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Der designierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach im Reichstag in Berlin.
© dpa

Rede von Frank-Walter Steinmeier: "Lasst uns mutig sein!"

Nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten hielt Frank-Walter Steinmeier eine Rede vor der Bundesversammlung. Wir dokumentieren sie im Wortlaut.

"Herr Präsident, verehrte Mitglieder der Bundesversammlung, sehr geehrte Mitbewerber, meine Damen und Herren!
„Ihr macht mir Mut!“ Dieser Zuruf einer jungen Frau - damals vor zwei Jahren - der hat lange in mir nachgehallt, und ich möchte ihn heute an Sie weitergeben: Von Herzen danke ich Ihnen, den Mitgliedern dieser Bundesversammlung, für die Ermutigung, mit der Sie mich heute auf den Weg in das höchste Amt unseres Staates senden. Ihre Wahl erfüllt mich mit großer Freude, und mein großer Respekt vor diesem Amt, der bleibt.

Mein Respekt ist umso größer, weil Joachim Gauck hier im Saal ist: Ein Bundespräsident, der diesem Amt und ich füge hinzu, und unserem Land gut getan hat. Ein Präsident, der für die Freiheit spricht; und der das Glück der Freiheit mit jeder Faser verkörpert.
Ihnen, verehrter Herr Präsident, gilt mein, und ich bin ganz sicher: unser aller tiefster Dank!

Ich danke allen, die mich gewählt haben, für das Vertrauen. Und denen, die mich nicht unterstützt haben, denen gebe ich ein Versprechen: In gleichem Respekt vor allen demokratischen Parteien, vor Regierung und Opposition, in Respekt vor dem Vielklang der Stimmen in unserer Demokratie - werde ich dafür arbeiten, auch Ihr Vertrauen zu gewinnen.

Weil ich weiß, meine Damen und Herren: Wir leben in stürmischen Zeiten. Viele in unserem Land sind verunsichert. Die Welt - das hat der ein oder andere schon mal von mir gehört - scheint aus den Fugen. Aber viele fragen auch: Was ist eigentlich der Kitt? Der Kitt, der unsere Gesellschaft im Kern zusammenhält und vor allen Dingen: Hält dieser Kitt auch für die Zukunft noch?

Und andere fragen: Wenn die Welt unsicherer wird, und wenn unser Land mit dieser Welt so eng verflochten ist, was bedeutet das für unsere Sicherheit, für unsere Zukunft? Auch diese Sorgen spüre ich in unserem Land. Und, meine Damen und Herren, ich nehme sie ernst. Aber in meinen letzten Jahren als Außenminister habe ich auch etwas anderes erfahren: Dieses „Ihr macht mir Mut!“, das war eine junge Frau in Tunesien, die diesen Satz zu mir gesagt hat - eine Aktivistin, die sich in ihrer Heimat für Demokratie und Menschenrechte engagiert.

Und als sie diesen Satz sagte, da meinte sie gar nicht mich und auch nicht meine Delegation, sondern „Ihr macht mir Mut“, das heißt: unser Land. Deutschland war gemeint! „Ihr Deutschen macht mir Mut!“, war die Aussage dieses Satzes. Meine Damen und Herren: Ist es nicht erstaunlich – ist es nicht eigentlich wunderbar – , dass dieses Deutschland, „unser schwieriges Vaterland“, wie Gustav Heinemann es mal nannte, ist es nicht wunderbar, dass dies Land für viele in der Welt ein Anker der Hoffnung geworden ist? Wir machen anderen Mut – nicht weil alles gut ist in unserem Land. Sondern weil wir gezeigt haben, dass es besser werden kann! - dass es nach Kriegen Frieden werden kann; - und nach Teilung Versöhnung; - und dass nach der Raserei der Ideologien so etwas einkehren kann wie politische Vernunft; - dass uns vieles geglückt ist in unserem Land. An all das erinnert uns dieser Tag - der Tag der Bundesversammlung!

Als Theodor Heuss vor der ersten Bundesversammlung stand, da räumten die Menschen in Deutschland den Schutt von Krieg und Diktatur beiseite; da bauten sie Stein um Stein die Bundesrepublik auf - eine Demokratie, die damals nur auf dem Fundament des Westens festen Halt finden konnte.

Und, meine Damen und Herren, und wenn dieses Fundament anderswo wackelt, dann müssen wir umso fester zu diesem Fundament stehen! Als später Roman Herzog hier vor der Bundesversammlung stand, da war die deutsche Wiedervereinigung noch jung. Da wehte der Wind des Aufbruchs durchs Land – aber da gab es auch Ängste vor dieser neuen Zukunft. Doch die Lockrufe derer, die schon damals zündelten mit Fremdenfeindlichkeit und Ressentiments, die hat unsere Gesellschaft damals überwunden, und ich bin sicher, das werden wir auch heute.

Als Johannes Rau hier stand, da sah sich das geeinte Deutschland durch den Einsatz auf dem Balkan mit schwierigen außenpolitischen Entscheidungen konfrontiert. Mit einer neuen Verantwortung in der Welt, die bis heute noch weiter gewachsen ist, und die wir angenommen haben.

Meine Damen und Herren, wir haben vieles miteinander gemeistert, und nicht immer waren die Zeiten einfach. Und der Blick auf die Welt, insbesondere der auf Europa, der lehrt uns: Auch heute ist eine schwere Zeit - aber, meine Damen und Herren, diese Zeit ist unsere!

Wir tragen die Verantwortung. Und wenn wir anderen Mut machen wollen, dann brauchen wir selber welchen! Wir brauchen den Mut, zu sagen, was ist – auch was nicht ist… Wir müssen den Anspruch, Fakt und Lüge zu unterscheiden, diesen Anspruch müssen wir an uns selbst stellen. Das Vertrauen in die eigene Urteilskraft – dass ist das stolze Privileg eines jeden Bürgers, und sie ist Voraussetzung für jede Demokratie.

Wir brauchen den Mut, einander zuzuhören. Die Bereitschaft, das eigene Interesse nicht absolut zu setzen. Das Ringen um Lösungen in einer Demokratie nicht als Schwäche zu empfinden. Die Realität nicht zu leugnen, sondern sie verbessern zu wollen. Und wir brauchen den Mut, zu bewahren, was wir haben: Freiheit und Demokratie in einem vereinten Europa – dieses Fundament, dass wollen, dass müssen wir miteinander verteidigen! Es ist nicht unverwundbar – aber, ich bin fest davon überzeugt: es ist stark!

Nein, wir leben nicht auf einer Insel der Seeligen. Wir sind Teil einer Welt mit ihren Risiken und Risiken gibt es auch bei uns. Aber, meine Damen und Herren: kaum irgendwo auf der Welt gibt es mehr Chancen als bei uns! Und wer, meine Damen und Herren, wer wenn nicht wir, kann da eigentlich guten Mutes sein?

Deshalb, liebe Landsleute: Lasst uns mutig sein! Dann jedenfalls ist mir um die Zukunft nicht bange.

Herzlichen Dank! (Tsp)

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