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Niederlage für Rot-Schwarz: CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel (links) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD)
© AFP/Steffi Loos
Update

Berlin-Wahl: Krachend abgewählt

Die unbeliebteste Landesregierung Deutschlands ist abgewählt, die SPD ist der kleinste Wahlsieger aller Zeiten. Eins ist klar: Berlin braucht mehr Professionalität.

Sechs Parteien sind im neuen Berliner Parlament vertreten, drei von ihnen werden den neuen Senat tragen müssen. Aber zwei von denen, die voraussichtlich dazugehören, SPD und Grüne, sind hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben, die SPD hat sogar im Vergleich zur letzten Wahl erheblich verloren. Dafür ziehen zwei Parteien neu ein ins Abgeordnetenhaus, die AfD sogar mit eroberten Direktmandaten, die FDP mit einem populären Ticket: der Offenhaltung von Tegel. Zudem ist die Stadt gespalten, die CDU verwüstet. Eine Richtungsentscheidung sieht anders aus, auch wenn die Linke sich als Gewinner betrachten kann. Was lässt sich aus alledem ableiten?

Ein „klarer Regierungsauftrag“, wie Michael Müller meint, jedenfalls kaum. Die Wahl war vor allem ein parteiübergreifender Schrei nach mehr Professionalität in den Kernbereichen der staatlichen Zuständigkeit. Dass es den Leuten nicht egal ist, was mit ihrer Stadt geschieht, zeigt die hohe Wahlbeteiligung, die nicht nur der AfD geschuldet ist, wenn auch zum Teil dem Wunsch ihrer Abwehr.

Bittere Ironie, dass selbst dieser nicht ganz überraschende, weil zuvor bereits anderswo zu beobachtende Trend zum Wählen die organisatorischen Mängel dieser Stadt wieder einmal offengelegt hat: Zum Teil mussten die Wähler mehr als eine Stunde warten, bevor sie dran waren, manche standen sogar noch nach 18 Uhr in einer langen Schlange an. Bestimmt fiele auch dazu einem der Verantwortungsträger ein lockerer Spruch ein nach dem Motto: Wegen großen Erfolgs wird die Wahl wiederholt.

Das zeichnet aber auch schon vor, welche Aufgaben im neuen Senat die drängendsten sind, ganz gleich, wer ihn bildet. Es geht dabei weniger um einen Politikwechsel, als viel mehr um einen Mentalitätswechsel. Die Politik muss sich der Dynamik der Stadt anpassen, nicht, um alles nur zu begleiten, sondern um die Rahmenbedingungen des Lebens hier zu gestalten, vorausschauender und weniger fatalistisch, als das zuletzt geschehen ist.

Dabei muss die wirtschaftliche Entwicklung in Einklang gebracht werden mit den Bedürfnissen jener, an denen der Aufschwung vorbeigeht. Und, last but not least, es muss Schluss sein mit einer Politik der Gefälligkeiten. Die Stadt gehört nicht den Parteien, auch wenn sich manche so aufführen.

Einfacher wird das nicht für den Regierenden Bürgermeister. Dass der wieder Müller heißt, kann als sicher gelten. Zwar ist die SPD tief gefallen, aber sie ist stärkste Partei geblieben. Doch was heißt das schon?

Mit ihren knapp 22 Prozent ist die Berliner SPD der kleinste „Wahlsieger“, den es in der Bundesrepublik jemals gegeben hat. Bereits bei den Koalitionsverhandlungen wird sich zeigen, dass es für die SPD in einer Dreierkoalition schwieriger wird, als es für sie mit der willfährigen CDU war. Sie kann schnell in eine Minderheitenposition kommen – und das bei zwei Partnern, von denen der eine, die Grünen, sich nicht länger abschätzig behandeln lassen will, und der andere, die Linke, nicht wieder, wie unter Wowereit, auf eigenen Verschleiß regieren möchte.

Dazu kommt eine Opposition, die unangenehmer ist, als die letzte war. Der neue Senat wird aufpassen müssen, dass er sich nicht schnell entzaubert.

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