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Verhandeln weiter: Theresa May (rechts) und Arlene Foster.
© dpa

Großbritannien nach der Wahl: Königsmacher aus Nordirland

Theresa May will mit der Democratic Unionist Party eine Minderheitsregierung bilden – Probleme sind dabei programmiert. Die Brexit-Verhandlungen sollen derweil kommende Woche beginnen.

Die Democratic Unionist Party (DUP) aus Nordirland soll der britischen Premierministerin Theresa May im Parlament die notwendige Mehrheit verschaffen und ihr damit auch den Rücken für die Brexit-Verhandlungen mit der Europäischen Union freihalten. Das Verhältnis zwischen der EU-kritischen DUP und der Staatengemeinschaft steht dabei allerdings unter keinen guten Vorzeichen.

Im EU-Parlament wurde Papst Johannes Paul II. 1988 bei seiner Rede lautstark von Ian Paisley unterbrochen, Anführer der Protestanten in Nordirland und Gründer der DUP. Der Pfarrer und damalige EU-Abgeordnete hielt ein rotes Plakat mit der Aufschrift „Johannes Paul II., Antichrist“ in die Höhe und wurde daraufhin unsanft aus dem Plenum geworfen. Später unterstützte der 2014 verstorbene Paisley das Karfreitagsabkommen von 1998, das den Friedensprozess zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland regelte. Nun rückt die DUP wieder in den Fokus der Weltpolitik, denn ihre geplante Zusammenarbeit mit den britischen Konservativen in London eröffnet ihr Einflussmöglichkeiten sowohl bei innenpolitischen Themen wie auch auf die Brexit-Verhandlungen.

Brexit-Verhandlungen beginnen kommende Woche

Diese, das bekräftige May am Dienstag bei einem Besuch in in Paris, sollen wie geplant in der kommenden Woche beginnen. Sie habe Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bestätigt, dass der Zeitplan auf Kurs bleibe, sagte May. Zuvor war aus EU-Kreisen bekanntgeworden, dass die EU und Großbritannien bei ersten Vorgesprächen noch kein Datum für den Beginn der Verhandlungen festgelegt hatten. Dieser war für den 19. Juni angedacht. Es geht um die Bedingungen des britischen EU-Austritts.

Frankreichs Präsident Macron hält einen Verbleib Großbritanniens in der Gemeinschaft aus Sicht der verbleibenden EU-Staaten weiter für möglich. „Die Tür ist natürlich immer noch offen, solange es keine abgeschlossene Verhandlung über den Brexit gibt“, sagte er nach dem Treffen mit May im Élyséepalast. Die Entscheidung zum EU-Austritt sei aber vom britischen Volk getroffen worden - „und ich respektiere die Souveränität der Völker“. Er sagte: weiter: „Es steht mir nicht zu, zu wissen, ob man diese Entscheidung widerrufen sollte oder nicht.“

DUP fordert mehr Geld für Nordirland

Die 1971 gegründete Partei DUP hat bei den britischen Parlamentswahlen vergangene Woche zehn Sitze im Unterhaus erhalten und soll Mays Minderheitsregierung stützen. Sie stemmt sich vehement gegen Bestrebungen von Katholiken in der Provinz, Nordirland aus dem Vereinigten Königreich zu lösen und mit der Republik Irland zu vereinen. Innenpolitisch setzt sie auf den Schutz von Arbeitern und verfolgt damit eine eher sozialistische Politik, während sie bei anderen Themen eine streng konservative Haltung einnimmt. So spricht sie sich gegen Abtreibungen genauso aus wie gegen eine Heirat gleichgeschlechtlicher Paare, die im übrigen Großbritannien erlaubt ist.

Für eine Unterstützung von May im Unterhaus dürfte die DUP Insidern zufolge mehr Geld für Nordirland herauszuschlagen versuchen. Zudem sollen ehemalige britische Soldaten im Gesundheitssystem bessergestellt werden. DUP-Chefin Arlene Foster nannte in einem Zeitungsartikel drei Prioritäten für ihre Partei: den Zusammenhalt des Königreichs zu stärken, ein gutes Ergebnis für Nordirland in den Brexit-Verhandlungen zu erreichen und die Arbeit mit den Katholiken in Nordirland an einer gemeinsamen Regierung in der Provinz wiederaufzunehmen. May und Foster setzten am Dienstag ihre Gespräche in London fort. Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.

Ähnlich wie die britischen Konservativen lassen auch die DUP-Spitzen bisher offen, wie ein „gutes Ergebnis“ in den am 19. Juni startenden Brexit-Verhandlungen genau aussieht. Foster wird in der britischen Presse mit der Aussage zitiert, dass ihre Partei für einen geordneten Abschied aus der EU eintreten will. Damit schlägt sie mildere Töne an als manche Konservative, die mit einem Abbruch der Verhandlungen drohen, falls die Gespräche in Brüssel nicht die erhofften Ergebnisse bringen sollten. Beim Brexit-Referendum stimmten vor einem Jahr 56 Prozent der Nordiren für einen Verbleib in der EU, 44 Prozent dagegen – nur in Schottland waren noch mehr Menschen gegen den Brexit. Angesichts von bis zu 30 000 Berufspendlern pro Tag und einem regen Warenaustausch will die DUP einem BBC-Bericht zufolge eine möglichst offene Grenze zu Irland nach dem Brexit beibehalten. Nordirland soll demnach Umschlagplatz für den Handel zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem Vereinigten Königreich werden, was nicht zuletzt landwirtschaftliche Produkte von der „Grünen Insel“ umfassen dürfte. Damit soll ein möglichst umfassendes Freihandels- und Zollabkommen zwischen der EU und Großbritannien einhergehen, wie es auch May anstrebt.

Machtkampf mit Sinn Fein

Im Umfeld der DUP sind bereits erste Stimmen laut geworden, die das stärkere Gewicht der Partei in London zum Vorteil gegenüber den nordirischen Katholiken nutzen wollen. So haben Teile des radikal-protestantischen Oranier-Ordens einem Bericht der britischen Online-Zeitung „The Independent“ zufolge gefordert, dass sich die DUP für die Wiederzulassung eines Marsches durch ein katholisch geprägtes Viertel in der Kleinstadt Portadown einsetzt, bei dem es um die Jahrtausendwende regelmäßig zu Ausschreitungen gekommen war.

Davon unabhängig will DUP-Chefin Forster aber die Gespräche um eine Regierungsbildung in Nordirland mit der Partei Sinn Fein fortsetzen, die hauptsächlich von katholischen Nationalisten unterstützt wird. Sinn Fein strebt ein Referendum darüber an, ob Nordirland mit Irland vereint werden soll. Dies wäre dem Karfreitagsabkommen zufolge zwar möglich, würde aber wohl bei der protestantischen und probritischen Mehrheit der Bevölkerung in Nordirland auf heftigen Widerstand stoßen. Wegen der sensiblen Lage in Nordirland wollen die Unterhändler Großbritanniens und der EU in den Brexit-Verhandlungen die Fragen rund um die ehemalige Unruhe-Provinz möglichst rasch klären. In dem 30 Jahre währenden Bürgerkrieg zwischen extremistischen Katholiken und Protestanten starben in Nordirland mindestens 3600 Menschen. (Reuters)

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