Designiert - und kritisiert: Künftiger Verfassungsschutz-Chef gilt als "Hardliner"
Noch ehe er sein Amt angetreten hat, steht der künftige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz heftig in der Kritik. Wer ist Hans-Georg Maaßen – und was genau wird ihm vorgeworfen?
Er habe bisher immer im Hintergrund gewirkt, jetzt werde er sich an öffentliche Aufmerksamkeit gewöhnen müssen, hieß es dieser Tage über Hans-Georg Maaßen, den designierten nächsten Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz. Die hat er nun, nicht einmal zwei Wochen vor dem Amtsantritt in Köln. Und was über ihn bekannt wird, ist geeignet, all die zu alarmieren, die sich an der Spitze der Behörde jemanden mit Fachkenntnis und Engagement gegen rechten Terror gewünscht hätten – nur wenige Monate nach Aufdeckung der NSU-Nazizelle, die jahrelang, ohne wesentliche Störung durch die Behörden, Migranten ermorden konnte. Zehn Menschen fielen ihr zum Opfer, neben einer Polizistin und einem gebürtigen Griechen alle aus türkischen Familien.
Doch Maaßens Fachkenntnis – er ist seit mehr als 20 Jahren im Bundesinnenministerium – liegt deutlich auf der anderen Seite: Der 49-jährige Jurist, in Mönchengladbach geboren und in Bonn promoviert, arbeitete von Anfang an zum Asyl- und Ausländerrecht. Nach einem Abstecher als Persönlicher Referent des sozialdemokratischen Staatssekretärs Claus Henning Schapper, leitete er 2001 die Projektgruppe Zuwanderung, ab 2002 außerdem das Referat Ausländerrecht. In den letzten vier Jahren war Maaßen Chef der Terrorismusbekämpfung in der Abteilung Öffentliche Sicherheit des Innenministeriums.
Dabei hat er sich unter Kollegen, die Migration nicht in erster Linie als Teil der Sicherheits-, sondern der Gesellschaftspolitik sehen, wenig Freunde gemacht: Maaßen, der als Architekt des Zuwanderungsrechts wie auch seiner Ausführungsbestimmungen gilt, sei ein „Hardliner“ und „für antirassistische Haltungen nicht bekannt“, sagt ein fachkundiger Beobachter. Als symptomatisch dafür mag Maaßens Auftritt vor dem BND-Untersuchungsausschuss gelten, wo er im März 2007 rechtfertigte, warum Deutschland fünf Jahre zuvor die Entlassung des Bremers Murat Kurnaz vereitelt hatte. Kurnaz saß viereinhalb Jahre unschuldig im US-Lager Guantanamo ein; Maaßen hatte selbst die Vorlage verfasst, mit der die rot-grüne Bundesregierung begründete, wie ihm die Wiedereinreise verweigert werden könne. Vor den Abgeordneten im Ausschuss sagte Maaßen im März 2007, Kurnaz habe nun einmal kein Recht mehr auf Wiedereinreise gehabt. Seine Aufenthaltsgenehmigung sei „kraft Gesetzes erloschen“, nachdem er mehr als sechs Monate im Ausland – gemeint war das Lager – war und keine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung beantragt hatte. Der frühere Referatsleiter Maaßen, schrieb deutlich fassungslos der Korrespondent der „tageszeitung“, habe „ungerührt Einblick in die Rationalität einer deutschen Behörde“ gegeben.
Die Opfer der Jenaer Terrorzelle:
Dass sich an Maaßens Ansichten seither wenig geändert haben dürfte, lässt sich nachlesen: In der „Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik“, die er mitherausgibt, bedauert der designierte Verfassungsschutzchef Anfang 2011 in einem Aufsatz über „Staatsangehörigkeitsrechtliche Fragen der Terrorismusbekämpfung“ die aus seiner Sicht mangelhaften Möglichkeiten, radikalismusverdächtigen Muslimen die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Es sei „unbefriedigend“, dass das geltende Staatsangehörigkeitsrecht für beides so „wenig Handlungsspielraum“ biete.
Maaßen gibt zwar zu, dass deutsch zu sein nicht „das Privileg der Guten“ sei. Gleichwohl, so schreibt er, wäre es „hilfreich“, die Vorschriften, wann jemand eingebürgert werden müsse, so „zuzuschneiden, dass der typische Personenkreis des islamistischen Personenpotenzials herausfiele“. An anderer Stelle des Aufsatzes ist von Eingebürgerten als „nominell deutschen Staatsangehörigen“ die Rede.
Wenig fehlte und Maaßen hätte sein Kölner Amt am 1. August mit einem Professorentitel antreten können. An der Juristischen Fakultät von Berlins Freier Universität ist er seit Jahren Lehrbeauftragter. Doch der Akademische Senat entschied, wie der Tagesspiegel bereits am Donnerstag schrieb, die seit Monaten diskutierte Personalie letzte Woche gegen ihn. Maaßen wird nicht Honorarprofessor. Grund, so war zu hören, war seine Rolle im Fall Kurnaz.
Andrea Dernbach