährden“ wolle, nehme er sich zurück“. Weiter schrieb Lauterbach: „Es ist allerdings schade, wie stark der Einfluss radikaler Minderheiten auf unser Handeln jetzt wächst.“
Im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagte der SPD-Politiker, dass er vom Sozialdezernenten der Stadt auf eine mögliche Gefährdung hingewiesen worden sei, auch vom Bundeskriminalamt habe es Hinweise auf eine Gefährdungslage gegeben. „Die Impfgegner werden immer radikaler“, sagte Lauterbach.
Die Sprecherin der Stadt Leverkusen teilte mit, die Polizei habe in einer Sitzung des Krisenstabes darauf aufmerksam gemacht, „dass ein möglicher Polizeieinsatz (ggf. Demonstrationen durch Querdenker) nicht ausgeschlossen werden könne“. Vor dem Hintergrund der Sicherheitsbedenken sowie angesichts der Gefahr, dass es im Falle von Zwischenfällen am Impfzentrum zu Einschränkungen im Betriebsablauf des Impfzentrums kommen könnte, sei an Lauterbach die Empfehlung ausgesprochen worden, auf den Impftermin zu verzichten.
Lauterbach will sich von Hass und Drohungen nicht beirren lassen
Der Epidemiologe wird angefeindet, weil er seit Beginn der Pandemie für einen harten Kurs eintritt, er hat Einfluss auf die Linie der SPD, berät sich auch immer wieder mit Kanzlerin Angela Merkel. Lauterbach hat mit vielem Recht behalten. Bei aller inhaltlichen Kritik, die es an seinen Positionen geben kann: Er argumentiert stets auf Basis von Fakten, liest die neuesten Studien und sieht seine Rolle als Kommunikator in einer komplizierten Krise.
Letztens tauchte dennoch am Berliner Teltowkanal auch ein Graffiti mit Lauterbachs Gesicht auf, übersät mit hineingeschossenen Spritzen, auf einer stand „Verschwörungsscheiße“. Für die Gegner der Maßnahmen ist er ein Feindbild, wie Drosten taucht sein Konterfei auf deren Demos auf, eingehüllt in schwarz-weiße Sträflingsanzüge.
Lauterbach hatte erst kürzlich noch einmal öffentlich gemacht, dass er mit Hass und Drohungen überzogen wird. Er wolle sich davon aber nicht einschüchtern lassen. „Diese Menschen werden mich nicht zum Schweigen bringen“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Er wisse von Wissenschaftlern, die sich nach Drohungen im Netz deutlich vorsichtiger äußerten. „Das kann ich gut verstehen.“
Am Sonntag hatte Lauterbach getwittert: „Erneut rollt eine Hasswelle über mich im Internet, mit Morddrohungen und Beleidigungen, die schwer zu ertragen sind. Immer wieder Aufrufe zur Gewalt.“ Seine Bürotische seien voller Anzeigen.
Zuletzt hatte auch ein öffentlicher Konflikt zwischen Lauterbach und Bayern Münchens Cheftrainer Hansi Flick für Aufsehen gesorgt. Der Trainer des deutschen Fußball-Rekordmeisters hatte nach Kritik unter anderem an der Reise seines Vereins zur Club-WM in Katar gesagt: „So langsam kann man die sogenannten Experten gar nicht mehr hören, auch Herrn Lauterbach.“ Lauterbach bot Flick daraufhin ein Gespräch an, bei dem die beiden dann ihren Streit beilegten.