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Schwarzarbeit oder zu wenig gezahlt? Zollbeamte kontrollieren eine Baustelle.
© Arne Dedert/dpa

Beschluss der Minister: Länder wollen Arbeitsausbeutung von EU-Bürgern bekämpfen

Ausbeutung und Schwarzarbeit von EU-Bürgern - für Städte ein drängendes Problem. Die Arbeits- und Sozialminister hoffen auf den Bund - und setzen ein Zeichen.

Zu wenig Lohn oder überhaupt kein Lohn, unbezahlte Überstunden, fristlose Kündigungen, vertuschte Arbeitsunfälle: Das sind nur einige Formen der Ausbeutung, die Bürgerinnen und Bürger aus anderen EU-Staaten tagtäglich in Deutschland erleben. Dagegen wollen die Arbeits- und Sozialminister der Länder vorgehen – und haben bei einer Konferenz in Rostock gemeinsame Schritte beschlossen. Damit wollen sie auch den Bund dazu bewegen, Probleme anzugehen, die mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU einhergehen.

In Deutschland haben im vergangenen Jahr (Stand: Juli 2018) rund 2,4 Millionen Menschen aus anderen EU-Staaten gearbeitet. Das geht aus dem Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hervor, der sozialversicherungspflichtig Beschäftige erfasst.

Auch wenn mehrere Arbeits- und Sozialministerien auf Nachfrage betonen, dass bei den meisten EU-Bürgern die Integration in den Arbeitsmarkt reibungslos verlaufe, nennen sie auch viele Schwierigkeiten.

Regina Kneiding, Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, erwähnt etwa mangelnde Deutschkenntnisse von Neuzugewanderten, schlecht bezahlte Jobs auf Helferniveau ohne ausreichende soziale Absicherung. 

Die Arbeitnehmer würden so häufig Opfer von Arbeitsausbeutung werden, sagt Kneiding. Problematisch sind nach Angaben des Thüringischen Sozialministeriums zudem fehlende Krankenversicherungen.

Die meisten Ratsuchenden kommen aus Osteuropa

Wie viele EU-Bürger von Arbeitsausbeutung betroffen sind, können die Ministerien nicht angeben. Einen Einblick bietet der jüngste Bericht eines Projekts des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) - „Faire Mobilität“. Demnach haben 2018 knapp 9000 Betroffene die bundesweiten Beratungsstellen von Faire Mobilität kontaktiert. Der Großteil der Hilfesuchenden kam aus Polen, Rumänien und Bulgarien (76,4 Prozent).

Die meisten arbeiteten in Deutschland im Bereich Transport, Lager und Logistik, in der Baubranche sowie in der Fleischindustrie und Gebäudereinigung. Der Großteil beklagte Probleme bei Lohnzahlungen. Was das in der Praxis bedeutet, erklärt die Referentin des Projekts, Justyna Oblacewicz: Das Gehalt sei niedriger als vereinbart, nur kleine Anzahlungen würden geleistet, in manchen Fällen melde der Arbeitgeber Insolvenz an, sodass die Arbeitnehmer leer ausgingen.

Oblacewicz hat selbst zwei Jahre lang Betroffene beraten und erlebt, welche gravierenden Folgen etwa fristlose Kündigungen haben können.  Wenn die Ratsuchenden nichts dagegen unternähmen, bleibe eine grundlose Kündigung gültig, sagt die Referentin des DGB-Projekts. Gingen die Betroffenen dann zum Jobcenter, bekämen sie eine dreimonatige Leistungssperre, also kein Geld.

Hat der Arbeitgeber zuvor die Unterkunft gestellt, kann das für die Entlassenen laut Oblacewicz schlimmstenfalls Wohnungslosigkeit zur Folge haben. Zudem würden viele Arbeitnehmer nur Reisekrankenversicherungen abschließen, sagt sie. Das bedeutet: Zum Arzt gehen kostet. Trotz Krankheit lassen sich manche EU-Bürger dann nicht behandeln.

Zaghafte Lösungsvorschläge

Um gegen solche Missstände vorzugehen, schlagen die Landesarbeits- und Sozialminister vor, dass es ermäßigte Ratenzahlungen für Beitragsschulden bei gesetzlichen Krankenkassen geben soll, verbesserte und mehrsprachige Beratungen zum EU-Freizügigkeits- sowie zum Sozialrecht in Jobcentern und Arbeitsagenturen. Sie greifen damit einen Beschluss auf, den zuvor bereits die Integrationsministerkonferenz getroffen hatte.

Von Berlin – unterstützt von Bremen, Hamburg und Thüringen, wurde das Thema nun erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Weitere Vorschläge hat eine nicht-öffentliche Bund-Länder-Gruppe seit Anfang des Jahres erarbeitet. Sie sind jedoch unter Verschluss.

Oblacewicz reagiert verhalten auf die Vorschläge der Minister und Senatoren. „Information ist wichtig, aber das reicht nicht, um Ausbeutung zu bekämpfen.“ Das Problem sei die Durchsetzung der Gesetze, sagt sie, etwa der Mindestlohn und weitere Arbeitsrechte.

„EU-Bürger müssen individuell klagen, damit sie überhaupt eine Möglichkeit haben, ihr Geld zu bekommen“, sagt sie. Dabei helfen würden aus ihrer Sicht mehr Informationen und Unterstützung zu Verfahren und Prozesskostenhilfe bei Gerichten, Verbandsklagerecht und Musterklagen für Betroffene sowie schnellere Gerichtsverfahren.

Eva Przybyla

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