CDU Sachsen und die Flüchtlinge: Kurt Biedenkopf als Pegida-Versteher
Der frühere sächsische CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf fordert "Friedensgespräche" mit besorgten Bürgern - von Pegida bekommt er Beifall.
Pegida zeigte sich dankbar für die Wortmeldung des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf. "Da Herr Biedenkopf am Neumarkt wohnt, wurde er auch schon bei Pegida am Rand gesehen", schrieb die fremdenfeindliche Bewegung auf ihrer Facebook-Seite, dazu ein zwinkernder Smiley. Aktueller Anlass: ein Interview des CDU-Politikers mit Deutschlandradio Kultur, in dem dieser indirekt Verständnis für die Kundgebungen von Pegida äußert. Einen Zusammenhang zwischen den Demos und Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte sieht Biedenkopf nicht.
Es ist nicht die erste Äußerung Biedenkopfs dieser Art. Für Pegida war die neue Wortmeldung Anlass, noch einmal an ein im Oktober vor dem ersten Geburtstag von Pegida ausgestrahltes ZDF-Interview zu erinnern. Damals würdigte der Politiker, der von 1990 bis 2002 Regierungschef im Freistaat war, Pegida als sächsische Innovation - und zog Verbindungen zur Bürgerbewegung 1989 in der DDR. "Die Sachsen haben eine Innovation gehabt, eine politische Innovation, nämlich eine politische Gruppierung, die keine Partei ist, die sich aber in Anlehnung an frühere Protesterscheinungen in der Zeit vor der Wiedervereinigung an diese Erscheinungen anlehnen und aufmerksam machen wollen."
Im Deutschlandradio Kultur sagte Biedenkopf jetzt: "Die Pegida-Demonstrationen sind Ausübung eines ganz entscheidenden demokratischen Grundrechts, nämlich demonstrieren zu dürfen. Und es gibt genug Gründe in Ostdeutschland, nicht nur in Sachsen, sondern in Ostdeutschland, warum die Bevölkerung über diesen starken Flüchtlingszustrom beunruhigt ist."
Der wichtigste Grund sei, dass die Bevölkerung in Ostdeutschland "keinerlei Erfahrung" damit habe. Die Menschen hätten zudem mit der Wende eine völlige Umstellung ihres Lebens bewältigt, "und zwar in einer Tiefe, wie es sich Westdeutsche überhaupt nicht vorstellen können". Der 85-Jährige warb dafür, mit verunsicherten Menschen "Friedensgespräche" zu führen - darüber, warum Flüchtlinge nach Deutschland kommen und welche Folgen das hat.
Aus Sicht des sächsischen Linken-Fraktionschefs Rico Gebhardt sind die Äußerungen des Ex-Ministerpräsidenten "absurd". Biedenkopf entlasse die Pegida-Anführer und jene, die ihnen immer noch unkritisch nachlaufen, aus ihrer Mitverantwortung. Der Oppositionsführer im Landtag sagte weiter: "Pegida bietet nicht nur keinerlei Lösungen. Im Gegenteil: Pegida schafft mit rhetorischer Brandstiftung ein Klima des Hasses, in dem sich fremdenfeindliche Gewalttäter ermutigt fühlen." Wichtig sei, über Fluchtursachen und Integration zu diskutieren. "Das entspannt die Lage viel eher als der Versuch, das ramponierte Image des Freistaates mit beschwichtigender Rhetorik aufzupolieren."
Der sächsische Grünen-Fraktionschef Volkmar Zschocke ist nicht verwundert, dass Biedenkopf keine Verbindung zwischen "Brandstifter-Reden" bei Pegida und realen Brandstiftungen sieht. Er erinnerte an einen Ausspruch Biedenkopfs, wonach die Sachsen immun gegen Rechtsextremismus seien. Damit habe Biedenkopf zur Verharmlosung des Rechtsextremismus beigetragen, sagte Zschocke: "In seiner Regierungszeit konnte sich Sachsen zum Hinterland für Neonazis entwickeln."
Der Sprecher des Bündnisses Dresden nazifrei, Silvio Lang, sagte dem Tagesspiegel: "Biedenkopf ist der geistige Vater der in Sachsen immer noch vorherrschenden Strategie weiter Teile der CDU, rechte Gewalt zu ignorieren, wegzuerklären und zu relativieren. Offenbar behält er diesen Kurs auch in der jetzigen Zeit bei. Nur so ist erklärbar, dass er keinen Zusammenhang zwischen der montäglichen rhetorischen Gewalt bei Pegida und dem krassen Anstieg rassistischer und fremdenfeindlicher Übergriffe, in denen sich diese Gewalt tätlich äußert, zu erkennen vermag.“ Schon 2000 habe der CDU-Politiker mit seiner Einschätzung, dass Sachsen immun gegen Rechts wäre, komplett falsch gelegen – "und beweist darin bemerkenswerte Konstanz".
Tillich: Pegida sät Hass
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich war kurz nach Weihnachten erneut eindeutig auf Abstand zu Pegida gegangen. Ausländerfeindliche Krawalle haben seiner Ansicht nach den Ruf seines Landes und dessen Hauptstadt Dresden nachhaltig beschädigt. "Wir werden eine lange Zeit brauchen, um dieses Bild zu korrigieren", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Auch anderswo in Deutschland habe es Angriffe auf Flüchtlinge gegeben. "Aber in Sachsen traten sie zuerst auf und Sachsen hat Pegida."
Tillich warf der ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung vor, die Situation zu verschärfen. "Wir haben eine Gruppe von Menschen, die Hass und Fremdenfeindlichkeit säen." Ein Teil von ihnen sei wohl noch nie mit Ausländern zusammengetroffen, lehne sie aber vehement ab. "Bei uns hat sich das verfestigt. Es gibt in Sachsen eine verdeckte, aber auch eine sehr offene und brutale Ablehnung von Asylsuchenden." Mit einigen dieser Menschen sei kein Dialog mehr möglich: "Sie lehnen Fremde, aber auch das demokratische System ab."
Für Wiedereinführung der Residenzpflicht
Umgekehrt sind in der Sachsen-CDU scharfe Töne in der Asyldebatte nicht ungewöhnlich. Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer ging in der Debatte um eine Integrationspflicht noch über die Forderungen der CSU hinaus. Das bisherige Prinzip, von vornherein Sozialleistungen zu geben und dann über Integration zu reden, müsse umgedreht werden, sagte Kretschmer dem Sender MDR Info. Die Neuankömmlinge müssten sich zunächst zu Integrationsbeiträgen wie dem Besuch eines Deutschkurses verpflichten, bevor sie finanzielle Unterstützung bekämen. So etwas auch mit Leistungskürzungen zu verbinden, sei an vielen anderen Stellen im Sozialrecht üblich: "Deutsche Hartz-IV-Empfänger müssen sie erdulden, müssen sie hinnehmen. Warum soll dies nicht auch bei Menschen so sein, die als Asylbewerber und Flüchtlinge zu uns kommen?" Kretschmer will auch nicht hinnehmen, dass sich Asylbewerber in Deutschland frei bewegen können. "Niemand kann mehr sagen, wo sie sind, ob sie allen Anforderungen und Verpflichtungen auch nachkommen", begründet er seine Forderung nach einer Residenzpflicht.
Thüringen-CDU warnt vor Parallelgesellschaften
Auch die Thüringer CDU begrüßt die Forderung der CSU, Flüchtlinge zu Deutsch- und Integrationskursen und einem Bekenntnis zu den deutschen Grundwerten zu verpflichten. "Der Vorschlag, Integrationsbereitschaft einzufordern, entspricht unserem Beschluss nach einem Integrationspflichtgesetz", sagte Landes- und Fraktionschef Mike Mohring der "Thüringer Allgemeine". Die Pflicht zur Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen sei eine "zwingende Voraussetzung" dafür, "Parallelgesellschaften zu vermeiden". Wer dieser Pflicht nicht nachkomme, müsse "konsequenterweise auch Kürzungen deutscher Sozialleistungen hinnehmen".