Liberale: Kubicki: Es geht bergauf mit der FDP - auch in NRW
Wolfgang Kubicki im Interview über die Landtagswahlen im Frühjahr, die Anhebung des Spitzensteuersatzes und große Fehler – die von Norbert Röttgen aber die seines eigenen Parteichefs Philipp Rösler.
- Antje Sirleschtov
- Hans Monath
Herr Kubicki, sind Sie Christian Lindner noch gram, dass er sein Amt als Generalsekretär der FDP hingeschmissen hat?
Ich habe ihm nicht übel genommen, dass er das Amt aufgegeben hat, sondern dass er uns alle darüber im Unklaren gelassen hat. Er hat mir danach seine Gründe dargelegt, und ich habe sie verstanden. Aus seiner Sicht war es der richtige Schritt.
Sie haben von einer Bleiweste gesprochen, die Ihnen die Bundes-FDP im Wahlkampf anlegt. Tragen Sie die Weste noch?
Es muntert nicht auf, wenn man länger als ein Jahr lang in allen Umfragen weit unter fünf Prozent liegt. Aber das ist jetzt Geschichte, es geht bergauf. In Schleswig-Holstein stehen wir schon bei vier Prozent, und das wird auch in Nordrhein- Westfalen bald so sein.
Allein wegen Christian Lindner?
Seit seiner Nominierung als Spitzenkandidat nimmt das Interesse an der FDP zu. Wir beide stehen für eine FDP, die sich nicht auf Wirtschaftsthemen und Wachstumsbegriffe verengen lässt.
Warum hängt die FDP unter Philipp Rösler seit einem Jahr im Umfragekeller fest?
Die neue Führung hat den gleichen Fehler gemacht wie zu Beginn der schwarz-gelben Regierung. Den Menschen wurde viel versprochen und nichts gehalten. In seiner Antrittsrede hat Philipp Rösler gesagt: „Ab heute werden wir liefern“, und danach ist nichts passiert. Der zweite Fehler war, den Mitgliederentscheid der FDP über den Euro-Kurs als gescheitert zu erklären, bevor er beendet war.
Steht die FDP in Nordrhein-Westfalen vor einer Schicksalswahl?
Nein. Wir werden erst in Schleswig-Holstein und eine Woche später in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass die FDP noch lange nicht abgeschrieben ist.
Kubicki und Lindner, das Duo Infernale?
Wir sind beide eigenständige Politiker, die für ihre Überzeugungen einstehen. Und wir haben wieder eine Achse zwischen den Wahlkämpfern in NRW und in Schleswig-Holstein wie schon im Jahr 2000, als ich eng mit Jürgen Möllemann zusammengearbeitet habe, der damals NRW-Landeschef war. Das war eine ganz ähnliche Situation: Wir hatten gerade magere Ergebnisse eingefahren, die FDP gab es kaum noch. Da haben wir beide gesagt: Das rocken wir jetzt! Dann haben wir im Norden sieben Prozent geholt und die NRWler fast zehn. Das werden wir jetzt wiederholen.
Heißt Eigenständigkeit auch, in Schleswig- Holstein eine Ampel aus SPD, Grünen und Liberalen zu probieren?
Solche Fragen stellen sich erst nach Wahlentscheidungen. Wir wollen die Koalition mit der CDU fortsetzen. Abgesehen davon: Ich habe zu vielen Sozialdemokraten hervorragende Kontakte. Ich bin mir sicher, dass eine Zusammenarbeit mit dem SPD-Spitzenkandidaten Torsten Albig gut funktionieren würde. Mit SPD-Landeschef Ralf Stegner würde das allerdings ein Problem.
Lindner hat als Generalsekretär an der Öffnung zu neuen Partnern gearbeitet. Eine weitere Gemeinsamkeit mit Ihnen?
Ich halte eine dauerhafte Festlegung der FDP auf eine schwarz-gelbe Koalition für unhistorisch und intellektuell wenig reizvoll. Entscheidend ist, mit welchem Partner man die Probleme lösen kann.
Die FDP ist die einzige Bundestagspartei, die sich gegen Mindestlöhne sträubt. Wie lange noch?
Die Union treibt ein taktisches Spiel. Sie schlägt im Moment vor allem Projekte vor, bei denen sie sagen kann, die FDP verhindere sie. Mein Landesverband und ich empfehlen, dass es in den Bereichen, wo die Tarifpartner entweder zu schwach sind oder sich noch nicht geeinigt haben, eine Kommission gibt, bestehend aus den Tarifpartnern und einer dritten Instanz nach dem britischen Modell einer Sachverständigenrunde. Sie soll sich dann darüber einigen, welche Lohnuntergrenzen nicht unterschritten werden dürfen. Das ist etwas anderes als ein Mindestlohn und hat den Vorteil, dass es auf die jeweiligen Branchen zugeschnitten ist.
Auch gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wehrt sich die FDP.
Sie ist kein Allheilmittel und wird nicht den Ertrag bringen, den sich ihre Fürsprecher erhoffen. Aber sie verlangsamt den schnellen Computerhandel und ist damit einer der Bausteine, um die Finanzmärkte zu regulieren. Sie ist das Signal dafür, dass das Primat der Politik gegenüber den Finanzmärkten durchgesetzt wird. Und wenn das Instrument bei 27 EU-Staaten eine gute Lösung ist, kann es auch wirksam sein, wenn weniger EU-Länder mitmachen.
Soll die FDP jetzt auch beim Spitzensteuersatz flexibler sein?
Unbedingt. Ich befürworte eine Anhebung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 49 Prozent ab einer gewissen Einkommenshöhe. Die Mehrerträge dürfen aber nicht für Ausgaben oder zur Schuldenreduzierung verwendet werden, sondern müssen diejenigen entlasten, die unter der kalten Progression leiden.
Was halten Sie davon, dass sich CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen weigert, im Falle einer Niederlage Oppositionsführer in Düsseldorf zu werden?
Röttgen macht den größten Fehler seines Lebens. Er ist gerade dabei, sein Renommee komplett zu ruinieren. Wenn Sie sich für etwas entscheiden, dann müssen Sie sich ganz entscheiden. Die Erklärung, er wolle Umweltminister bleiben, unterminiert auch seine Position in Berlin. Die Menschen lieben keine Taktierer und keine Trickser. Röttgen zeigt, dass er kein Rückgrat hat. Er steht da wie ein Karrierefeigling.
Wolfgang Kubicki ist Fraktionschef der FDP in Schleswig-Holstein und Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl am 6. Mai. Das Gespräch mit ihm führten Hans Monath und Antje Sirleschtov.