„Man darf das sagen in einem freien Land“: Laschet hält Liefers #allesdichtmachen-Aktion für berechtigt
Nach ihrer Kritik an der Corona-Politik gibt es eine Hasswelle gegen Liefers und andere Prominente. Laschet sagt: „Von diesen 50 ist keiner AfD, ist keiner rechts.“
Die Videoclip-Aktion #allesdichtmachen, mit der mehr als 50 Schauspielerinnen und Schauspieler, die Corona-Politik in sehr drastischer Form kritisieren, spaltet seit Donnerstagabend Deutschland. Einer der prominentesten Teilnehmer von ihnen, Jan Josef Liefers, der im Zentrum einer Hasswelle im Netz steht und wie andere in die rechte Ecke gestellt wurde, erklärte am Freitagabend in der Talksendung „3 nach 9“ des Senders Radio Bremen seine Beweggründe.
Liefers beschrieb seine Intention in der Videoschalte so: „Es sollte ein ironischer und Corona-konformer Protest sein von Leuten, die sich im Moment glaube ich alle auf ihre Weise nicht sehr gut wiederfinden konnten – unter anderem auch in den Medien.“ Es sei darum gegangen, „Räume zu öffnen, wie man vielleicht im Fußball sagt“, erklärte der Tatort-Star weiter.
Dabei sprach Liefers in der Videoschalte auch den im Studio anwesenden CDU-Chef und Kanzlerkandidaten Armin Laschet an. „Sie haben von Transparenz gesprochen und davon, dass es kein ‚Weiter so‘ geben darf. Genau das fehlt mir, die Transparenz.“ Liefers äußerte sein Unverständnis: „Wie kommt eine Bundesregierung nach so vielen im Grunde halben, Viertel, ganzen, Dreiviertel-Lockdowns auf die Idee, es immer wieder zu machen?“
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Laschet reagierte auf die direkte Ansprache Liefers im Studio nach einem tiefen Seufzer. Er schob seiner Antwort vorweg, er wolle seine Worte deutlich abwägen. „Es ist ein sehr emotionales Thema. Ich glaube, dass es berechtigt ist, auch die anderen Opfer der Pandemie einmal zu nennen. Kinder, die oft nicht mehr in der Schule waren, die keine Chance haben, aus der Ferne zu lernen. Menschen, die in den Suizid gehen, weil sie mit der Situation nicht umgehen können. Alte, die in Altenheimen gestorben sind, weil keine Besucher mehr reindurften.“
Diese Gruppen müsse man auch erwähnen. Ihm sei deshalb immer das Abwägen zwischen Covid-19-Schäden und Schäden durch den Lockdown wichtig gewesen. „Jetzt sind die Maßnahmen richtig. Es gab aber auch Phasen, in denen wir die Grundrechtseingriffe zurücknehmen mussten und das als Öffnung diffamiert wurde“, sagte Laschet.
Zu der Aktion von #allesdichtmachen merkte Laschet an: „Man darf das sagen in einem freien Land. Man muss es nicht teilen. Man kann sagen, es ist geschmacklos, das mache ich nicht. Aber man kann das sagen.“ Laschet weiter: „Was ganz schlimm ist: Wenn jemand so was sagt, immer gleich sagen, das ist rechts. Von diesen 50 ist keiner AfD, ist keiner rechts.“
Es sei eben „berechtigt, auch die anderen Opfer der Pandemie zu nennen“. Wichtig sei: „Man muss auch in einer so angespannten Situation, in der das Land ist, in einem freien Land, auch eine andere Stimme haben!“ Gerade „in Krisensituationen“ sei „die Minderheitsmeinung, gerade von Künstlern und Intellektuellen, wichtig“. Die Forderung des SPD-Politikers und WDR-Rundfunkrats Garrelt Duin, die Zusammenarbeit mit Schauspielern wie Liefers und Ulrich Tukur zu beenden, nannte Laschet eine „unglaubliche Aussage“.
Liefers hatte zuvor betont, er sehe eine Lücke in der Diskussion: „Es gibt nicht nur auf der Seite der Erkrankten Trauer und Leid, sondern auch auf der Seite derer, die unter diesen Maßnahmen inzwischen nun wirklich anfangen zu leiden, die sehe ich nicht so richtig vertreten“ , sagte der 56-Jährige weiter. „Ich kenne einige Leute aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die wir gerade verlieren, die gehen weg.“ Für diese Leute gäbe es keine Stimme.
Ziel der Aktion #allesdichtmachen sei es gewesen, ihnen eine zu geben. „Das Bedürfnis bestand bei uns allen, die sich beteiligt haben, gleichermaßen.“ Das sei der Anlass für den gemeinsamen Aufruf gewesen. „Ansonsten verbindet uns nur wenig“, sagte der Liefers über die anderen Unterstützer. Jeder habe so seinen Punkt gehabt. „Ich habe mir einen ausgesucht, von dem ich auch wusste, dass es Gegenwind geben wird“ und sich Journalisten und zum Teil auch Kollegen „auf den Schlips getreten fühlen“. Aber es betreffe ihn ja auch. „Ich habe mich gefragt, für wen kann ich hier nützlich sein, wem kann ich eine Stimme, der vielleicht keine hat“, sagte Liefers.
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Der Schauspieler hatte sich in seinem Clip mit ironischem Unterton „bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben“, auf bedankt. Wissenschaftlern, die zu anderen Schlüssen kommen, als die beratenden Experten der Bundesregierung, dürfe man keine Bühne geben, betont Liefers in dem Satire-Video. „Schließlich wissen nur ganz wenige Spezialisten, was gut für uns ist“, sagt er weiter.
Während andere Teilnehmer sich inzwischen von der Aktion distanziert haben, sagte Liefers, er stehe dazu. Auf die Frage, ob er mit der Zustimmung aus AfD- und Corona-Leugnerkreisen gerechnet habe, antwortete er: „Ich habe nichts dagegen, wenn jemand sagt, das war die falsche Waffe. Ich finde den Punkt interessant, dass Ironie vielleicht nicht geeignet ist. Es war auf gar keinen Fall dazu da, rechte Schwurbler und Wirrköpfe zu munitionieren. Darum ging es überhaupt nicht.“ Allerdings finde er es schade, dass er als Kritiker der Maßnahmen „sofort ziemlich radikal in Ecken gepusht wird, in die man gar nicht gehört“.
Auf die Frage, wie es ihm gehe, sagte der sichtlich angefasste Liefers: „Das war natürlich ein turbulenter Tag. So reinzurasseln in so viele Rechtfertigungssituationen bin ich auch nicht gewohnt.“ Aber es gehe ihm gut, so der Schauspieler.
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Mehr als 50 prominente Schauspielerinnen und Schauspieler waren am Donnerstagabend mit einer Kampagne namens "#allesdichtmachen" an die Öffentlichkeit gegangen, die sich mit sehr kritischen Videoclips gegen die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie richtet. In jeweils kurzen Statements stellen sie die Maßnahmen ironisch stark übertrieben dar. Als Konsequenz forderten sie einen Lockdown für immer.
Einige Künstler haben sich mittlerweile von der Aktion wieder distanziert und teilweise ihre Videos gelöscht. Ulrike Folkerts etwa hat ihre Beteiligung an der Internetaktion #allesdichtmachen als Fehler bezeichnet. „Die Videos, die entstanden sind, wurden falsch verstanden, sind vielleicht falsch zu verstehen“, schrieb die „Tatort“-Kommissarin am Freitagabend auf Instagram. „Ich habe einen Fehler gemacht, ich war naiv genug zu glauben, mit meinen Kollegen*innen ein gewinnbringendes Gespräch in Gang zu bringen. Das Gegenteil ist passiert.“ Es tue ihr leid, „Menschen verletzt und vor den Kopf gestoßen zu haben“.
Die Corona-Maßnahmen bezeichnete Folkerts als „absolut richtig“. Sie sei weit davon entfernt, „Querdenkern und Rechten Argumente in die Hände zu spielen“, betonte sie. „Es ist furchtbar, dass man mir das unterstellt.“ Die Aktion sei „schief gegangen und unverzeihlich“.
Auch Schauspieler Richy Müller distanzierte sich inzwischen von der Aktion. „Ich musste feststellen, dass mein Video vielen Menschen wehgetan hat, die ich niemals kränken oder veralbern wollte“, sagte der 65-Jährige dem Nachrichtensender ntv. Er sei blauäugig gewesen. Dabei sei er indirekt sogar selbst betroffen: „Die Tochter meiner Frau ist mit Anfang 20 zu Beginn der Pandemie an Corona erkrankt. Und sie hatte ein halbes Jahr lang Probleme mit der Atmung.“
TV-Moderator Günther Jauch nahm die Schauspieler in Schutz. Es sagte am Freitagabend der „Jüdischen Allgemeinen“, er kenne einige der beteiligten Künstler seit langem persönlich: „Die sind jetzt todunglücklich über die Instrumentalisierung durch Coronaleugner und die AfD.“
Seiner Meinung nach hätten einige der Beteiligten auch besonders künstlerisch erscheinen wollen. „Die haben dann in ihren Wortmeldungen zweite und dritte Ebenen eingezogen, die viele nicht verstanden haben“, sagte Jauch: „Und wenn dann auch noch der Beifall von der falschen Seite kommt, wird es nochmal schwieriger.“
Auch die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot Guérot verteidigte am Samstag im Deutschlandfunk die Aktion. Die Videos hätten auf sie ironisch gewirkt, sagte die Professorin von der Donau-Universität Krems. Andere hätten die Clips als zynisch oder hämisch empfunden. Dass diese so unterschiedlich bewertet würden, liege an der allgemeinen Polarisierung in der Corona-Diskussion, erklärte Guérot. Sie betonte, die Kunst müsse auch in der größten Notlage frei sein. Sie halte die Kampagne für sinnvoll und legitim.