Forderung der Krankenversicherer: Können Patienten bald ohne Termin zum Facharzt?
Die gesetzlichen Krankenversicherer wollen, dass Besuche beim Facharzt auch ohne Termin möglich sind - und drängen auf Akutsprechstunden. Bei der SPD ist man nicht abgeneigt.
Die gesetzlichen Krankenversicherer wünschen sich, dass Fachärzte ihre Patienten auch ohne Termin behandeln. Ein Teil des Problems von überfüllten Notaufnahmen an Kliniken rühre daher, dass kranke Menschen bei niedergelassenen Fachärzten nicht kurzfristig in die Sprechstunde kommen könnten, sagte der Vize-Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, dem Tagesspiegel. „Eine obligatorische Akutsprechstunde, wie sie bei Hausärzten bereits heute üblich ist, würde hier sicherlich Abhilfe schaffen. Gute medizinische Versorgung beginnt damit, dass ein kranker Mensch so rasch zu einem Arzt kommt, wie es notwendig ist.“
Die Notwendigkeit eines Arztbesuches komme naturgemäß oft kurzfristig und ungeplant, sagte der Kassenfunktionär. Stackelberg stellt sich damit hinter Gesundheitsminister Jens Spahn, der ebenfalls Akutsprechstunden bei Fachärzten verlangt. Es müsse, sagte der CDU-Politiker, „wöchentlich zumindest einen Vormittag geben, an dem es möglich ist, sich spontan behandeln zu lassen“. Dies sei dann auch entsprechend zu vergüten.
Facharztpraxen nicht mit Bagatellen verstopfen
Bei der SPD stößt die Idee ebenfalls auf Zustimmung. Akutsprechstunden bei Fachärzten seien sinnvoll, sagte Fraktionsvize Karl Lauterbach dem Tagesspiegel. Man habe damit schließlich auch bei Psychotherapeuten gute Erfahrungen gemacht. Allerdings müsse die Inanspruchnahme durch die Patienten klar definiert werden. Die Facharztpraxen dürften nicht durch Bagatellfälle verstopft werden, „es muss bei der Lotsenfunktion durch die Hausärzte bleiben“.
Während es bei Hausärzten üblich ist, Patienten auch ohne Termin zu behandeln, haben Kranke bei Fachärzten mitunter monatelang zu warten, bis sie vorgelassen werden – vor allem, wenn sie gesetzlich versichert sind. Wie Umfragen unter Patienten ergeben haben, dauert die Terminvergabe bei Augenärzten, Frauenärzten, Psychiatern, Orthopäden, Hautärzten und Kardiologen am längsten.
Dieser Befund wird auch von denen bestätigt, die das Problem herunterzuspielen versuchen. Nach der jüngsten Patientenbefragung durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) von 2017 liegt die Zahl derer, die länger als drei Wochen auf einen Termin warten mussten, in einigen Facharztgruppen bei mehr als einem Drittel. Beim Augenarzt hatten sich demnach 41 Prozent, beim Psychiater 37 Prozent und beim Frauenarzt 35 Prozent länger zu gedulden.
Bei Wartezeiten über drei Wochen ist die Art der Versicherung entscheidend
Ein weiteres Ergebnis der Befragung: Vor allem bei Wartezeiten von mehr als drei Wochen ist die Art der Krankenversicherung entscheidend. Bei 30 Prozent der befragten Kassenpatienten dauerte es länger, bis sie zum Facharzt vorgelassen wurden. Bei Privatversicherten betrug die Quote der übermäßig lange Wartenden lediglich 17 Prozent.
Ganz ohne Termin schafften es nur vier Prozent der Patienten, bei einem Facharzt dranzukommen. Der Anteil derer, die dort ohne Wartezeit vorgelassen wurden, ist im Vergleich zu den Vorjahren weiter gesunken. Und 55 Prozent erhielten ihren Termin beim Facharzt trotz akuter Probleme erst nach mehr als drei Tagen.
KBV-Chef Andreas Gassen hält trotzdem wenig von der Forderung, Patienten auch beim Facharzt Akutsprechstunden ohne feste Termine anzubieten. Beim Hausarzt sei das ja „fast die Regel“, sagte er. Der sei nun mal die erste Anlaufstelle im akuten Krankheitsfall. Bei vielen Fachärzten aber, die etwa Belastungs-EKGs oder Kernspin-Untersuchungen anbieten würden, könne man Patienten nicht einfach ohne Termin auflaufen lassen. „Das wäre Chaos pur. Da macht man um acht Uhr morgens die Pforten auf, und der letzte Patient geht nachmittags nach sieben Stunden Rumsitzen raus.“
Zwiegespalten äußerte sich der Gesundheitsexperte der Bertelsmann-Stiftung, Stefan Etgeton. Einerseits sei es gut, wenn sich die Politik um einen schnelleren Zugang von Erkrankten zu Fachärzten kümmere, sagte er. Versorgungspolitisch sei es aber wohl sinnvoller, erst einmal einen Hausarzt die Dringlichkeit des Falles beurteilen zu lassen. Allerdings müsse dieses „Gatekeeper-System“ dann auch für diejenigen gelten, die privat versichert sind.
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