Plagiatsvorwürfe gegen Ursula von der Leyen: Kratzer am Image der Streberin
Die Verteidigungsministerin gilt als diszipliniert und korrekt. Doch nun gibt es schwere Vorwürfe: Leyens Doktorarbeit soll viele Plagiate aufweisen.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen soll bei ihrer Doktorarbeit plagiiert haben. Unabhängig davon, als wie schwerwiegend sich die Vorwürfe der Internetplattform „VroniplagWiki“ herausstellen werden – sie sind nur schwer vereinbar mit dem Bild, das sich die CDU-Frau in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit aufgebaut hat. Als Politikerin ist Ursula von der Leyen selbstdiszipliniert, korrekt und gründlich. Eine Streberin im besten Sinn – die sich ihren Status als einzig verbliebene Unions-Kandidatin für die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel durch harte Arbeit erkämpft hat.
Alles unter Kontrolle
Anders als ihre Vorgänger im Bendlerblock zeigte sie sich beispielsweise von Anfang an entschlossen, das Beschafffungswesen der Bundeswehr unter Kontrolle zu bringen. Unter ihre Kontrolle. Statt die Vorlagen zum Stand großer Rüstungsprojekte einfach durchzuwinken, sich auf die Aussagen ihrer Führungskräfte zu verlassen, arbeitete sie sich akribisch in die Materie ein. Und wie bei anderen Themen lässt es sich die Ministerin nicht nehmen, auch komplexe Vorgänge bis ins Detail zu erklären. Die Hintergrundgespräche, zu denen sie die Hauptstadtmedien dann einlädt, gleichen meist einem Proseminar: eineinhalb Stunden Vortrag mit Power-Point-Präsentation. Fehler unterlaufen ihr selten, Schlampereien nie.
Und nun das: An 37 Stellen wollen die Aktivisten von „VroniplagWiki“ Plagiate identifiziert haben. „Zahlreiche wörtliche und sinngemäße Textübernahmen, die nicht als solche kenntlich gemacht sind“, enthalte die Arbeit. Seit dem Wochenende ist die anfangs anonymisierte Plagiatsdokumentation auch namentlich der Ministerin zuzuordnen (hier die Dokumentation auf "VroniplagWiki").
Leyen promovierte 1991
Leyen ist Medizinerin, promoviert wurde sie 1991 an der Medizinischen Hochschule Hannover mit einer Arbeit aus dem Bereich der Frauenheilkunde. „C-reaktives Protein als diagnostischer Parameter zur Erfassung eines Amnioninfektionssysndroms bei vorzeitigem Blasensprung und therapeutischem Entspannungsbad in der Geburtsvorbereitung“ lautet der Titel der Dissertation. Die meisten beanstandeten Stellen finden sich in dem Teil, in dem sie Grundlagen ihres Themas behandelt; einige auch im abschließenden analytischen Teil.
Als „herausragend“ klassifizieren die Plagiatsjäger fünf Passagen, wo teilweise mehr als 75 Prozent der jeweiligen Seite betroffen sind. So übernimmt Leyen auf drei Seiten von einem anderen Autor weitgehend einen historischen Abriss über die Bedeutung des Dampfbads bei der Geburt. Sie nennt ihre Quelle erst am Ende des letzten Absatzes, so dass der Eindruck entstehen kann, die längeren vorangehenden Passagen stammten von ihr.
Ähnlich verfährt sie bei einem Abschnitt über die klinische Bedeutung des von ihr behandelten Proteins. Zur „Verschleierung“ führt sie hier zwar auch andere Quellen an – die sich laut „VroniplagWiki“ teils aber gar nicht mit den genannten Inhalten beschäftigen. Das lasse vermuten, Leyen habe ihre genannten Quellen nicht rezipiert, kommentieren die Plagiatsjäger.
Klare Muster
Nach ähnlichem Muster gehe Leyen auch bei anderen, kürzeren Passagen vor, sagt Jura-Professor Gerhard Dannemann von der HU Berlin, der bei „VroniplagWiki“ mitarbeitet. Leyen übernehme zudem Fehler ihrer nicht genannten Quellen und füge teilweise eigene hinzu. Setze man die Zahl der beanstandeten Stellen ins Verhältnis zur Gesamtlänge der Arbeit (auf 43 Prozent der nur 62 Seiten langen Arbeit hat „VroniplagWiki“ Plagiate identifiziert), hält Dannemann den Fall sogar für schwerer als den der Ex-Wissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU). Dieser wurde ihr Doktortitel aberkannt, wie zuvor Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) oder Silvana Koch-Mehrin (FDP). Andere Politiker wie Frank-Walter Steinmeier (SPD) oder Norbert Lammert (CDU), denen ebenfalls Plagiate vorgeworfen wurden, konnten nach Überprüfungen ihren Titel behalten.
Symptomatisch für Medizinarbeiten
Für Dannemann ist Leyens Arbeit symptomatisch für die Qualitätsprobleme medizinischer Dissertationen. Zwar wolle er nicht alle Doktorarbeiten aus dem Bereich abwerten, sagt Dannemann. Leider werde aber die gute medizinische Fachkultur untergraben durch eine „Subkultur des sukzessiven Abschreibens, ohne Inhalte zu überprüfen oder die wahren Quellen zu dokumentieren“. Auf „VroniplagWiki“ sind zurzeit 85 medizinische Arbeiten mit Plagiaten aufgeführt.
Leyen weist die Vorwürfe zurück: Es sei nicht neu, dass Aktivisten im Internet versuchen, Zweifel an Dissertationen von Politikern zu streuen, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Sonntag. Bereits im August habe sie von den Vorwürfen erfahren und die Uni gebeten, ihre Arbeit untersuchen zu lassen. Ein Sprecher der Hochschule sagte der Deutschen Presse-Agentur, mit Ergebnissen der Vorprüfung durch die Ombudsperson der Uni sei in den nächsten Tagen zu rechnen. Danach sei mit der Einleitung einer förmlichen Untersuchung zu rechnen.
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