Länderfinanzausgleich: Lasst uns übers Geld reden
Jetzt beginnen die Verhandlungen über den Finanzausgleich. Es geht darum, den bestehenden Finanzausgleich, der noch bis Ende 2019 gilt, neu zu ordnen. Welche Interessen verfolgen die Länder und welche der Bund? Ein Überblick.
Die „Viererbande“ ist dahin. So hatte Peer Steinbrück, als er noch Finanzminister in Düsseldorf war, die vier großen Geberländer im Finanzausgleich genannt: Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen. Doch Düsseldorf zahlt nicht mehr. Jedenfalls nicht im Länderfinanzausgleich im engeren Sinn, also dem horizontalen Ausgleich der Länder untereinander, der über die Etats läuft und damit sichtbar ist. Nur im „unsichtbaren“ Ausgleich, der vorgelagerten Umsatzsteuerverteilung, ist NRW noch Zahlerland.
Doch die Interessen in Düsseldorf haben sich, auch wegen einer rapiden Schuldenzunahme durch das Landesbankdesaster, verändert. So marschiert die rot-grüne Regierung unter Hannelore Kraft nicht mehr mit Bayern und Hessen, die in Karlsruhe klagen und den Finanzausgleich kräftig umbauen wollen. Auch Baden-Württemberg hat die enge Bindung nach München und Wiesbaden etwas gelockert, seit Grün-Rot regiert. Wobei die Koalition in Stuttgart in sich etwas uneins ist: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sympathisiert mit bayerisch-hessischen Positionen und will die Südschiene erhalten, sein Finanzminister Nils Schmid (SPD) hat mit seinem NRW-Kollegen Norbert Walter-Borjans (SPD) eigene Vorstellungen entwickelt. Die sind fast identisch, offiziell aber gibt es die Achse Düsseldorf–Stuttgart nicht. So startet die einstige „Viererbande“ etwas geschwächt in die Verhandlungen um eine neue Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern, die jetzt beginnen. Es geht darum, den bestehenden Finanzausgleich, der noch bis Ende 2019 gilt, neu zu ordnen.
Vorerst recht einig kommt dagegen die „Zwölferbande“ daher. Offiziell nennt sie sich „Forum Finanzausgleich“ und umfasst alle Nehmerländer plus Hamburg. Doch dürften im Forum die Interessenunterschiede aufbrechen, wenn die Verhandlungen fortschreiten. Sachsen und Mecklenburg Vorpommern etwa, mit recht soliden Etats, haben beim Thema Altschulden (das zum Dreh- und Angelpunkt der Gespräche werden könnte) andere Ansichten als Schleswig-Holstein oder Sachsen-Anhalt. Den Osten wiederum trennt einiges von den schwächeren West-Ländern. Er hinkt bei den Steuereinnahmen weiter hinterher und will auch nach 2019 massive Wirtschaftsförderung, steht aber – dank Solidarpakt – bei der Infrastruktur recht gut da. Im Westen dagegen gibt es hier, nach über zwanzig Jahren Sonderförderung Ost, Nachholbedarf. Die Frage, wie vor allem die entsprechenden Bundesmittel verteilt werden, dürfte den Forums- Kreis belasten.
Die Befürchtung ist, dass der Bund in der vorentscheidenden Phase in eine zu starke Position kommt.
Der Ball liegt derzeit in der Länderhälfte, der Bund hält sich zurück. Die Ministerpräsidentenkonferenz berät am 13. März über das weitere Prozedere. Die machtbewussten Länderchefs wollen die ministerielle Fachebene ebenso draußenhalten wie die Parlamente. Das zeigt sich im Beschluss der Chefs der Staatskanzleien vom vorigen Donnerstag. Demnach soll die Reform des Finanzausgleichs bis zum Herbst in einer Arbeitsgruppe vorbereitet – und damit auch weitgehend festgelegt – werden. Außer den Chefs der Staatskanzleien sollen der Arbeitsgruppe auch Kanzleramtschef Peter Altmaier und „weitere Vertreter der Bundesregierung“ angehören. Auf Länderseite werden die Finanzminister nur „einbezogen“. Unter denen besteht daher eine gewisse Irritation; „ohne die Finanzminister geht es nicht“, meint einer aus der Runde. Die Befürchtung ist, dass der Bund in der ersten, vorentscheidenden Phase in eine zu starke Position kommt. Die Vertreter der Bundesregierung werden vorrangig aus dem Finanzressort von Wolfgang Schäuble kommen. „Altmaier bringt dann jedes Mal den Werner Gatzer mit, und der schmettert alles ab“, lautet die Klage in einem Land. Schäubles Staatssekretär gilt als knallharter Vertreter der Bundesinteressen. Zudem wird in Länderkreisen vermutet, dass Schäuble bei der Reform auf Zeit spielt, um am Ende den Zeitdruck zu nutzen.
Die Arbeitsgruppe unter Vorsitz Baden-Württembergs soll bis zum Herbst Empfehlungen für die Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzen erarbeiten und die „Einsetzung und Arbeit“ einer Reformkommission vorbereiten (wie sie auch im Koalitionsvertrag von Schwarz- Rot vereinbart ist). Die Kommission würde nach der Sommerpause starten. In ihr sollen jeweils 16 stimmberechtigte Vertreter aller Länder und des Bundes sitzen (ob Bundestagsmitglieder, Regierungsvertreter oder eine Mischung, ist unklar). Ohne Stimmrecht sind die Vertreter der Kommunalverbände und der Landtage vorgesehen. Bis Ende 2015 soll die Kommission einen Reformvorschlag unterbreiten, das Gesetzgebungsverfahren bis Ende 2016 abgeschlossen sein – bevor der Bundestag auf Wahlkampfmodus umschaltet.
Einig sind sich die Länder, dass der Bund vom gemeinsamen Steuerkuchen deutlich mehr bekommt, als ihm nach der Aufgabenverteilung im Grundgesetz zusteht. Es geht um einen Milliardenbetrag im mittleren zweistelligen Bereich. Dazu fordern die Länder laut einem Papier der Finanzministerkonferenz, dass die Solidarpaktmittel (also das Geld aus dem Soli-Zuschlag, das derzeit allein der Bund vereinnahmt) nach 2019 komplett „zur Lösung von gesamtstaatlichen Aufgaben in den Ländern eingesetzt werden“. Was das heißt? Unklar. Die hoch verschuldeten Länder wollen einen Altschuldentilgungsfonds (was die Südländer strikt ablehnen). Eine andere Idee ist, einen Infrastrukturfonds einzurichten, der das Geld nach Bedarf verteilt – was letztlich auf Hilfen für West-Länder mit angespannten Etats wie Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein hinausläuft. Bayern will nur die Hälfte der Soli-Mittel in diesen Fonds geben, die andere Hälfte soll für Steuererleichterungen der Bürger genutzt werden.
Bayern und Hessen wollen die „Stadtstaatenveredelung“ sogar abschaffen
Neben der Umsatzsteuerverteilung und der Altschuldentilgung wird es vor allem um den horizontalen Finanzausgleich zwischen den Ländern gehen. Hier sind vor allem zwei Punkte strittig. Zum einen die Einwohnerwertung, zum anderen die Kommunalfinanzen. Die Einwohnerwertung bevorteilt die Stadtstaaten, deren Einwohnerzahl beim Verteilen nach Köpfen mit 135 Prozent angesetzt wird. In den Flächenländern gibt es eine Art Konsens, dass über die Höhe zu reden sei – selbst in der „Zwölferbande“ wird nur das Prinzip verteidigt. Bayern und Hessen wollen die „Stadtstaatenveredelung“ sogar abschaffen und verweisen darauf, dass ein Drittel des gesamten Ausgleichsvolumens allein auf die Einwohnerwertung Berlins zurückgeht. Auch in Stuttgart und Düsseldorf werden dicke Fragezeichen gesetzt.
Die Kommunalfinanzen werden bisher zu 64 Prozent im Länderfinanzausgleich berücksichtigt. Die zwölf Forums-Länder, fast alle mit unterdurchschnittlich finanzstarken Kommunen, verlangen (mit Ausnahme Hamburgs, das reich ist) eine Ansetzung zu 100 Prozent. Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein- Westfalen dagegen sind sich einig, dass die Gemeindefinanzen mit deutlich weniger als 64 Prozent angerechnet werden. Sie beziehen sich auf die grundgesetzlich garantierte Eigenverantwortung der Kommunen. Der Länderausgleich dürfe daher nicht voll auf die Kommunalfinanzen zurückgreifen. Hier ist die „Viererbande“ also noch intakt. Gut möglich ist, dass sie sich im Verlauf der Verhandlungen wieder häufiger zusammenfindet.
Dieser Text erschien in der neuen Beilage "Agenda" des Tagesspiegels. Die "Agenda" erscheint jeden Dienstag in Sitzungswochen des Deutschen Bundestages in der gedruckten Ausgabe des Tagesspiegels sowie im E-Paper und liefert politischen Hintergrund aus dem Innenleben der Macht.