Neuer Ministerpräsident: Kreuzritter Söder und das selbstbewusste Bayern
Der bayerische Regierungschef lässt Kreuze aufhängen und verkündet große Pläne für den Freistaat. In hohem Tempo geht der CSU-Politiker Strittiges an. Was steckt dahinter?
In Bayern wird in jedem Landes-Gebäude ein Kreuz aufgehängt, so will es Markus Söder. Der neue CSU-Ministerpräsident geht in hohem Tempo auch strittige Themen an. Er verkündet große Ziele für den Freistaat als Musterland und gibt teure Versprechen ab. Tatsächlich zeigt sich Söder auch flexibler als gedacht.
Warum ordnet Söder an, das Kreuz in Bayerns Landes-Behörden aufzuhängen?
Markus Söder hat sich vielfach fotografieren lassen, als er nun in seinem Regierungssitz, der Münchner Staatskanzlei, vorbildhaft am Eingang ein Kreuz aufhängte – von der Seite, schräg von unten, frontal von vorne. Auf Facebook postete er flugs: „Klares Bekenntnis zu unserer bayerischen Identität und christlichen Werten.“ Söder polarisiert weiterhin gerne. In Bierzelten etwa wurde die CSU- Forderung nach einer „deutschen Leitkultur“ immer besonders heftig beklatscht. Er will in seiner Politik auch das Konservative herausstellen, um bei der Landtagswahl am 14. Oktober dieses Jahres die AfD möglichst klein zu halten. Das Kreuz, so hat es das Kabinett beschlossen, soll nun in allen Behörden des Freistaats aufgehängt werden – im Eingangsbereich, um nicht gegen die staatliche Neutralität zu verstoßen. Die Verpflichtung gilt vom 1. Juni an. Den anderen Verwaltungsebenen – Regierungspräsidien, Landkreise, Städte, Kommunen – wird empfohlen, es der Landesregierung gleich zu tun.
Weshalb ist das Kreuz umstritten?
Die Kritik wird immer lauter, weil das Kreuz in Amtsstuben als Wahlkampfmaßnahme angesehen wird. Kritiker unterstellen zudem, dass dem Christentum eine Sonderrolle eingeräumt wird und sich die Aktion indirekt gegen andere Religionen wendet. Bayerns SPD-Generalsekretär Uli Grötsch etwa wirft Söder vor, das Land zu spalten. „Man muss Bayern zur Heimat für alle machen – unabhängig vom Glauben.“ Söders „Heuchelei und der Missbrauch der christlichen Botschaft“ müssten aufhören. Ähnlich schreibt es Burkhard Hose, katholischer Studentenseelsorger aus Würzburg, in einem offenen Brief: „Ich bitte Sie eindringlich: Beenden Sie den Missbrauch des Christlichen und seiner Symbole als vermeintliches Bollwerk gegen den Islam.“ Andere Kirchenvertreter sehen Söders Vorstoß vorsichtig positiv. Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender und aus München, mahnt, dass man „auch den Inhalt des Kreuzes ernst nehmen“ müsse. Dieses stehe für „Menschenliebe, Nächstenliebe, Humanität“. Womöglich kommt es in Bayern nun zu einer Art Kulturkampf um das Kreuz. In Passau jedenfalls beantragt der Grünen-Kreisrat Toni Schuberl, nicht das Kreuz in den Landkreis-Gebäuden anzubringen, sondern den Schriftzug „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“.
Was will Söder in Bayern erreichen?
Seine erste Regierungserklärung ist gespickt mit jeglicher Art von Vorhaben. Auf jeden Fall macht Söder, der von sich sagt, er sei „ein ziemlich kreativer Mensch“, gehörig Dampf. Er will sich um eine schnellere Abschiebung von Flüchtlingen kümmern, eine neue Anstalt für Abschiebehäftlinge errichten und eine eigene bayerische Grenzpolizei gründen mit 1.000 Stellen. Das soll zeigen: Sicherheit ist Söder ganz wichtig. Weiter will er die Digitalisierung vorantreiben und die Forschung fördern. Er verspricht, die Wohnungsnot anzugehen und 500.000 Wohnungen zu bauen, sowie eine neue staatliche Wohnbaugesellschaft „Bayernheim“ zu gründen. Junge Familien möchte er mit einem „Familiengeld“ unterstützen – 250 Euro monatlich im zweiten und dritten Jahr für Kinder. Ob eine Kita in Anspruch genommen oder daheim betreut wird, ist egal. Damit hat Söder das lange umstrittene bayerische Betreuungsgeld – Stichwort „Herdprämie“ – klammheimlich abgeräumt. Durch die derzeitige Behördenverlagerung möchte der Ministerpräsident auch den ländlichen Raum stärken.
Welche Ziele stecken dahinter?
Söder sagt natürlich, es gehe ihm um „Das Beste für Bayern“. Das ist auch ein CSU-Slogan. Insgesamt sind die Programme ein ziemlicher Aufschlag, der im ersten Jahr eine Milliarde Euro kosten wird. Klar ist, dass er sich als Ministerpräsident eine gute Ausgangslage für die Wahl verschaffen will. Die Opposition kritisiert, dass sich Söder einen Wahlsieg „kaufen“ wolle. Tatsächlich geht es im Herbst – wieder einmal – um alles oder nichts: Verliert die CSU und bräuchte nicht nur einen, sondern gar zwei Koalitionspartner, wackelt Söders Position gewaltig. Nach den Umfragen könnten neben den Christsozialen, SPD und den Grünen auch die Freien Wähler (FW), die FDP und die AfD ins Maximilianeum in München einziehen.
Kann sich Bayern das überhaupt leisten?
Das Geld ist da. 2017 gab es 41,1 Milliarden Euro Steuereinnahmen, 2018 soll dieser Betrag noch steigen. Je rund eine Milliarde sind dabei ein zusätzliches Plus, eine Mehreinnahme. Das Land steht mit seiner breit aufgestellten Wirtschaft gut da, die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Dass Behörden im Großen und Ganzen gut funktionieren, sieht man in Bayern als Selbstverständlichkeit an. Auch die Asylkrise Ende 2015 meisterte Bayern bundesweit am besten. Auf ineffiziente Verwaltung und Versagen wie etwa in Berlin blickt man in Bayern ungläubig und auch mit einer arroganten Attitüde. Dank der guten Haushaltslage braucht Söder für seine Vorhaben keine neuen Schulden aufnehmen, Bayern will im Gegenteil alte abtragen.
Wie macht sich Söder als Ministerpräsident?
Er zeigt sich flexibler, als man dachte. Passt ihm etwas nicht ins Konzept, räumt er das im Gegensatz zu Vorgänger Horst Seehofer schnell ab. Das Projekt einer neuen Skiliftanlage am Riedberger Horn im Allgäu etwa, aus ökologischen Gründen heftig kritisiert, stellte er ruckzuck ein. Die Entscheidung über die umkämpfte dritte Startbahn für den Münchner Flughafen verschob der neue Ministerpräsident bis nach der Wahl. Und den Entwurf für ein neues Psychiatrie-Gesetz, mit dem – so die Kritik – Kranke wie Straftäter behandelt werden, versenkte er erst in dieser Woche.