Furcht vor Ausbreitung der Delta-Variante: Länderchefs dringen auf Tests und Quarantäne für Urlaubsrückkehrer
In Ländern wie England oder Israel steigen die Coronazahlen wieder – durch die Delta-Variante. Deutsche Politiker fordern strengere Regeln für Reiserückkehrer.
Der Ruf nach strengeren Corona-Kontrollen für Urlaubsrückkehrer wird lauter. Mit Blick auf die rasche Ausbreitung der ansteckenderen Delta-Variante auch in Deutschland dringen immer mehr Länder-Regierungschefs darauf, Test- und Quarantäneregeln bei der Einreise aus dem Ausland zu verschärfen. „Diese Stichproben reichen nicht, die im Moment von der Bundespolizei umgesetzt werden“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) im ZDF.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kritisierte, dass bei Einreisen aus Risikogebieten derzeit ein einmaliger, einfacher Antigen-Test reiche, um Quarantäne zu vermeiden. „Das ist zu unsicher“, sagte er der „Welt“. Stattdessen sollten alle nicht geimpften Reiserückkehrer aus Risikogebieten und Hochinzidenzgebieten grundsätzlich in Quarantäne gehen, die frühestens nach fünf Tagen bei einem negativen PCR-Test aufgehoben werden dürfe.
Ähnlich äußerte sich Berlins Regierungschef Müller. „Sie können schon bei der Anreise kontrollieren: Wer hat den entsprechenden negativen Testnachweis? Und dann hier nach einer bestimmten Quarantänezeit auch mit einem erneuten Test gegenchecken, dass man auch wirklich negativ ist“, erklärte der SPD-Politiker am Sonntagabend im ZDF. „Es ist schön, wenn die Menschen Urlaub machen können. Aber wir wollen die Gefahren ja nicht zurückbekommen hier nach Deutschland.“
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Zuvor hatte schon Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) verlangt, dass Urlauber an den Grenzen engmaschig auf Impfausweise und negative Corona-Tests kontrolliert werden. Rückendeckung kam von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: „Ich unterstütze ausdrücklich die Forderung nach Kontrollen an den Grenzen, ob aktuelle Negativ-Tests vorliegen. Genau daran hat es bislang gemangelt“, sagte der SPD-Politiker der „Welt“.
Auch Weil forderte eine zweifache Testpflicht für alle Rückkehrer, die nicht voll geimpft sind. „Auch in Ländern mit vergleichsweise niedrigen Inzidenzen läuft man Gefahr, mit anderen Urlaubern zusammenzukommen, die das deutlich ansteckendere Delta-Virus mit sich tragen“, sagte er.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte schon zuvor gemahnt: „Internationale Reisen dürfen nicht dazu führen, dass sich wieder mehr Menschen infizieren und das Virus nach Hause tragen.“
Auch Lauterbach und Kühnert für strengere Testpflichten
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert ebenfalls für Reiserückkehrer verschärfte Corona-Testpflichten. Wer aus dem Urlaub komme, solle sich vor der Rückreise testen und dann nochmal fünf Tage nach der Einreise, sagte er am Montag im RTL/ntv-„Frühstart“. „Es wäre eine kluge Regelung, wenn man in den fünf Tagen dazwischen für diejenigen, die aus Risikogebieten kommen, sogar Quarantäne vorsehen würde.“ So könne der Reiseverkehr auch aus Staaten außerhalb der Europäischen Union relativ sicher geregelt werden.
„Das ist der Preis für den Urlaub: Wenn ich in ein Risikogebiet reise, dann muss ich auch damit rechnen, dass ich danach noch ein paar Tage in Quarantäne bin, bis sichergestellt ist, dass ich mich nicht infiziert habe“, sagte Lauterbach.
SPD-Vize Kevin Kühnert sagte RTL/ntv mit Blick auf Reiserückkehrer aus Risikogebieten, es könne nicht genügen, einfach nur Antigen-Schnelltests vorzuweisen bei der Rückkehr. „Sondern dann muss es ein engmaschiges Kontrollsystem geben, um dafür zu sorgen, dass hier die Virusvarianten nicht noch schneller nach Deutschland eingeschleppt werden, als das nach Adam Riese sowieso in den nächsten Monaten passieren wird.“ Kühnert warnte: „Die Lehre aus dem Sommer 2020 ist schon, dass man die Leichtigkeit des Moments nicht mit der Leichtigkeit der Gesamtsituation verwechseln sollte.“
Die Bundesregierung bewertet regelmäßig die Corona-Lage im Ausland und unterscheidet dabei zwischen Virusvariantengebieten, in denen sich als besorgniserregend eingestufte Varianten ausbreiten, Hochinzidenzgebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 und Risikogebieten mit über 50. Bisher unterliegen nur Rückkehrer aus Risiko-, Hochinzidenz- und Virusvariantengebieten Testpflichten. Wegen sinkender Infektionszahlen sind aber zuletzt zahlreiche Urlaubsgebiete in Europa aus der Liste der Risikogebiete gefallen. Wer von dort auf dem Landweg nach Deutschland zurückkehrt, muss deshalb keine Einreisebeschränkungen mehr beachten. Für Flugreisende gilt allerdings weiter eine generelle Testpflicht: Jeder - ob aus einem Risikogebiet oder nicht - muss schon vor dem Abflug ein negatives Testergebnis, einen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorlegen.
Immunologe: Delta-Variante wird noch im Juli vorherrschend sein
Der Immunologe Carsten Watzl rechnet damit, dass die ansteckendere Delta-Variante des Coronavirus noch im Juli die vorherrschende Mutante in Deutschland sein wird. Aktuell dürften 30 Prozent der Neuinfektionen auf die Delta-Variante zurückzuführen sein, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Im Juli dürfte seiner Ansicht nach die 50-Prozent-Marke überschritten werden. Das Gute sei, dass sich dies auf sehr niedrigem Niveau abspiele.
Watzl riet aktuell nicht dazu, den Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfungen zu verkürzen. Derzeit gebe es noch nicht genügend Impfstoff. Er plädierte dafür, die empfohlenen Abstände beizubehalten und möglichst viele Erstimpfungen zu verabreichen. Wenn das derzeitige Tempo der Impfkampagne beibehalten werde, dürften im September auch sämtliche Zweitimpfungen verabreicht worden sein. Wenn mehr Impfstoff geliefert werde, gehe das auch schneller.
Der Immunologe geht davon aus, dass bei Älteren ab September besonders in Pflegeheimen Auffrischungsimpfungen anstehen. Viele Ältere seien sehr früh geimpft worden, auch wirke bei ihnen der Impfstoff nicht ganz so gut wie bei Jüngeren. Mit der Delta-Variante würden sich aber auch Kinder infizieren, wenn auch mit einem geringeren Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Es werde im Herbst in Schulen und Betreuungseinrichtungen zu Ausbrüche kommen, erwartet Watzl. Dagegen komme man mit Impfungen oder Frischluftkonzepten an. „Überlegen sie es sich, ob sie ihre Kinder nicht doch impfen lassen wollen“, riet der Immunologe den Eltern. (dpa)