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Über Kreuz. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen, l) und Thomas Strobl (CDU).
© Marijan Murat/dpa

Baden-Württemberg: Kretschmanns grün-schwarze Koalition wackelt

Die Beziehung zwischen Grünen und CDU in Baden-Württemberg ist angespannt. Und am Sonntag droht die Abwahl des grünen Oberbürgermeisters von Freiburg. Worum es geht.

Einen besseren Zeitpunkt hätte Stefan Mappus, Baden-Württembergs vorerst letzter Ministerpräsident mit CDU-Parteibuch, für seine Rückkehr in die Stuttgarter Regierungszentrale kaum wählen können. An diesem Freitag betritt er zum ersten Mal seit seiner Abwahl 2011 wieder die Villa Reitzenstein. Im Gepäck hat der 52-Jährige sein Porträt für die Ahnengalerie, die im Erdgeschoss der Regierungszentrale an die früheren Ministerpräsidenten erinnert.

Mit dem Namen Mappus verbinden viele Menschen Bilder von der Eskalation des Streits um Stuttgart 21. Aus dem Blickwinkel führender CDU-Politiker ist er der Mann, der die Macht an die Grünen verloren hat. Mappus hat mit seinem Porträt lange gewartet, aber jetzt hält er die Zeit für reif, sich zurückzumelden: „Ich vermisse bei meiner Partei des Öfteren zu wissen, für was wir eigentlich stehen.“ Es gebe „jede Menge ehemalige CDU-Wähler, denen die Sozialdemokratisierung der CDU im Bund und die Anbiederung der CDU an die Grünen in Baden-Württemberg auch nicht gefällt. Man sieht das ja an den Wahlergebnissen.“ Die Südwest-CDU kam 2016 nur noch auf 27 Prozent, mit Mappus hatte sie 2011 noch 39 Prozent geholt.

Mappus kämpft um sein Bild in der Geschichte. Seine Nachfolger, der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann und CDU-Vize-Regierungschef Thomas Strobl haben andere Sorgen. Denn in diesen Tagen gilt es als fraglich, ob ihr grün- schwarzes Bündnis bis Ende der Legislaturperiode 2021 halten wird. „Es kann niemand sagen, wann diese Koalition faktisch zu Ende geht, inhaltlich ist sie es schon. Nun ist nur noch die Frage, wann sie formal bricht“, sagt FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.

In Freiburg muss Salomon um die Wiederwahl bangen

Vergangene Woche war es schon nah dran. Erst hatte die CDU-Fraktion die im Koalitionsvertrag mit den Grünen fest vereinbarte Reform des Landtagswahlrechts endgültig platzen lassen. So etwas könne sich die CDU nur einmal leisten, zürnte Kretschmann. Am Folgetag stand im ersten Wahlgang die grün-schwarze Mehrheit bei der Wahl der CDU-Abgeordneten Sabine Kurtz, einer evangelikalen Christin, zur Vize-Präsidentin des Landtags nicht. Sie erhielt nur 59 Stimmen, Grün-Schwarz verfügt über 90. Die Sitzung wurde unterbrochen, Rülke nutzte die Zeit, um bei seinen Abgeordneten die Bereitschaft abzufragen, den grünen Ministerpräsidenten mit den vereinten Kräften von CDU, SPD und FDP zu stürzen.

Über eine solche „Deutschland-Koalition“ hatten Vertreter von CDU und SPD bereits direkt nach der Wahl 2016 gesprochen. Schwarz-Rot-Gelb hätte zwei Stimmen mehr als erforderlich. „Meine zwölf Leute stehen bereit“, meldete Rülke per SMS den Fraktionschefs von CDU und SPD. Das Angebot blieb unbeantwortet. Im zweiten Anlauf kam Kurtz auf 71 Stimmen – genug für die Wahl, zu wenig, um die Wogen zu glätten.

Eine Reform des Landtagswahlrechts mit dem Ziel, den Frauenanteil von nur 25 Prozent im Stuttgarter Parlament zu erhöhen, ist eine Herzensangelegenheit vieler Grüner. Kretschmann steht an der Basis und in Teilen der Fraktion ohnehin im Verdacht, eine zu konservative Politik zu verfolgen. Dass er den Koalitionsfrieden auch in dieser Angelegenheit über den Koalitionsvertrag stellt, verärgert nun auch Loyalisten. In der CDU hat der Streit ums Wahlrecht einmal mehr den Riss deutlich gemacht, der zwischen dem Reformbefürworter Strobl und der traditionell ausgerichteten CDU-Fraktion besteht. Strobl will mit den Grünen gut regieren – einige Landtagsabgeordnete würden lieber heute als morgen wieder ohne die Grünen und auch ohne Strobl regieren.

Kretschmann blickt gespannt nach Freiburg, wo der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon am Sonntag im zweiten Wahlgang noch das Ruder herumreißen will. Im ersten Wahlgang war er überraschend von einem von der SPD unterstützten politischen Nobody auf den zweiten Platz verwiesen worden. Sollte er nach zwei Amtsperioden abgewählt werden, würde die Opposition das auch als Menetekel für Stuttgart sehen. Dafür, dass nach zwei Amtsperioden auch die Zeit für Kretschmann zu Ende geht. Der Ministerpräsident mischt sich nun selbst in Freiburg ein und macht für Salomon Wahlkampf. Er gibt die Schlacht nicht verloren.

Roland Muschel

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