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Der Regierende Bürgermeister von Berlin und Spitzenkandidat Michael Müller (SPD) winkt nach ersten Ergebnissen zu der Abgeordnetenhauswahl in Berlin seinen Anhängern zu. Es scheint, als habe er drei Hände...
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Update

Berlin-Wahl: Michael Müller braucht neue Partner - aber nicht die AfD

Das Minimalziel der SPD ist erreicht. Michael Müller könnte im Amt bleiben – muss sich aber neue Partner suchen.

Das Wahlergebnis ist miserabel. Trotzdem hat es die SPD geschafft, im Reigen der schwachen Berliner Parteien die stärkste Kraft zu bleiben. Mit nicht einmal 22 Prozent. Als der Regierende Bürgermeister Michael Müller, der auch Spitzenkandidat und Landeschef der Sozialdemokraten ist, nach Schließung der Wahllokale in der Columbiahalle zu den Parteifreunden sprach, wirkte extrem er erleichtert. Er rang sich sogar ein schmales Lächeln ab, und Ehefrau Claudia freute sich ein bisschen über die roten Rosen, die der Parteichef Sigmar Gabriel – ebenfalls sichtbar erleichtert – überreichte.

„Das ist ein klares Ergebnis, aber auch Ansporn, besser zu werden“, sagte Berlins Regierungschef, der dieses Amt wohl behalten wird. Die SPD sei mit diesem einige Prozentpunkte vor den anderen geblieben. „Wir müssen aber in der Umsetzung unserer Themen besser und schneller werden.“ Es sei ja nicht so, „dass ich nicht selbstkritisch bin“, sagte er später in der RBB-Abendschau, schob aber das schlechteste Ergebnis, dass die Berliner SPD seit Kriegsende eingefahren hat, auch auf seine nicht einmal zweijährige Regierungszeit. Andere Ministerpräsidenten der SPD, die in diesem Jahr besser abgeschnitten hätten, seien viel länger im Amt.

Andere Genossen sprachen Klartext. Die Stimmenverluste seien sehr bitter, „wir sind noch einmal mit einem blauen Augen davongekommen“, sagte der SPD-Fraktionschef Raed Saleh dem Tagesspiegel. Der zweitmächtigste Mann in der Berliner Sozialdemokratie agiert seit langem als mehr oder weniger heimlicher Gegenspieler von Müller. Seine Mission, die er immer wieder öffentlich verkündet: Die SPD müsse, in Bund und Ländern, wieder näher an die Menschen heran, an die einfachen Leute. Die gesellschaftliche Vernetzung der Partei sei völlig unzureichend.

Rot-rot-grün ist sehr wahrscheinlich

Trotzdem werden die Sozialdemokraten den vermeintlichen Wahlsieg zügig nutzen, um ein rot-rot-grünes Bündnis zu schmieden. Mit deutlich erstarkten Linken und schwächelnden Grünen, aber es reicht. In einer Schaltkonferenz waren sich die führenden Vertreter der SPD-Linken bereits am frühen Abend einig, dass alles andere als eine Koalition mit Linken und Grünen im Berliner Landesverband „großes Entsetzen“ auslösen würde, wie ein Genosse sagte. Die Hauptstadt-SPD tickt nun einmal mehrheitlich links, zwei Drittel der Parteitagsdelegierten zählen zu diesem starken Lager.

Die offizielle Sprachregelung lautet ein bisschen anders. Welchen Funktionär man auch fragte, der sagte brav, dass die Sozialdemokraten mit allen demokratischen Parteien sprechen würden. Das gehöre sich so, und das gebiete auch der Anstand gegenüber dem bisherigen Koalitionspartner CDU, sagte zum Beispiel der Vize-Landeschef der SPD, Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel. Man solle das nicht überinterpretieren, verlautete aus Parteikreisen. Das sei eher ein taktisches Manöver.

Schon am Montag will der Vorstand Sondierungsgespräche beschließen

Die Jungsozialisten, die mit 4000 Mitgliedern in der Landes-SPD eine bedeutende Rolle spielen, sprachen sich bereits für eine „weltoffene Politik mit Rot-Rot-Grün“ aus. Ihre Ziele könnten die Sozialdemokraten nur links der Mitte durchsetzen. „Dafür brauchen wir zuverlässige Partner.“ Pflichtschuldig fügte die Juso-Landeschefin Annika Klose hinzu, dass die „deutlichen Verluste“ schmerzten. Aber der – vermutlich weiterregierende – Bürgermeister Müller kommt offenbar ohne Pflaster aus, die Wunde der Stimmverluste sollen möglichst schon über Nacht heilen. Am Montag um 16.30 Uhr wird der SPD-Landesvorstand in der Parteizentrale in Wedding die Sondierungsgespräche beschließen.

Er hat es also geschafft. Irgendwie. Michael Müller ist mit diesem Wahlergebnis zwar innerparteilich angeschlagen, doch momentan gibt es zu ihm keine Alternative. Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh wird warten, bis seine Zeit gekommen ist. Niemand wird jetzt putschen – die Parole heißt: Weiter so! Müller kann nun sagen, dass er von den Wählern als Spitzenvertreter der stärksten politischen Kraft legitimiert worden ist, im Roten Rathaus zu bleiben. Am 11. Dezember 2014 war er dort eingezogen, nachdem sich sein Amtsvorgänger Klaus Wowereit mitten in der Wahlperiode aus der Politik zurückgezogen hatte. Nominiert wurde Müller damals nur von der eigenen Partei, die ihn in einem Mitgliedervotum für das Regierungsamt bestimmte. Jetzt hat er immerhin ein Wählervotum.

"Wer Müller will, muss SPD wählen"

Müller, der Parteisoldat, der in knapp zweijähriger Regierungszeit keinen dauerhaften Amtsbonus aufbauen konnte, aber trotzdem versuchte, mit seiner Person Stimmen zu holen. „Wer Müller will, muss SPD wählen“, wurde in der Woche vor dem Wahltag auf die Plakate geklebt, auf denen ein schmaler Mann im dunklen Zwirn und mit ovaler Brille den Wählern fein lächelnd entgegenblickte. Mit der Routine eines Berufspolitikers, der über drei Jahrzehnte Spitzenämter auf der Bezirks- und Landesebene bekleidet hat, gab er im Wahlkampf sein Bestes. Auch bei der Abschlusskundgebung, am Freitag im Schöneberger Kiez, hielt er noch mal eine kämpferische Rede. Wobei auf dem Winterfeldtplatz ein sehr überschaubares Publikum applaudierte. In einem Quartier, das eine Domäne der Grünen ist, wollte Müller der Konkurrenz im Heimatbezirk Tempelhof-Schöneberg nicht das Feld überlassen. „Es geht um viel“, rief Müller aus. „Ich will Regierender Bürgermeister bleiben.“ Und er rief seinen Leuten zu: „Raus und kämpfen!“

Mit seiner Frau Claudia wählte Michael Müller in Tempelhof.
Mit seiner Frau Claudia wählte Michael Müller in Tempelhof.
© dpa

Denn bis zum Wahlsonntag ging in der SPD die große Angst um, dass die eigene Klientel zu Hause bleiben könnte. Es gab, bestätigt durch Umfragen, für die Sozialdemokraten ein massives Mobilisierungsproblem, das bis in die eigenen Reihen hineinreichte. Denn manchen Parteifreunden fiel es nicht leicht, für den obersten Genossen Müller auf die Straße zu gehen. Oftmals hörte man den Satz: „Es kümmert sich jeder erst einmal um das eigene Mandat.“ Es kam auch nicht gut an, dass sich der SPD-Landeschef in parteiinternen Sitzungen mehrfach über mangelndes Engagement beschwerte.

Das Vertrauen in Müller hielt nicht lange

Denn so empfindlich, dünnhäutig Müller selber ist, kann er doch in kleinem Kreis heftig und rücksichtslos austeilen. Er gilt bei den eigenen Leuten auch als sehr talentiert dafür, Verantwortung abzuwälzen, wenn Fehler gemacht werden. Und Fehler wurden gemacht, allerdings weniger im Wahlkampf. Der war solide vorbereitet und wurde politisch konsistent durchgezogen. Die Probleme waren im Regierungshandeln begründet, mit dem die Bürger mehrheitlich so gar nicht einverstanden waren.

Alle Umfragenbestätigten die hohe Unzufriedenheit der Berliner mit dem sozialdemokratisch geführten Senat. In keinem anderen Bundesland waren die Menschen so wenig einverstanden mit ihrer Regierung, den Chef im Roten Rathaus eingeschlossen. Dabei war Michael Müller, als er das Amt des Regierenden Bürgermeisters übernahm, nicht nur in der eigenen Partei, sondern auch bei den Berliner Bürgern zunächst auf Wohlwollen gestoßen. Vom schnoddrigen Charismatiker Wowereit verabschiedete sich die Hauptstadt leichten Herzens. Mit Michael Müller kam ein politischer Handwerker ins Amt. Warum auch nicht?

Die Vorschusslorbeeren hielten aber nicht lange. Im Frühjahr 2016 war es vorbei mit den guten Umfragen, die manche Sozialdemokraten schon von „30 Prozent plus x“ träumen ließen. Stattdessen ging es bergab. Es war kein Absturz, sondern ein stetiger Sinkflug.

Die Gründe liegen auf der Hand: Der Dauerstreit mit dem Koalitionspartner CDU, die Flüchtlingskrise, die Berlin mit den Fernsehbildern vom Lageso in ein schlechtes Bild rückte. Steigende Mieten, bröckelnde Schulbauten, Bürgerämter völlig überlastet – die Berliner bekamen den Eindruck, dass die seit 27 Jahren regierenden Sozialdemokraten den Laden nicht mehr in den Griff bekommen. Die wachsende Stadt, so die Wahrnehmung, wurde zu groß für die kleinen Schritte, mit denen Michael Müller Politik gemacht hat.

Gerade so: kein Desaster

Es machte sich Überdruss breit gegen die lange Herrschaft der Sozialdemokratie in Berlin. Zum ersten Mal seit Jahren wurde wieder über „roten Filz“ geschimpft, über undurchsichtige Netzwerke, die Instrumentalisierung von Landesbetrieben und problematische Parteispenden. Außerdem fliegt der SPD ihr eigens Kernthema um die Ohren: Die Armut in Berlin nimmt zu, die sozialen Spannungen wachsen. Der schöne Slogan vom „Zusammenhalt“, der in Müllers Wahlkampf eine große Rolle spielte, muss für die sozialen Verlierer in der Hauptstadt wie Hohn geklungen haben. Die kamen am Sonntag besonders gern in die Wahllokale. Die SPD hat ihr Mobilisierungsproblem nur insofern lösen können, als dass die Abgeordnetenhauswahl nicht vollends ein Desaster wurde.

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