zum Hauptinhalt
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird 70.
© dpa/Marijan Murat

Grüne in Baden-Württemberg: Kretschmann wird 70 - und denkt ans Weitermachen

Winfried Kretschmann, Deutschlands erster und einziger grüner Ministerpräsident, begeht seinen 70. Geburtstag. Er spielt mit dem Gedanken, 2021 noch einmal anzutreten.

Ein bisschen Koketterie mag dabei gewesen sein, als Winfried Kretschmann vor wenigen Tagen laut darüber nachdachte, sich 2021 bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg erneut als Ministerpräsident zu bewerben. „Alle wollen, dass ich weitermache. Wenn ich gesund bin und das Gefühl habe, dass das erwünscht ist, dann besteht diese Möglichkeit durchaus“, sagte der Grünen-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“. An diesem Donnerstag wird Kretschmann 70 Jahre alt. Die Debatte, wer den beliebten Landesvater bei den Grünen mal beerben könnte, hat längst begonnen. Doch in seiner Partei halten viele auch für möglich, dass Kretschmann es mit dem Weitermachen tatsächlich ernst meint.

Einen passenden Nachfolger zu finden, wäre keine einfache Aufgabe

Einen passenden Nachfolger zu finden, wäre auch keine einfache Aufgabe für den Landesverband. Zwar liegt der Erfolg der Grünen in Baden-Württemberg nicht allein an Kretschmann. Aber dass es gelang, die CDU bei der letzten Landtagswahl 2016 auf den zweiten Platz zu verweisen und die Grünen mit gut 30 Prozent als führende Volkspartei im Südwesten zu etablieren, hat viel mit dem Ministerpräsidenten zu tun. 2011 war er erstmals zum Regierungschef gewählt worden, kurz nach der Atomkatastrophe von Fukushima. Fünf Jahre später war auf den Grünen-Plakaten im Wahlkampf nur noch Kretschmann zu sehen. „Wir bräuchten wieder jemanden, der so weit in die Mitte der Gesellschaft vordringen kann wie er“, sagt ein führender Grüner.

Er ist der beliebteste Ministerpräsident

Kretschmanns Ansehen in der Bevölkerung ist nach wie vor hoch. Auch wenn es gerade in der grün-schwarzen Landesregierung kriselt, landete der Grünen-Politiker Anfang der Woche in einer Umfrage erneut als beliebtester Ministerpräsident in Deutschland auf Platz eins. Doch in der Abwahl des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon vor anderthalb Wochen sehen manche zumindest eine Warnung für Kretschmann.

Mit Salomon hatte der Aufstieg der Grünen in Baden-Württemberg begonnen: Er war 2002 der erste aus seiner Partei, der in Deutschland eine Wahl zum Oberbürgermeister gewann, im Jahr 2007 folgte in Tübingen sein Parteikollege Boris Palmer. Die angeschlagene Baden-Württemberg-SPD versuchte deshalb auch umgehend, Salomons Niederlage nach 16 Jahren und zwei Wahlperioden als Anfang vom Ende der grünen Volkspartei zu deuten. Kretschmann selbst tut das Freiburger Ergebnis als ein „rein lokales“ Ereignis ab, Bürgermeisterwahlen seien immer Persönlichkeitswahlen und folgten keinen parteipolitischen Trends. Seinen Job sieht er momentan vor allem darin, die grün-schwarze Koalition in Stuttgart wieder in „ruhigeres Fahrwasser“ zu bringen. Anlass für den Koalitionskrach war die gescheiterte Wahlrechtsreform, die einen höheren Frauenanteil im baden-württembergischen Landtag ermöglichen sollte. Obwohl das Vorhaben im Koalitionsvertrag vereinbart war, hatte die CDU-Fraktion es gestoppt. Seitdem mehren sich bei den Grünen die Stimmen, die das progressive oder visionäre Profil innerhalb der Regierung wieder schärfen wollen.

Ein Name, der genannt wird, ist Cem Özdemir

Vorerst sind die Landesgrünen froh, dass die Debatte über mögliche Kretschmann-Nachfolger nicht allzu offensiv geführt wird. Ein Name, der in den letzten Monaten immer mal wieder genannt wurde, ist Cem Özdemir. Der langjährige Parteichef, der die Grünen 2017 als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl führte, ist nicht nur in seiner schwäbischen Heimat populär, sondern hat es in den letzten Jahren auch zum bekanntesten Bundespolitiker der Grünen gebracht. Es sei „durchaus vorstellbar“, dass jemand wie Özdemir es schaffen könnte, der erste baden-württembergische Ministerpräsident mit türkischen Wurzeln zu werden, lobt auch Amtsinhaber Kretschmann. Die Frage stelle sich aber nicht, fügte er vorsichtshalber hinzu, um Spekulationen vorzubeugen. Manche bei den Grünen glauben ohnehin, dass Özdemir ein anderes Ziel verfolgt. Er hoffe nach wie vor auf eine Chance, doch noch Grünen-Fraktionschef im Bundestag zu werden, heißt es.

In der Riege der grünen Ministerinnen und Minister in Stuttgart sticht bisher niemand so eindeutig heraus, dass sie oder er automatisch als Nachfolger gehandelt würden. Kretschmann hält viel von Finanzministerin Edith Sitzmann, die ihm schon zu grün-roten Regierungszeiten als Fraktionschefin den Rücken frei hielt. Als gesetzt gilt sie deswegen aber nicht. Nach seiner Abwahl in Freiburg hat sich auch Dieter Salomon als möglicher Anwärter auf die Spitzenkandidatur disqualifiziert. Dasselbe gilt für den Tübinger Oberrealo Boris Palmer, der mit seinen Äußerungen zur Flüchtlingspolitik zunehmend polarisiert. Manche nennen stattdessen den früheren Bundestagsfraktionschef Fritz Kuhn, der seit Anfang 2013 Oberbürgermeister von Stuttgart ist.

Kretschmann will sich mit seiner Entscheidung noch Zeit lassen

Kretschmann selbst will sich mit der Entscheidung über seine politische Zukunft Zeit lassen, in einem oder eineinhalb Jahren werde er sich wirklich damit beschäftigen, sagte er. Bei seinem Geburtstagsempfang im Neuen Stuttgarter Schloss am Donnerstag soll es darum nicht gehen. Festredner ist unter anderem Kretschmanns Weggefährte Joschka Fischer, für den er vor mehr als 30 Jahren als Grundsatzreferent im hessischen Umweltministerium arbeitete. Auf der Rednerliste steht aber auch der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl. Der CDU-Mann wird sich noch gedulden müssen mit der Frage, ob Kretschmann ihm bei der nächsten Wahl mit einer erneuten Kandidatur das Leben schwer machen wird.

Zur Startseite