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Urteilsverkündung nach einem Jahr: Gegen alle acht Angeklagten werden hohe Haftstrafen verhängt.
© Sebastian Kahnert/AFP
Update

Prozess in Dresden: Lange Haftstrafen für rechten Terror der "Gruppe Freital"

Sprengstoffanschläge gegen Flüchtlinge und politische Gegner: Nach einem Jahr Prozess gegen Mitglieder der "Gruppe Freital" verhängt das Oberlandesgericht Dresden Haftstrafen bis zu zehn Jahren.

Im Prozess gegen die rechtextreme "Gruppe Freital" sind lange Haftstrafen verhängt worden. Die beiden Rädelsführer Timo S. und Patrick F. wurden zu zehn Jahren beziehungsweise neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil war damit hart dran an der Forderung der Anklage, wie der "Zeit online"-Reporter Tilman Steffen berichtete. Das Oberlandesgericht Dresden unter Vorsitz von Thomas Fresemann sprach sämtliche Beschuldigte der Bildung einer terroristischen Vereinigung schuldig und verhängte Gefängnisstrafen zwischen vier und zehn Jahren. Das Gericht sah bei sechs Angeklagten versuchten Mord und bei den anderen zwei die Beihilfe dazu als erwiesen an.

Der mit 20 Jahren jüngste Angeklagte Justin S. wurde zu vier Jahren verurteilt. Er hatte ein ausführliches Geständnis abgelegt und dabei auch Mitangeklagte belastet. Auch Patrick F. hatte vor Gericht gestanden, während Timo S. bis auf wenige Worte während des gesamten Prozesses schwieg.

Die einzige Frau in der Gruppe, die 29-jährige Maria K., wurde zu einer Gefängnisstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Die übrigen vier Verurteilten im Alter von 27, 30, 39 und 40 Jahren erhielten Freiheitsstrafen zwischen acht und fünf Jahren. Sie alle sitzen bereits seit November 2015 beziehungsweise Frühjahr 2016 in Untersuchungshaft.

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Sie fielen auf den Tag genau ein Jahr nach Beginn des Terror-Prozesses gegen die rechtsextreme Gruppe. Die acht Angeklagten werden für insgesamt fünf 2015 in Freital und Dresden verübte Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und politische Gegner verantwortlich gemacht.

Bundesanwaltschaft sieht "Signalwirkung" des Verfahrens

Bundesanwalt Joachim Hauschild zeigte sich nach der Urteilsverkündung erleichtert. "Wir fühlen uns durch das Urteil des Senats bestätigt, insbesondere in unserer Auffassung, dass es sich hier um eine terroristische Vereinigung mit zwei Rädelsführern handelt und dass der Anschlag auf die Wohnung von Flüchtlingen in der Wilsdruffer Straße vom Senat als versuchter Mord gewertet wird.". Vom gesamten Verfahren gehe eine "gewisse Signalwirkung" aus.

Das Hochsicherheitsgebäude in Dresden, das extra für den Prozess gegen die "Gruppe Freital" umgebaut wurde.
Das Hochsicherheitsgebäude in Dresden, das extra für den Prozess gegen die "Gruppe Freital" umgebaut wurde.
© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild

Die Bundesanwaltschaft hatte für die beiden mutmaßlichen Rädelsführer Patrick F. und Timo S. unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und versuchten Mordes Freiheitsstrafen von elf Jahren beziehungsweise zehn Jahren und neun Monaten gefordert. Für die anderen sechs Angeklagten plädierte sie auf Strafen zwischen neuneinhalb und fünf Jahren.

Der Vorsitzende Richter Fresemann sagte: "Es ging nie darum und es geht nicht darum, in diesem Verfahren ein wie auch immer geartetes Exempel zu statuieren." An die Adresse der Angeklagten sagt er: "Dieses Verfahren ist allein Konsequenz der von Ihnen begangenen Taten. Zu diesem Verfahren wäre es ohne Ihre Taten nicht gekommen."

"Keinerlei Anzeichen, dass Radikalisierung Grenzen gesetzt waren"

Fresemann geht auch auf die Vorwürfe ein, "hier seien junge Menschen angeklagt, die nur ein wenig über die Stränge geschlagen hatten". Abgesehen von Justin S., so der Vorsitzende Richter, habe keiner der Angeklagten mehr unter dem Jugendgerichtsgesetz gestanden. In der Vorgehensweise der Angeklagten liege "weder etwas spontanes noch etwas jugendtypisches". Die Taten seien „von zunehmender Brutalität und Intensität der Anschläge" geprägt gewesen. "Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der Radikalisierung Grenzen gesetzt waren, bis zu den ersten Verhaftungen."

In wechselnder Zusammensetzung und Tatbeteiligung hatten Gruppenmitglieder das Auto des Freitaler Linke-Stadtrats Michael Richter gesprengt und das Parteibüro der Linken in dem Dresdner Vorort angegriffen. Außerdem wurden in Deutschland nicht zugelassene Pyrotechnik aus Tschechien an Fenstern zweier Flüchtlingsunterkünfte in Freital zur Explosion gebracht und ein alternatives Wohnprojekt von Flüchtlingsunterstützern in Dresden gemeinsam mit Mitgliedern der rechtsextremen "Freien Kameradschaft Dresden" überfallen.

Nur glücklichen Umständen sei es zu verdanken gewesen, dass bei den Anschlägen Menschen nicht schwer verletzt oder gar getötet wurden, führte die Bundesanwaltschaft aus. Die Gruppe habe "ein Klima der Angst und Repression" schaffen wollen. Ziel sei es gewesen, Ausländer zu vertreiben. Den Taten habe eine fremdenfeindliche, rechtsextreme und zum Teil nationalsozialistische Ideologie zugrunde gelegen.

Nebenklage-Anwältin Kristin Pietrzyk hatte vor der Urteilsverkündigung ein "klares Signal" vom Gericht gefordert: "Wer sich zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammenschließt und bereit ist, Menschen zu töten, der bedroht das gesellschaftliche Zusammenleben und wird hart bestraft", verlangte sie im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Außerdem müsse darüber geredet werden, wie sich Taten wie die der "Gruppe Freital" verhindern ließen. "Rechtsterroristische Vereinigungen wird es immer wieder geben, wenn wir nicht endlich gesamtpolitisch und gesellschaftlich gegensteuern. Ich habe die Hoffnung, dass das Urteil einen Diskurs anstoßen könnte."

Am Rande der Urteilsverkündung erklärt die Nebenklage-Anwältin: "Gerade in Sachsen sollte man sich dieses Urteil zu Herzen nehmen." Sie spricht von einer "schallenden Ohrfeige für die Generalstaatsanwaltschaft Dresden", die sich bis zuletzt geweigert habe, eine terroristische Vereinigung zu sehen und wollte alle Sprengstoffanschläge als einzelne Delikte vor dem Amtsgericht Dresden habe anklagen wollen.

Freital bei Dresden war 2015 Schauplatz heftiger Proteste gegen Flüchtlinge.
Freital bei Dresden war 2015 Schauplatz heftiger Proteste gegen Flüchtlinge.
© Arno Burgi/AFP

Die Taten an sich sind nicht strittig und wurden teils von den Beteiligten selbst zugegeben. Die Verteidigung wies jedoch sowohl den Vorwurf der Bildung und Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe als auch den des versuchten Mordes als überzogen zurück und forderte deutlich geringere Strafen als die Bundesanwaltschaft. (mit dpa, AFP, epd)

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