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Die Polizei verlor nach Ansicht von Beobachtern in Leipzig die Kontrolle.
© Sebastian Kahnert/dpa

„Querdenken“-Demo in Leipzig: Lambrecht verurteilt Gewalt – Forderungen nach Aufklärung

Zehntausende protestieren gegen die Corona-Maßnahmen. Nach der Auflösung der Demo gibt es Randale. Das Entsetzen ist groß – auch bei der Justizministerin.

Nach der Eskalation von Protesten gegen Corona-Maßnahmen in Leipzig werden Forderungen nach einer politischen Aufarbeitung der Geschehnisse laut. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zeigte sich entsetzt über die Ausschreitungen. Dies sei „durch nichts zu rechtfertigen“, erklärte Lambrecht am Sonntag in Berlin. „Die Angriffe gegen die Polizei und die Presse verurteile ich scharf.“ Die Demonstrationsfreiheit sei „keine Freiheit zur Gewalt und zur massiven Gefährdung anderer“.

„Wie die Lage eskalieren konnte, bedarf jetzt gründlicher Aufklärung“, forderte die Justizministerin. Eine solche Situation inmitten der Pandemie dürfe sich nicht wiederholen.

Die Justizministerin kritisierte zudem mit Blick auf die Kundgebung in Leipzig: „Die Verhöhnung der Wissenschaft und die rechtsextreme Hetze, die wir gesehen haben, sind abscheulich.“ Corona-Leugner gefährdeten zudem nicht nur sich, sondern alle. „Tausende dicht an dicht ohne Masken sind ein Gipfel der Verantwortungslosigkeit und des Egoismus“, kritisierte Lambrecht.

„Jeden Tag sterben Menschen am Coronavirus“, mahnte die Ministerin. „Wer diese Gefahr leugnet, stellt sich gegen den übergroßen Teil unserer Gesellschaft, der sich an Regeln hält, um sich und alle anderen zu schützen.“

Auch die Grünen in Sachsen forderten Konsequenzen: „Sachsens Sicherheitsorgane haben bei (der Demonstration) #le0711 jegliches Vertrauen verspielt. Roland Wöllers Nichthandeln als Innenminister ist nicht mehr tragbar“, schrieb die Partei auf Twitter. „Es gibt viel aufzuarbeiten!“, schrieb die Linksfraktion am Samstagabend auf Twitter.

Sachsens Innenminister Wöller (CDU) in der Kritik

Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Albrecht Pallas forderte eine Auswertung in einer Sondersitzung des Innenausschusses. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) kritisierte die Zulassung der „Querdenken“-Demonstration durch das Oberverwaltungsgericht (OVG). Es sei unverantwortlich eine solche Versammlung mit mehr als 16.000 Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie in der Leipziger Innenstadt zuzulassen, teilte er mit.

Die Polizei teilte am Samstagabend mit, dass sie 32 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und sieben Straftaten – darunter Urkundenfälschung, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – verzeichnet habe. Angaben des Lagerzentrums zufolge war die Situation am frühen Sonntagmorgen ruhig.

Die Linke sprach auf Twitter von Staatsversagen und einem Ereignis mit vielen Dimensionen. „Wir haben ein potenzielles Super-Spreader-Event erlebt“, twitterte der sächsische Landesverband der Partei. „Wir haben erlebt, wie auf dieser Veranstaltung gültige Hygieneauflagen unter den Augen der Polizei durchgehend ignoriert worden sind.“

Leipziger Polizeichef verteidigt Einsatzkonzept

Der Leipziger Polizeipräsident Torsten Schultze verteidigte das Vorgehen der Polizei. Der Einsatz habe drei Ziele gehabt: die Gewährleistung eines friedlichen Verlaufs, die Verhinderung möglicher Gewalttaten und die Durchsetzung des Infektionsschutzes, sagte Schultze in einem Videostatement. Die ersten beiden Ziele seien weitgehend erreicht worden, das dritte Ziel nicht. Nach Einschätzung der Polizei trugen 90 Prozent der Teilnehmer keinen Mund-Nasen-Schutz.

An der Polizeisperre sei großer Druck entstanden, sagte Schultze. Gewalt einzusetzen sei „nicht angezeigt“ gewesen. „Man bekämpft eine Pandemie nicht mit polizeilichen Mitteln, sondern nur mit der Vernunft der Menschen“, erklärte der Polizeipräsident.

Polizeigewerkschaft kritisiert Verwaltungsgerichte

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) appellierte an die Verwaltungsgerichte, „sich nicht länger vor den Karren der sogenannten Querdenken-Bewegung spannen zu lassen“. Es sei sehr schnell zu erkennen gewesen, dass die Demonstranten „nie in Erwägung gezogen“ hätten, sich an die Auflagen zu halten, erklärte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek am Sonntag in Hannover.

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Am Samstag waren rund 20.000 Corona-Leugner, Rechtsextreme, Esoteriker und Verschwörungstheoretiker bei einer „Querdenken“-Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen durch Leipzig gezogen. Die Stuttgarter Initiative hatte seit Wochen dazu aufgerufen, nach Sachsen zu kommen.

Ihr Protest begann friedlich – dann doch provozierten die Teilnehmer mit der massenhaften Missachtung der Corona-Regeln die Auflösung der Veranstaltung. Obwohl ein Aufzug von der Stadt verboten und laut Polizei demnach illegal war, ließen die Einsatzkräfte die Menschenmassen auf den Leipziger Ring rund um die Innenstadt laufen. Die Polizei wolle auf „Deeskalation“ setzen und verzichtete darauf, den Aufzug zu stoppen.

Nach der "Querdenker" kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und der Polizei.
Nach der "Querdenker" kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und der Polizei.
© Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

Doch die Strategie der Polizei ging nicht auf: Bei dem Protest kam es am Abend zu Eskalationen durch rechte Hooligans und gewaltbereite Demonstranten. Auch Journalisten wurden attackiert, die Journalistengewerkschaft DJU meldete am Abend mindestens 32 Attacken auf Reporter vor Ort. Auch der Tagesspiegel-Reporter wurde von Demonstranten angegriffen.

Erst um kurz nach 20 Uhr löste die Polizei die Demonstration, die sich zu dem Zeitpunkt am Augustusplatz in der Leipziger Innenstadt befand. Linke Gegendemonstranten, die zuvor von der Polizei auf dem Roßplatz eingekesselt wurden, sind nach Ende der „Querdenker“-Demo nach Connewitz gezogen. Augenzeugen zufolge zündeten sie Pyrotechnik und zündeten Müll auf der Straße an. Die Polizei ist mit einem Aufgebot vor Ort.

Lesen Sie die Geschehnisse des Tages im Live-Blog nach, mehr Hintergrund zu der „Querdenken“-Bewegung finden Sie am Endes des Textes.

22:57 Uhr: Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, sieht sich die Polizei in Connewitz mit „massiven Bränden“ von Barrikaden konfrontiert, die von Demonstranten gelegt worden seien. Das sagte eine Sprecherin der Leipziger Polizei am Samstagabend. Die Polizei habe Wasserwerfer eingesetzt, allerdings nicht gegen die Demonstranten, sondern zur Löschung der Brände. Die Feuerwehr habe sich zurückziehen müssen, weil die Lage für sie zu gefährlich geworden sei. Wie viele Demonstranten vor Ort waren, konnte die Sprecherin nicht sagen.

Zuvor hatte die Polizei bereits mitgeteilt, dass am Abend drei Polizisten durch Steinwürfe verletzt worden seien. Zudem wurden demnach Einsatzfahrzeuge beschädigt. Die Steine sowie auch Pyrotechnik seien aus den Reihen einer Spontandemonstration geworfen worden, die sich im Zusammenhang mit der Festnahme einer mutmaßlichen Linksextremistin gebildet hatte.

22:54 Uhr: Für den Abend in Connewitz hat die Polizei schweres Gerät aufgefahren. Ein Räumpanzer beseitigt Straßenblockaden, die zuvor von linken Demonstranten errichtet worden waren. Unser Reporter Julius Geiler hat den Einsatz in einem Video dokumentiert. Bei Twitter sind auch bereitstehende Wasserwerfer zu sehen.

22:46 Uhr: Unbekannte haben am Samstagabend die Scheiben vor der Polizeiaußenstelle Wiedebach-Passage in Connewitz beschädigt, davor lagen Pflastersteine. Außerdem habe es in der Gegend kleinere Brände gegeben, sagte ein Polizeisprecher am Abend. Meldungen über Verletzte gab es zunächst nicht.

22:15 Uhr: Verstörende Videos aus Leipzig. In der Fußgängerzone „Maskenfrei"-Polonaise, auf dem Ring Daumen hoch von der Polizei.

21:50 Uhr: Innenminister Roland Wöller (CDU) hat die Entscheidung des sächsischen Oberverwaltungsgerichts, die „Querdenken“-Demo in der Innenstadt stattfinden zu lassen, scharf kritisiert. „Es ist unverantwortlich, eine solche Versammlung mit mehr als 16.000 Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie in der Leipziger Innenstadt zuzulassen“, sagte Wöller. Die Einhaltung der Infektionsschutzauflagen sei so von vornherein unmöglich gewesen. Die Entscheidung der Stadt, die Versammlung nach gut zweieinhalb Stunden aufzulösen, sei daher richtig gewesen. Das Gericht hatte eine Teilnehmerzahl von maximal 16.000 und das Tragen von Masken zur Auflage gemacht. Die Pflicht war massenhaft missachtet worden.

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21:00 Uhr: Auf der linken Demonstration in Connewitz wurde laut Augenzeugen Pyrotechnik gezündet, Bilder auf Twitter zeigen brennende Barrikaden.

20:40 Uhr: Die Polizei räumt noch den Augustusplatz und verweist einzelne, übriggebliebene Demonstranten des Platzes. Währenddessen haben sich linke Demonstranten aus dem ehemaligen Gegenprotest in der Innenstadt im Stadtteil Connewitz versammelt. Die Polizei Sachsen ist vor Ort, weil es Angriffe auf Fahrzeuge gegeben haben soll, wie sie auf Twitter schreibt.

20:15 Uhr: Die Polizei will den Augustusplatz, wo sich die Demonstranten zuletzt sammelten, nun räumen. Es sind schätzungsweise immer noch einige hundert Menschen vor Ort. Der Tagesspiegel-Reporter wurde in diesem Zuge unter Androhung von polizeilichem Zwang des Platzes verwiesen.

20:00 Uhr: Die Schnelleinsatzgruppe „Sanität“ und die Führungsgruppe Rettungsdienst der Johanniter Leipzig wurden am Samstagabend alarmiert. „Derzeit befinden wir uns auf Grund des Demonstrationsgeschehens in aktiver Bereitschaft“, schreiben die Johanniter auf Twitter. Die Schnelleinsatzgruppe kommt immer dann zum Einsatz, wenn der Rettungsdienst akut an seine Kapazitätsgrenzen kommt.

19:35 Uhr: Die Journalistengewerkschaft DJU meldete am Abend mindestens 32 Attacken auf Reporter, die im Wesentlichen von „Querdenken“-Teilnehmern ausgegangen seien. Die Polizei Sachsen bittet alle Journalisten, die am Samstag in Leipzig angegriffen wurden, Strafanzeige zu erstatten. (mit dpa)

19:05 Uhr: Die Polizei Sachsen sagt dem Tagesspiegel, sie setze auf Deeskalation und löse die Demonstration deshalb nicht auf. Beamte sollen die illegale „Querdenker“-Demonstration nur begleiten. Dennoch versucht es die Polizei mit Durchsagen am Augustusplatz, wo mittlerweile Feierstimmung unter den Demonstrierenden ausgebrochen ist: „Die Versammlung ist aufgelöst. Bitte verlassen Sie den Platz.“

19:00 Uhr: Manche Pressevertreter beenden die Berichterstattung, weil ihnen die Lage zu gefährlich wird. Von „Kapitulation der Polizei“ ist die Rede.

18:40 Uhr: Die Demonstrierenden der „Querdenker“-Demonstration sind vor den Polizisten und Gegendemonstranten in Richtung Innenstadt abgebogen. Die Polizei macht noch immer keine Anstalten, die illegale Demonstration zu stoppen. Die Stimmung ist weiterhin angespannt. An Absperrungen kam es zu zahlreichen Übergriffen auf Polizisten.

18:35 Uhr: Die nicht genehmigte Spontandemonstration trifft in Kürze am Roßplatz in Leipzig auf linke Gegendemonstranten, die von der Polizei eingekesselt sind.

18:20 Uhr: Einsatzkräfte der Polizei begleiten nun die illegale Demonstration ab Höhe Thomaskirche. Auch eine Reiterstaffel ist vor Ort und läuft mit dem Aufmarsch, der zuvor untersagt wurde, mit. Unter den Demonstrierenden befinden sich erneut schwarz gekleidete Hooligangruppen.

18:15 Uhr: Auch andere Augenzeugen berichten, die Polizei sei komplett überfordert, werde überrannt. Demonstranten könnten Medienvertreter ungehindert attackieren.

17:40 Uhr: Auch die Polizei bestätigt, am Hauptbahnhof kam es zu kleineren Schlägereien zwischen Teilnehmern der Demo und Gegendemonstranten, Polizisten gingen dazwischen. Auf Twitter berichtete die Polizei von Angriffen auf die Einsatzkräfte. „Wiederholt werden Einsatzkräfte in #Leipzig attackiert. Unterlassen Sie das Zünden von Pyrotechnik und den Bewurf mit Gegenständen!“ Gegen Straftäter werde man konsequent vorgehen.

17:20 Uhr: Einsatzkräfte der Polizei und Journalisten werden mit Rauchbomben und Pyrotechnik beworfen. Die Beamten setzen jetzt Pfefferspray und Reizgas ein.

17:15 Uhr: „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg kündigte eine Klage gegen die Entscheidung der Stadt an. Die Ordnungswidrigkeit hätte einzeln festgestellt werden müssen bei jedem Demonstranten, sagte Ballweg, der selbst nicht in Leipzig war, der dpa. „Wir haben eine saubere Planung hingelegt“, sagte Ballweg.

17:10 Uhr: Wie unser Kollege Julius Geiler berichtet, droht die Lage besonders am Hauptbahnhof zu eskalieren. Trotz Verbots hatte sich ein Demonstrationszug in Bewegung gesetzt, der aber nur kurz gestoppt wurde. Pyrotechnik wird gezündet. Die Polizei scheint die Lage nicht mehr unter Kontrolle zu haben.

Teilnehmer der Demonstration auf dem Augustusplatz in Leipzig.
Teilnehmer der Demonstration auf dem Augustusplatz in Leipzig.
© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

16:40 Uhr: Nach Informationen des Tagesspiegel ist eine Journalistin am Hauptbahnhof von einer Gruppe rechter Hooligans gejagt worden. Die Frau verletzte sich offenbar dabei.

16:20 Uhr: Die Demonstranten machen bisher keine Anstalten, den Augustplatz zu verlassen. Aber die Polizei scheint bisher nicht eingreifen zu wollen. Nach Tagesspiegel-Informationen sind in den Nebenstraßen rund 400 Neonazis unterwegs, Polizeikräfte sind nicht zu sehen. In Nebenstraßen gibt es offenbar erste Festnahmen.

15:40 Uhr: Via Twitter teilt die Stadt Leipzig als Versammlungsbehörde mit, dass die Demonstration aufgelöst werden soll. Es ist nun an der Polizei, dies durchzusetzen. Wie das geschehen soll, ist völlig unklar. Die Veranstalter riefen die Teilnehmer auf dem Augustusplatz in der Innenstadt auf, dem zu folgen. „Wir werden jetzt die Bühne verlassen, die Versammlung ist aufgelöst“, sagten die Organisatoren am Nachmittag. „Verhaltet euch bitte friedlich.“

15:28 Uhr: Zur „Querdenken“-Demonstration in die Leipziger Innenstadt sind deutlich mehr Menschen gekommen als angemeldet. Die Polizei gehe von 20.000 Teilnehmern aus, sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe am Samstagnachmittag. „Das ist ein weiterer Auflagenverstoß.“ Nur 16.000 Teilnehmer waren für die Demonstration gegen die Corona-Einschränkungen angemeldet gewesen. Die Forschungsgruppe „Durchgezählt“ sprach von rund 45.000 Teilnehmern.

Schon vorher hatte die Polizei zahlreiche Verstöße festgestellt, so trug kaum jemand eine Mund-Nasen-Bedeckung, auch die Abstandsregeln wurden missachtet. Die Polizei nehme die Verstöße auf, so der Sprecher. Insgesamt sei die Kundgebung zunächst friedlich verlaufen, am Rande habe es vereinzelt Zusammenstöße der „Querdenken“-Teilnehmer mit Gegendemonstranten gegeben. Wie die Polizei dem Tagesspiegel mitteilte, rechne man mit einer baldigen Auflösung der Versammlung durch die Behörden.

15:07 Uhr: Es gibt eine direkte Konfrontation zwischen Hooligans und Antifa-Aktivisten am Wilhelm-Leuschner-Platz. Dabei fliegen auch Steine. Die Polizei hat Lage hier gerade nicht unter Kontrolle.

14:40 Uhr: Polizisten nehmen auf dem Augustusplatz Gegendemonstranten in Gewahrsam.

14:35 Uhr: „Die Einsatzkräfte sprechen Personen ohne Maske an, wenn uns ein Attest gezeigt wird, gleichen wir das mit den Angaben im Personalausweis ab“, sagte eine Polizeisprecherin. „Es ist aber schwierig, bei dieser Menge, lückenlos zu kontrollieren.“ Offizielle Angaben zur Teilnehmerzahl machte die Polizei zunächst nicht. Der Augustusplatz war aber schon zu Beginn der Kundgebung um 13.00 Uhr dicht gefüllt gewesen.

„Querdenken“-Gründer Michael Ballweg gab der Polizei die Schuld für das Gedränge, die am Freitagabend und am Samstagmorgen den Aufbau der Veranstaltung gestört habe. „Trotz eines schwebenden Rechtsverfahrens durften wir nicht aufbauen“, sagte Ballweg der Deutschen Presse-Agentur.

14:30 Uhr: Wegen des hohen Zulaufs haben die Veranstalter ihre Kundgebung kurz unterbrochen. Sie riefen die mehreren tausend Teilnehmer auf, die Veranstaltungsfläche voll auszunutzen. Nach etwa einer halben Stunde ging die Kundgebung weiter. Die Polizei hatte die Versammlungsfläche zuvor deutlich vergrößert. Die für 16.000 Teilnehmer auf dem Augustusplatz angemeldete Kundgebung wurde auf den innerstädtischen Ring und angrenzende Straßen ausgeweitet, damit die zahlreichen Demonstranten den Mindestabstand einhalten können.

Ein Gegendemonstrant im Griff eines Polizisten.
Ein Gegendemonstrant im Griff eines Polizisten.
© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

14:25 Uhr: Es gibt Berichte darüber, dass die Versammlung aufgelöst werden soll. Die Polizei teilte dem Tagesspiegel mit, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Es werde aber auf den Versammlungsleiter eingewirkt.

13:55 Uhr: Die Polizei hat die Demonstranten über Lautsprecher bereits mehrfach aufgefordert, die Auflagen einzuhalten. Aber weiterhin werden die Abstände nicht eingehalten und Masken sind nur vereinzelt zu sehen.

13:20 Uhr: Die Organisatoren der „Querdenker“-Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen haben in München weitere gerichtliche Niederlagen einstecken müssen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies am Samstag zwei Beschwerden im Zusammenhang mit Demonstrationen sowohl an diesem Sonntag als auch von Montag bis Sonntag kommender Woche zurück. Die Stadt München hatte die Demos mit Blick auf den Infektionsschutz zuvor verboten.

Für diesen Sonntag sollte angeblich eine Veranstaltung mit rund 120.000 Menschen auf der Theresienwiese stattfinden. Der Veranstalter habe trotz entsprechender Aufforderung durch den Senat nicht glaubhaft gemacht, dass er diese angekündigten Versammlungen tatsächlich durchführen wolle, hieß es nun in der Mitteilung des Verwaltungsgerichtshofs.

13:15 Uhr: Der Platz zwischen Gewandhaus und der Leipziger Oper war am Samstagmittag bereits dicht gefüllt. „Die Kontrolle ist für uns fast unmöglich“, sagte der Sprecher der Polizeidirektion Leipzig, Olaf Hoppe.

Im Laufe des Freitags hatten die Behörden bekanntgegeben, dass die ursprüngliche Aufzugsstrecke auf dem „Leipziger Ring“ rund um den Augustplatz angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens nicht durchzuführen sei.

Stattdessen wurde den „Querdenkern“ das Geländer der Neuen Messe vor den Stadttoren angeboten. Dies wäre ein herber Rückschlag für die Bewegung gewesen, sollte doch auf dem Leipziger Ring der Friedlichen Revolution von 1989 nachgeeifert werden. Seit Wochen wird in den Chat-Gruppen der Organisation der Mythos verbreitet, dass die Demonstration am Samstag der Beginn einer neuen Revolution sein könnte.

13:05 Uhr: Unser Kollege Julius Geiler verfolgt das Geschehen vor Ort in Leipzig. Es seien ganz offensichtlich viele Rechte und Hooligans vor Ort. Diese würden sich unter die Demonstranten mischen. Er schätzt deren Zahl auf etwa 1000. Vereinzelt waren Reichsflaggen zu sehen.

12.30 Uhr: Die Innenstadt füllt sich immer mehr. Auf Fotos ist zu sehen, dass die meisten Teilnehmer die Corona-Auflagen nicht beachten. Abstände werden nicht eingehalten. Masken sind nicht zu sehen.

10:45 Uhr: Leipzigs Stadtsprecher Matthias Hasberg sagt nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts: „Es ist schwer erklärbar, dass sich derzeit nur zwei Hausstände treffen dürfen, aber 16. 000 Menschen auf einem Platz demonstrieren dürfen.“

10:00 Uhr: Bereits vor dem offiziellen Beginn der Demonstration gab es gegen 10 Uhr einen ersten Vorfall. An der alten Messe im Zentrum-Südost sollte ein Autokorso der „Querdenken“-Bewegung starten. Schon nach wenigen Metern kam dieser zu stehen. Grund: eine Blockade von bis zu 50 linken Gegendemonstranten.

Polizei und Gegendemonstranten an der alten Messe in Leipzig.
Polizei und Gegendemonstranten an der alten Messe in Leipzig.
© Julius Geiler

Die etwa 100 „Querdenker“, die unter dem Motto „Love wins“ durch die Messestadt ziehen wollten, kommen nicht voran. Die Polizei ist mit einer bayerischen Hundertschaft vor Ort, machte aber bisher aber keine Anstalten die Straße zu räumen.

9.45 Uhr: Die Initiative „Querdenken“ darf nun doch in der Leipziger Innenstadt gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen habe entschieden, dass die Demonstration mit 16.000 Menschen auf dem Augustusplatz stattfinden darf, teilte die Stadt am Samstagmorgen mit.

Das Gericht verband diese Erlaubnis aber mit strengen Auflagen. Unter anderem besteht demnach die Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Die Teilnehmerzahl dürfe zudem bei maximal 16.000 Menschen liegen.

Am Freitagabend hatte das Verwaltungsgericht im Eilverfahren die Auflagen der Stadt zunächst bestätigt. Die Stadt wollte die Kundgebung auf die Parkplätze der Neuen Messe außerhalb des Stadtzentrums verlegen.

Viele Mobilisierungsversuche bei Rechten

In den internen Kanälen wird weiter für die Leipziger City geworben, außerdem sind zahlreiche Corona-skeptische und verschwörungstheoretische Kundgebungen innerhalb des Innenstadtrings nicht von der Anordnung des Gerichts betroffen. Im Unterschied zu den letzten größeren Protestaktionen der Bewegung in Berlin, Dresden und München wird für die Leipziger Großdemo auch bei Rechtspopulisten und Rechtsextremisten wieder stark geworben.

Eine ähnliche Mobilisierung der rechten Szene konnte man zuletzt am 29. August in Berlin beobachten, wo sich am Nachmittag rechte Hooligangruppen vor der russischen Botschaft Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten und am Abend hunderte Menschen aus dem Reichsbürgerspektrum die Absperrungen vor dem Bundestagsgebäude niederrissen und bis zum Eingangsportal vordringen konnten. 

Für die Demonstration der „Querdenken“-Initiative wurde auch bei Rechtsextremen geworben.
Für die Demonstration der „Querdenken“-Initiative wurde auch bei Rechtsextremen geworben.
© dpa/Christoph Soeder

In den internen Austauschgruppen der „Querdenker“ erfreut sich im Vorfeld vor allem ein etwa zweiminütiges Video großer Beliebtheit. Zu sehen ist ein Zusammenschnitt verschiedener Demonstrationen der Bewegung, dazwischen immer wieder das Leipziger Völkerschlachtdenkmal.

Reichsbürger und Hooligans werben für Demo

Unterlegt ist der Clip mit dramatischer, heroisch anmutender Musik. Im eingeblendeten Text heißt es unter anderem „Das ist wofür es sich zu kämpfen lohnt. Deutschland erhebt sich“ und „Zeit es zu beenden. Deutsche geben niemals auf.“ Geteilt wird es auch von Unterstützern der Reichsbürgerszene aus dem Umfeld des ehemaligen NPD-Funktionärs Rüdiger Hoffmann, von dessen Bühne am 29. August zum „Sturm auf den Reichstag“ aufgerufen wurde.

Gleichzeitig rufen rechtsextreme Organisationen wie die Jugendorganisation der NPD „Junge Nationalisten“ und „Legida“, der Leipziger Ableger von Pegida, zur Teilnahme an der „Querdenken“-Demo auf. Legida trat von Beginn an noch radikaler als das Original aus Dresden auf.

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So mischten sich immer wieder Leute aus der Leipziger Hooligan-Szene unter die Teilnehmer bei Legida-Veranstaltungen. Zu erwarten ist zusätzlich eine starke Präsenz von Anhängern der „QAnon“-Verschwörungstheorie, deren Anzahl Experten zufolge in der Bundesrepublik derzeit rasant wächst.

Aufruf zu Gewalt in Chatgruppen

Für die Gemeinschaft der amerikanischen Verschwörungstheorie gilt US-Präsident Donald Trump als ein Messias, der als Heilsbringer die Welt vom Bösen befreit. Der unklare Wahlausgang in den USA und ein eventueller Sieg von Joe Biden bewirken große Unruhe in der Community.

Immer mehr Verschwörungsmythiker mischen sich unter Corona-Demonstrationen, wie Experten schätzen.
Immer mehr Verschwörungsmythiker mischen sich unter Corona-Demonstrationen, wie Experten schätzen.
© dpa/Fabian Strauch

Es ist völlig unklar, inwiefern sich diese Anspannung am Samstag auf den Straßen Leipzigs widerspiegeln könnte. In Screenshots aus Telegram-Gruppen und Livestream-Kommentarspalten, die dem Tagesspiegel vorliegen, wird unter anderem zu Waffengewalt aufgerufen.

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Es wäre endlich Zeit, aufzustehen und sich zu wehren, ist der vorherrschende Tenor in der rechten Szene. Unklar ist, inwiefern es der Organisation “Querdenken” gelingt, sich von gewaltbereiten Rechtsextremen abzugrenzen. In der Vergangenheit ist das wenig bis gar nicht geschehen. Diese hochexplosive Gemengelage in Kombination mit einem zu erwartenden großen Gegenprotest der traditionell starken linken Szene in Leipzig kann zu einer Eskalation auf den Straßen der größten sächsischen Stadt führen.

Demonstranten missachteten Corona-Auflagen

Einen ersten Vorgeschmack auf das Wochenende liefert der Freitagabend. Während auf dem zentralen Augustplatz sowie dem Marktplatz über hundert „Querdenker“ zwei Kundgebungen, teils ohne Maske und Abstand, abhielten, kam es kurzzeitig zu chaotischen Szenen im traditionell alternativ geprägten Stadtteil Connewitz.

Aus einer linken Spontandemonstration von etwas 200 Personen heraus wurden Einsatzkräfte mit Steinen und Pyrotechnik beworfen, wie ein Polizeisprecher dem Tagesspiegel mitteilte. Bilder in den sozialen Netzwerken zeigen die zerbrochene Scheibe einer Bushaltestelle und durch umgeworfene Mülltonnen errichtete Barrikaden. Drei Beamte wurden verletzt, einer musste den Dienst beenden.

Das Geschehen in Connewitz stand jedoch nicht im Kontext zu den Demonstrationen in der Stadt. Anlass war offenbar die Verhaftung einer der linken Szene zugehörigen Person durch das sächsische LKA am Freitagmorgen.

Bei der „Querdenken“-Demonstration auf dem Leipziger Markt muss  die Versammlungsleiterin  mit einer Anzeige rechnen. Mehrfach wurden Versammlungsauflagen wie das tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ignoriert, wie die Polizei am Abend mitteilte. (mit dpa)

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