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Peschmerga-Kämpfer mit deutschem Ausbilder im Nordirak.
© Sebastian Wilke/Bundeswehr/dpa

Drohender Bürgerkrieg im Irak: Kurden könnten deutsche Waffen gegen Zentralregierung einsetzen

Deutschland hat den Kurden tausende Waffen für den Kampf gegen den IS geliefert. Doch nun droht ein Bürgerkrieg und die Peschmerga könnten sie gegen die Zentralregierung einsetzen.

Die Kritiker deutscher Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak sehen sich bestätigt. Nach dem Unabhängigkeitsreferendum der Kurden rückt die irakische Armee vor, um eine Abspaltung des autonomen Gebietes zu verhindern. Es droht ein Bürgerkrieg – und der könnte mit deutschen Waffen ausgetragen werden. Deutschland hat den Kurden seit Herbst 2014 Waffen und Material im Wert von rund 90 Millionen Euro zukommen lassen. Sie sollten damit den „Islamischen Staat“ (IS) niederringen. 24.000 Gewehre sind darunter, 8000 Pistolen, 1200 Panzerabwehrraketen und 400 Panzerfäuste, wie das Verteidigungsministerium mitteilte. Auch Funkgeräte, Nachtsichtgeräte gehören zur deutschen Ausstattungshilfe. Mehr als 3000 kurdische Kämpfer, Peschmerga, wurden außerdem für den Kampf gegen den IS von Bundeswehrsoldaten ausgebildet. Ihre Fähigkeiten, die Fertigkeiten im Umgang mit den deutschen Waffen und die Waffen selbst könnten sie nun auch gegen die Truppen der Zentralregierung einsetzen.

Berlin kann nur zusehen

In Berlin steht man der Entwicklung hilflos gegenüber. „Die kurdische Regionalregierung hat erklärt, die Waffen nur im Kampf gegen den IS einzusetzen. Das ist die Grundlage für die Zusammenarbeit“, heißt es aus dem Ministerium. Doch was ist dieses Versprechen wert? Schon früher hatte man im Haus von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) eingestanden, eine vollständige Kontrolle über den Verbleib der Waffen könne es nicht geben. Einzelne Gewehre aus den deutschen Lieferungen wurden 2016 auf lokalen Märkten angeboten, 2017 tauchten Videos auf, in denen kurdische Milizionäre mit deutschen Waffen gegen rivalisierende Gruppen vorgehen, die definitiv nicht zum IS gehörten. „Die Linke hat immer davor gewarnt, dass die Entsendung von Waffen und Militärausbildern in den Irak den Konflikt um Territorien und Öl anheizt. Nun steht zu befürchten, dass deutsche Waffen in einem neuen Krieg zwischen kurdischen und schiitischen Milizen zum Einsatz kommen, unter dem die Zivilbevölkerung auf allen Seiten zu leiden hat“, sagt Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Linken. Auch die Grünen sprechen von „wachsenden Befürchtungen, dass die deutschen Waffen nicht nur im Kampf gegen den IS eingesetzt werden“, sagt der Verteidigungspolitiker Tobias Lindner. Niemand wisse, wie sich der Konflikt im Irak entwickle. „Das Beispiel zeigt, dass es keine Garantie geben kann, dass unsere Waffen tatsächlich so verwendet werden, wie es vereinbart wurde.“

Ausbildung von Kämpfern gestoppt

Die Ausbildung kurdischer Soldaten wurde am Freitag ausgesetzt. Die 150 entsandten Bundeswehrsoldaten bleiben vorerst im Land. Nach Ansicht Lindners hätte die Mission früher unterbrochen werden können. „Das Verteidigungsministerium hat sehr spät reagiert. Die Fragen, die sich jetzt stellen, stellen sich schließlich nicht erst seit dieser Woche.“ Buchholz nennt die Entscheidung, das Ausbildungsmandat ruhen zu lassen, „völlig inkonsequent“. Die Bundeswehr befinde sich faktisch auf beiden Seiten der neuen Front im Irak. „Die Bundeswehr muss umgehend und vollständig aus dem Irak und Kurdistan abgezogen werden."

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